WERBEVERBOT FÜR ABTREIBUNGEN

Elisabeth Winkelmeier-Becker analysiert die Debatte um eine wichtige Frage des Lebensschutzes und bewertet das Ergebnis.

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Elisabeth Winkelmeier-Becker

Werbeverbot für Abtreibungen – ein Rückblick

Am 21. Februar 2019 wurde im Deutschen Bundestag das Gesetzes zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch verabschiedet. Damit nahm – zumindest vorläufig – die Debatte um den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch und das dort verankerte Werbeverbot für Abtreibungen ein Ende.

Die gute Nachricht: Werbung für Abtreibungen bleibt verboten! Das war für uns als CDU/CSU-Bundes­tagsfraktion ganz entscheidend. Es ist kein Geheimnis, dass es aus meiner Sicht gar keinen Bedarf für eine Reform des § 219a StGB gegeben hätte. Erlaubt ist aber in Zukunft, dass Ärzte und Ärztinnen etwa auf ihrer Website auf die Tatsache hinweisen, dass sie Abbrüche durchführen; zugleich dürfen sie auf Listen von Ärzten und Praxen hinweisen, die Abbrüche durchführen; diese werden in Zukunft von den Ärztekammern auf freiwilligen Angaben der Ärzte beruhend erstellt. Außerdem darf ergänzend auf me­dizinische Informationen, die bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, bei den Ärztekam­mern, bei Beratungsstellen oder beim Hilfetelefon gegen häusliche Gewalt verfügbar sind.

Die Diskussion um das Werbeverbot war in weiten Teilen eine medial initiierte und befeuerte Diskussi­on, die an die Verurteilung einer Gießener Ärztin zur Zahlung von 6.000 Euro (40 Tagessätze) Strafe wegen Verstoßes gegen das Werbeverbot anschloss und nach meinem Eindruck letztlich darauf zielte, die Paragraphen 218 ff Strafgesetzbuch zu streichen. Aber auch auf der anderen Seite trugen Aktivisten zur Eskalation bei, die es sich zum Hobby gemacht haben, gezielt die Websites von Ärztinnen und Ärzte nach unzulässigen Angaben durchsuchen und Anzeigen erstatten. Eine sachliche Debatte war vor diesem Hintergrund nahezu unmöglich. Am Ende steht ein Kompromiss, für den sich beide Seiten von entge­gengesetzten Ausgangspunkten aufeinander zubewegen mussten.

Dabei beginnen die Gegensätze bei der entscheidenden Ausgangsfrage: Welche Grundrechte hat das un­geborene Kind? Wer hier wie die Gießener Ärztin bloß von „Schwangerschaftsgewebe“ spricht, negiert alle eigenen Rechte des Kindes. Auf dieser Linie argumentierten die Anträge der Oppositionsparteien der GRÜNEN, der LINKEN und der FDP sowie der – letztlich nicht eingebrachte – Antrag der SPD. Für uns als Union ist dagegen klar, dass dem Ungeborenen von Anfang an Lebensrecht und Würde zukom­men, sogar gegenüber seiner Mutter. So hat es auch das Bundesverfassungsgericht formuliert: das Unge­borene entwickelt sich ALS Mensch, nicht ZUM Menschen. Es ist Grundrechtsträger von Anfang an.

Daraus folgt ein Schutzauftrag des Staates, den er zu Recht nicht primär durch das Strafrecht und damit durch Repression gegen die Schwangere bewirkt, sondern durch eine qualifizierte Beratung; diese ist er­gebnisoffen und überlässt die Entscheidung damit allein der Schwangeren, aber sie informiert umfassend über alle Ansprüche und Hilfen, bietet Unterstützung an und soll zur Entscheidung für das Kind ermuti­gen. Denn es ist klar: der Schutz des Kindes gelingt nicht gegen die Mutter, die sich in einer Notlage be­findet und auf deren Seite ebenfalls Grundrechte betroffen sind, sondern nur mit ihr. Aus diesem bera­tenden und unterstützenden Ansatz ergibt sich auch der Sinn des Werbeverbots:

Hier geht vor allem entgegen den Behauptungen der Kampagne nicht darum, Frauen in der Situation ei­ner ungewollten Schwangerschaft irgendwelche Informationen vorzuenthalten! Aus zwei Gründen ist dieser Vorwurf absurd: zum einen sind detaillierte Informationen über medizinische Methoden und auch über Kliniken, die Abbrüche vornehmen, im Netz ohnehin ohne jedes strafrechtliche Risiko vorhanden. Zum anderen gehört die ausführliche, individuelle Information vor dem Eingriff ohnehin zur selbstver­ständlichen ärztlichen Pflicht.

Es dürfte ohnehin klar sein, dass die Frage der ärztlichen Methode und Praxis nicht im Mittelpunkt steht, solange es noch um das OB der Abtreibung geht. Nicht zuletzt ist hier dem gerne erhobenen Vorwurf ei­nes veralteten Frauenbildes entgegenzutreten: das Beratungskonzept räumt der Frau die alleinige Ent­scheidungsbefugnis und Verantwortung in Bezug auf eine Abtreibung ein. Wer in dieser Situation darauf setzt, zum Kind zu ermutigen und zusammen nach Lösungen zu suchen hat sicher nicht das schlechtere Frauenbild als diejenigen, die mit dem vorschnellen Angebot eines Abbruchs eine Entscheidung nahele­gen, mit der dann die Frau in Zukunft leben muss.

Ebensowenig geht es um die Befürchtung, dass Frauen sich durch Angaben auf der Website einer Frau­enärztin plötzlich zu Abtreibung entscheiden könnten. Sondern: Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist verboten, weil eine Kommerzialisierung schon im Ansatz unterbunden werden soll. Das Werbeverbot soll verhindern, dass Ärztinnen und Ärzte ihre eigene ärztliche Dienstleistung im Bereich der Schwan­gerschaftsabbrüche bewerben. Es geht um ein Verbot für Patientenakquise und – wenn man es so nennen will – um die Vergrößerung des eigenen Marktanteils.

Zugleich geht es darum, eine Banalisierung der Abtreibung zu verhindern. Sie soll nicht als etwas Nor­males darstellt werden, so selbstverständlich, wie eine ärztliche Heilbehandlung. Dabei muss man sich vor Augen halten, dass bei Wegfall des Werbeverbotes nicht nur der bloße Hinweis auf der Website des Arztes möglich wäre, wie er immer wieder als harmloses Beispiel genannt wurde. Es wäre Werbung möglich wie sie etwa auch für verschreibungsfreie Medikamente, für neue Operationsmethoden oder Kliniken bei verschiedenen Krankheitsbildern von Sehschwäche bis Krampfadern möglich ist. Insbeson­dere wären als naheliegende Beispiele auch Werbung in den Sozialen Medien, beispielsweise auf Face­book oder YouTube möglich, ebenso wie Anzeigen in beliebten Frauenzeitschriften oder Flyer.

Es liegt auf der Hand, dass junge Frauen, aber auch die potenziellen Väter oder andere Ratgeber in ihrem Umfeld durch solche Werbung langfristig beeinflusst würden und noch mehr als heute schon fest­stellbar das Bewusstsein dafür verloren gehen würde, dass es bei Abtreibung eben nicht um einen heilen­den eingriff, sondern um die Beendigung menschlichen Lebens geht. Und das würde sich auf konkrete Entscheidungen für oder gegen das Kind im Falle ungewollter Schwangerschaften ohne Zweifel auswir­ken.

In diesem Sinn ist das Werbeverbot wichtiger Teil des staatlichen Schutzkonzepts für das Kind; es si­chert ab, dass die ermutigende Beratung ihren Zweck erfüllen kann und nicht durch gegenläufige Wer­bung geschwächt wird. Die neue Regelung sichert nun jedes Informationsinteresse der Frau ab: Objekti­ve Informationen über den gesamten medizinischen Hintergrund einschließlich der Entwicklung des Kindes in den ersten Wochen der Schwangerschaft sowie Informationen über Praxen und Krankenhäu­ser, in denen eine Abtreibung gegebenenfalls durchgeführt werden kann, stehen ihr in Zukunft im Inter­net noch leichter zugänglich zur Verfügung.

Aus der Perspektive der Ärzte und Ärztinnen ist relevant, dass sie sich in Zukunft nicht mehr strafbar machen, wenn sie nur die Tatsache des eigenen Angebots zum Schwangerschaftsabbruch mitteilen. Wei­terhin verboten bleiben dagegen Angaben zur in der Praxis angewandten Methode sowie eigene medizi­nische Informationen – insoweit darf lediglich auf die genannten objektiven Informationen der Gesund­heitszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie die Liste der Praxen und Krankenhäuser der Bundesärztekammer hingewiesen werden. Hier wurde kritisiert, dass damit ein Eingriff in die Berufsaus­übung und Artikel 12 Grundgesetz verbunden sei. Insoweit bin ich allerdings sehr zuversichtlich, dass in der Abwägung existenzieller Grundrechte des Ungeborenen und der Schwangeren, aus der sich die Pflicht des Staates zum effektiven Schutz des Ungeborenen zumindest durch eine wirksame Beratung ableitet, der Rechte des Arztes auf ungehinderte Ausübung seines Berufes einschließlich freier Werbung zurücktreten muss.

Dementsprechend haben auch die Urteile gegen die Gießener Ärztin in erster und zweiter Instanz schon keinen Grund gesehen, wegen einer möglichen Verletzung von Artikel 12 des Grundgesetzes die Verfas­sungsmäßigkeit der bisher geltenden Regelung in Frage zu stellen. Die jetzt beschlossene neue Regelung verbessert die Stellung der Ärzte und gibt ihnen noch mehr Rechtssicherheit, welche Werbung erlaubt ist, und was nicht. Jeder Arzt, jede Ärztin kann sich ohne weiteres daran halten. Die immer eingeforderte Rechtssicherheit für Ärzte und Ärztinnen ist nicht erst dann gegeben ist, wenn die gesetzliche Regelung sicher jede gewünschte Werbung straffrei stellt.

Mit der gefundenen Lösung haben wir den schwierigen gesellschaftlichen Kompromiss der Paragraphen 218 ff Strafgesetzbuch fortgeschrieben und den Bedarf an verlässlicher Information im Internet abgesi­chert. Für uns steht aber weiterhin die gesetzliche Beratung durch unabhängige Beratungsstellen am An­fang und im Mittelpunkt des Schutzkonzepts für das Ungeborene Kind und der konkreten und prakti­schen Hilfe für die Frau.

Elisabeth Winkelmeier-Becker (1962) ist rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die ehemalige Richterin wurde 2005 das erste mal in den Bundestags gewählt und vertritt seit dem den Rhein-Sieg Kreis I.

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