Der Deutsche Juristentag 2014 hat eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen, die den Themenbereich „Religion im Strafrecht“ betreffen. Eine Mehrheit sprach sich dabei gegen die Abschaffung des „Blasphemie-Paragraphen“, für die Zulässigkeit von Beschneidungen und gegen „fremdkulturell“ begründete Strafminderungen aus. Die meisten Beschlüsse fielen mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit.
Die vollständigen Empfehlungen des Deutschen Juristentages zum Themenkomplex „Strafrecht / Religion“ finden Sie hier.
Auszüge:
Deutscher Juristentag 2014 – Beschluss der Abteilung Strafrecht (18.09.2014)
(Abstimmungsergebnisse Ja/Nein/Enthaltung)
„1. Angesichts einer in Deutschland zunehmend pluralistisch geprägten Gesellschaft sollten Gesetzgebung und Rechtsprechung
- a. den unterschiedlichen kulturellen und/oder religiösen Vorstellungen auch im Bereich des Strafrechts deutlich stärker als bisher Rechnung tragen.
abgelehnt 1:80:5 - b. auch im strafrechtlichen Bereich unterschiedliche kulturelle und/oder religiöse Vor-stellungen beachten, der tradierten deutschen Rechtskultur ist dabei jedoch ein starkes Gewicht beizumessen.
abgelehnt 11:69:6 - c. sich im strafrechtlichen Bereich gleichwohl zuvörderst an den Vorstellungen der hiesigen Rechtsgemeinschaft orientieren. Hiervon abweichende Vorstellungen werden nur in seltenen Ausnahmefällen Berücksichtigung finden können.
angenommen 77:5:5″
…
„2. Dem Gesetzgeber ist nicht zu empfehlen, die kulturelle oder religiöse Prägung des Täters als Grundlage für einen neu zu schaffenden
- a. Rechtfertigungsgrund (sog. „cultural defense“)
angenommen 90:0:0 - b. Entschuldigungsgrund
angenommen 87:0:2
heranzuziehen.“
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„6. („Bekenntnisbeschimpfung“ /Blasphemie)
- a. Der Tatbestand der Bekenntnisbeschimpfung (§ 166 StGB) ist weder mit dem Schutz der Allgemeinheit noch mit dem Schutz von Individualrechten überzeugend zu rechtfertigen und sollte daher aufgehoben werden. Dafür spricht auch die geringe praktische Bedeutung dieses Tatbestands.
abgelehnt 21:59:8 - b./c. Der Tatbestand der Bekenntnisbeschimpfung (§ 166 StGB) sollte beibehalten werden, da diesem, ebenso wie anderen friedensschützenden Tatbeständen, in einer kulturell und religiös zunehmend pluralistisch geprägten Gesellschaft eine zwar weitgehend symbolhafte, gleichwohl aber rechtspolitisch bedeutsame, werteprägende Funktion zu-kommt. Er gibt religiösen Minderheiten das Gefühl existenzieller Sicherheit.
angenommen 62:15:9″
…
„7. (Zulässigkeit Beschneidung unter bestimmten Bedingungen)
- a. § 1631d BGB sollte aufgehoben werden; gegen die Vorschrift bestehen im Hinblick auf das hohe Schutzgut der Körperintegrität des Kindes grundlegende verfassungsrechliche Bedenken.
abgelehnt 21:63:7 - b. Auch jenseits verfassungsrechtlicher Erwägungen sollte § 1631d BGB aufgehoben werden; der Vorschrift steht das Konzept der gewaltfreien Erziehung (§ 1631 Abs. 2 BGB) entgegen. (Antrag Rössner)
abgelehnt 19:61:9 - c. § 1631d BGB bedarf einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend, dass die Vorschrift nur einen auf ein ernsthaftes religiöses Selbstverständnis gestützten Eingriff rechtfertigt; hygienische oder ästhetische Präferenzen der Eltern oder kulturell tradierte Sitten reichen hierfür nicht aus.
angenommen 41:39:12 - d. § 1631d BGB begegnet keinen grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
angenommen 40:32:19″