Fritz Kronenberg plädiert für einen stärkeren Diskurs über Synodalität, um die Partizipation katholischer Laienchristen an der kirchlichen Gesamtverantwortung zu verbessern.
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Fritz Kronenberg
Synodale Kirche in Deutschland?
„Je globaler die Kirche aufgestellt ist, desto synodaler wird sie werden (müssen).“ So fasst der vom Papst berufene Experte der Familiensynode 2015 Michael Sievernich SJ seine Synodenerfahrungen zusammen, über die er im Februar-Heft der „Stimmen der Zeit“ berichtet. Damit vertritt er gleichzeitig die Meinung vieler, die seit Jahren auf der Grundlage des letzten Konzils und der Erfahrungen mit der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland sowie mit der Pastoralsynode der katholischen Kirche in der DDR feststellen, dass nur in synodaler Verfasstheit die Kirche in Zukunft ihrem Sendungsauftrag in der Welt von heute nachkommen kann. Allmählich setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Diskurs über Synodalität die Institution Kirche in den kommenden Jahren begleiten muss; anderenfalls wird die Institution Kirche auf weitere Diskursbegleitung verzichten müssen.
Auf der Ebene der Gemeinden gibt es auf der Grundlage des letzten Konzils seit einem halben Jahrhundert Pfarrgemeinderäte, welche die Aktivitäten der Laienchristen in Gesellschaft und Kirche bündeln sowie den Pfarrer in pastoralen Fragen beraten. Die Pfarrgemeinderäte sind ein wichtiges Lernfeld für synodale Praxis. Es fehlt allerdings noch die Integration der finanziellen Verantwortung der Kirchenvorstände in die Pfarrgemeinderäte. Es ist menschlich, dass sich offene Fragen nicht selten am Geld entscheiden. Schließlich ist es auf Dauer auch ein Mangel an kirchlichem Selbstbewusstsein, wenn die kirchliche Partizipation von Laien an der finanziellen Verantwortung nur staatskirchenrechtlich gewährleistet ist.
Auch auf der übergemeindlichen Ebene gibt es bereits eine synodale Praxis bis zur Bistumsebene. Es gibt Katholikenräte, Priesterräte, Pastoralräte, Geistliche Räte, Kirchensteuerräte, Kapitel, um nur die bekanntesten zu nennen. Überall gibt es Formen synodaler Zusammenarbeit in der Kirche. Das heißt allerdings nicht, dass es keinen Reformbedarf gibt. So unverzichtbar es beispielsweise ist, dass sich katholische Laienchristen in Katholikenräten zusammenschließen – schließlich ist das kirchliche Koalitionsrecht auch durch Can. 215 CIC gewährleistet – eine ausreichende Partizipation an der kirchlichen Gesamtverantwortung muss vielfach erst noch hergestellt werden. Ähnliches lässt sich von den anderen Räten sagen. Jedenfalls ist ein Diskurs über Synodalität dringend geboten.
Auch auf der Bundesebene gibt es Formen synodalen Zusammenwirkens. Auch wenn es hier keine synodalen Strukturen gibt, so hat sich seit dem II. Vatikanischen Konzil doch eine gewisse synodale Praxis – gleichsam im Rahmen eines konziliaren Lernprozesses – herausgebildet. Die Bischöfe hatten durch das Konzil besser zu kommunizieren gelernt. Laienchristen, Priester und Ordensleute meldeten sich stärker zu Wort und verlangten Beteiligung an der innerkirchlichen Willensbildung. Die durchgängige Einführung von Räten des Laienapostolats bewirkte eine verstärkte synodale Praxis auf allen Ebenen. Es wurde ein regelmäßig tagendes „Planungsgespräch“ zwischen Bischofskonferenz und Zentralkomitee eingerichtet, Vorläufer der heutigen „Gemeinsamen Konferenz“. Schließlich wurden die beiden Synoden in Würzburg und in Dresden vorbereitet und durchgeführt, die neben ihrem inhaltlichen Ertrag für das Wachsen innerer synodaler Verfasstheit der Kirche in Deutschland von großer Bedeutung waren. Allerdings gelang es nicht, aus der durchaus anzutreffenden synodalen inneren Verfasstheit der Kirche synodale kirchliche Verfassungsstrukturen zu entwickeln. Dieses Defizit besteht bis heute, ja es wurde unter römischem Einfluss im Laufe der Jahre verstärkt. Erst seit Papst Franziskus weht ein anderer Wind.
Papst Franziskus hat am 17. Oktober 2015 in seiner Ansprache in der 50-Jahr-Feier der Errichtung der Bischofssynode in Rom „Die Synodalität als konstitutive Dimension der Kirche“ erklärt und den heiligen Johannes Chrysostomos zitierend gesagt, dass „Kirche und Synode Synonyme sind“. Er erläutert: „Was der Herr von uns verlangt, ist in gewisser Weise schon im Wort `Synode` enthalten. Gemeinsam vorangehen – Laien, Hirten und der Bischof von Rom.“ Und Kardinal Schönborn erklärt in der gleichen Veranstaltung: „Synodos heißt `gemeinsamer Weg`. Synodalität heißt `gemeinsam auf dem Weg sein`… Die Debatten über die Methode der Synode sind keine nebensächlichen Fragen der Organisation. Sie bestimmen sehr prägend mit, ob der Syn-odos zum Ziel führt.“ Diese Aussagen, im Rahmen der Bischofssynode gesprochen, gelten für alle kirchlichen Ebenen.
Wenn der Papst in dieser Weise den Weg der Kirche in die Zukunft vorgibt ist es nicht verwunderlich, dass hierzulande eine erneute Gemeinsame Synode nach Würzburger Vorbild gefordert wird. Es ist allerdings zu einfach, sie um jeden Preis zu fordern oder sie als nicht opportun zu bezeichnen. Zwar gehören heute das kirchliche Zusammenwirken und das gemeinsame kirchliche Gehen auf den Wegen der Menschheit zum Selbstverständnis der Kirche. Synoden gehören heute zur Verfassungswirklichkeit eines kirchlichen Lebens, das sich am Konzil orientiert und das den kirchlichen Sendungsauftrag ernst nimmt. Wenn aber heute festgestellt werden sollte, dass wir „synodenunfähig“ sind, dann verpflichtet uns das zu der Gewissenserforschung, welche Hindernisse es auf dem Weg zu mehr Synodalität in unserer Kirche gibt. Welche Defizite sind wo dingfest zu machen? Wer sollte wann, wo, wie und mit wem gegen diese Defizite angehen. Wenn dieses „Angehen“ von uns allen gemeinsam unternommen wird, dann ist das bereits der Beginn eines gemeinsamen Weges zu mehr Synodalität. Die Würzburger Synode endete im November 1975 mit dem Leitwort: „Die Synode endet, die Synode beginnt.“ Karl Rahner bezeichnete wenige Tage nach Ende des Konzils das Konzil als „Anfang eines Anfangs“. So lässt sich Kontinuität und Tradition verwirklichen.
Dr. Dr. h.c. Friedrich Kronenberg (1933) hat Wirtschafts- und Sozialwissenschaften studiert. 1960-64 war er hauptamtlicher Leiter der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg, 1966 – 1999 Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) sowie stv. Sekretär der Würzburger Synode und 1983-1990 Mitglied des Deutschen Bundestages. 1982 – 2003 war er Vorsitzender der Kommission für Zeitgeschichte und 2001 – 2009 Vorsitzender des Maximilian-Kolbe-Werkes. Er ist Mitherausgeber von kreuz-und-quer.de