GOTT UND GELD

Wolfgang Huber fordert eine „Säkularisierung des Geldes“. Eine Vergötzung des Geldes lehnt er ebenso ab wie seine Verteufelung. 

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Wolfgang Huber

Gott und Geld 

Höchste Zeit für ein verdrängtes Thema

„Dem Geld erweisen die Menschen Ehren, das Geld wird über Gott gestellt.“ So heißt es bei Ber­tolt Brecht. Das klingt wie ein Echo auf Martin Luther, der sagt, es gebe manchen, „der auch einen Gott hat, der heißet Mammon, das ist Geld und Gut, darauf er alle sein Herz set­zet, welcher auch der allergemeinest Abgott ist auf Erden.“ Der Dichter Bertolt Brecht wie der Reformator Martin Luther nehmen damit ein Wort Jesu auf, das kurz und bündig sagt: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

Ist das die zwangsläufige Folge, wenn man dem Geld Ehre erweist? Ist es unaus­weichlich, dass Geld über Gott steht und so als Abgott wirkt? Muss man wirklich zwischen Gott und Mammon wählen?

Beide sind nahe miteinander verwandt. Forschungen über den Ursprung der Geld­wirtschaft ma­chen plausibel, dass das Geld in der sakralen Sphäre, am Ort des Heiligen, entstanden ist. Die ma­gische Kraft des Geldes und seine religiöse Qualität haben sich bis zum heutigen Tag erhalten. „Geld ist das Geltende schlechthin“ (Georg Simmel), die reine Potentialität. Es ist bloßes Mittel, offen für alle Verwendungsweisen. Es ist „all-mächtig“. Mit ihm kann man ein „Vermögen“ ma­chen, also die Potentialität steigern. Geld ist „all-gegenwär­tig“; es hat in einem Siegeszug ohne­gleichen die ganze Welt erobert und verwandelt sie un­aufhörlich. „Globalisierung“ nennen wir diesen Siegeszug und versuchen, durch die Kon­struktion eines „Weltethos“ und andere Maßnah­men die Weltherrschaft allgegenwärtiger Fi­nanzströme in Grenzen zu halten, wohl wissend, wer eigentlich der Stärkere ist. Denn Geld ist ubiquitär, an allen Orten zugleich präsent. Über mein Vermögen, so ich es habe, kann ich verfügen, an welchem Ort ich mich auch gerade aufhalte. Das Geld wird zum Äquivalent aller Werte. Entgegengesetztes kann mit ihm ausgedrückt werden: Kunst oder Waffen, Lebens­mittel oder Gift. All diese Gegensätze fallen im Geld zusammen.

Als Vereinigung der Gegensätze hat die theologische Tradition Gott gedeutet; Niko­laus von Kues sprach programmatisch von dieser „coincidentia oppositorum“. Gott und Geld sind eben nahe mit­einander verwandt. Das zeigt sich auch an der Leichtigkeit, mit der wir Gottesprädikate auf das Geld anwenden: Allmacht und Allgegenwart sind Beispiele dafür.

Gerade weil Gott und Geld so nahe miteinander verwandt sind, kommt alles darauf an, ob wir Gott und Geld unterscheiden können. Die Verehrung des einen Gottes und die An­betung des Gel­des schließen einander aus. Vom Tanz um das Goldene Kalb spannt sich der Bogen dieser Unver­einbarkeit bis zu Jesu Beispielgeschichten vom reichen Kornbauern oder vom reichen Mann und dem armen Lazarus; vor allem reicht sie bis zu der Begegnung Jesu mit dem reichen Jüng­ling, der fragt, was er denn tun müsse, um das ewige Leben zu haben. “Geh hin, verkaufe, was du hast, und gib’s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach.“ Der Jüngling geht betrübt von dannen, denn sein Herz hängt an seinem Besitz. „Woran du aber dein Herz hängst, das ist dein Gott.“ So kommentiert Luther diese Erfahrung.

Die politische Kultur des Westens wurde durch Jesu Wort über die Steuermünze ge­prägt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ Eine Unterscheidung wird eingefor­dert, die sich ohne Umschweife auch auf andere Funktionen des Gelds übertra­gen lässt. Die Kon­sequenz heißt: „Gebt der Wirtschaft, was der Wirtschaft ist, und Gott, was Gottes ist.“ Oder in Ab­wandlung eines anderen biblischen Wortes: „Man muss Gott mehr ge­horchen als dem Geld.“

Die Gegenwehr gegen eine Vergötzung des Geldes besteht nicht darin, das Geld zu verteufeln. Es gibt keinen Grund zu seiner kultischen Verehrung; es gibt keinen Anlass, den Kapitalismus zur Religion zu machen – auch wenn das oft geschieht. Aber es gibt auch kei­nen Anlass dazu, eine „Religion des Antikapitalismus“ zu entwickeln – und auch das kommt vor. Der Abschied vom Heilsversprechen des Geldes erfordert keine antikapitalistische Ge­genreligion, sondern den nüch­ternen Umgang mit dem Geld als dem, was es ist: ein wirt­schaftliches Mittel. Gute Haushalter­schaft ist die richtige Haltung, im Kleinen wie im Großen. Die christliche Kritik am Umgang mit Geld braucht nicht nur gute Theologie, sondern auch gute Ökonomik.

Unter den Bedingungen des modernen Finanzmarktkapitalismus hat sich das Geld al­lerdings von seiner dienenden Funktion weit entfernt. Es ist zum Selbstzweck geworden. Es steht nicht mehr im Dienst der Wirtschaft, sondern hat die Herrschaft über sie angetreten. Die Gestaltung der Dol­larnote gewinnt in diesem Zusammenhang symbolische Bedeutung. Sie nimmt – durch die Auf­schrift In God we trust – nicht nur das Gottvertrauen als Unterpfand des Währungsvertrauens in Anspruch. Sondern das Dollarzeichen ($) elementarisiert zu­gleich die Buchstabenfolge IHS: In Hoc Signo. Sie geht auf den römischen Kaiser Konstantin zurück, der vor seinem Sieg über Ma­xentius an der Milvischen Brücke im Jahr 312 eine Kreuzesvision hatte, die mit der Zusage ver­bunden war: „In diesem Zeichen wirst du siegen“. Die darin begründete Verbindung von Religion und politischer Macht transformierte sich im Zeichen für den Dollar in die Verbindung von Religi­on und wirtschaftlicher Macht: „In diesem Zeichen“.

Die notwendige Korrektur mit dem Ziel, Geld wieder als Mittel zu verstehen, hat eine religions­kritische Komponente. Sie beruht auf der Einsicht, dass Geld nicht Gott ist. Der Sä­kularisierung des Staats muss eine Säkularisierung des Geldes folgen. Sie ist vorgezeichnet in der biblischen Unterscheidung zwischen Gott und Geld, die der Unterscheidung zwischen Gott und politischer Herrschaft genau nachgebildet ist. Ein lange verdrängtes Wort Jesu wird heute aufs Neue zum Thema religiöser Rede aus dem Geist des Christentums: „Niemand kann zwei Herren dienen: Ent­weder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

Wolfgang Huber (1942) hat in Heidelberg , Göttingen und Tübingen Theologie studiert. 1968 – 1980 war er Mit­arbeiter der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft in Heidel­berg. Nach seiner Habilitation 1972 war er 1980 -84 Professor für Sozialethik an der Universität Marburg und von 1984-94 Professor für Sys­tematische Theologie an der Universität Heidelberg. Huber war 1994- 2009 Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, 1983-85 Präsi­dent des Deutschen Evangelischen Kirchentags und 2003 – 2009 Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland. Er ist Mitglied des Deutschen Ethikrats.

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