Norbert Rönn
Die Schockwellen der politischen Beben vom 6. November beschäftigen die Menschen beiderseits des Atlantik. Den deutlichen Erfolg des Populisten Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen hatten viele noch nicht verdaut, da zerbricht wenige Stunden später in Berlin die Ampelregierung – und Deutschland, europäisches Kernland, steht ohne handlungsfähige Regierung da. „Eine zweifach erschütterte Welt“, titelte die „Süddeutsche Zeitung“. Die „Nachbeben“ dieses denkwürdigen Tages werden uns noch lange begleiten, vor allem der erneute Einzug Trumps ins Weiße Haus wird die Welt herausfordern.
Wahlforscher haben die unterschiedlichen Aspekte des Wahlergebnisses in den USA untersucht. Irritierend ist dies: Es sind die weißen Christen, die zu Trumps Sieg maßgeblich beigetragen haben – bei den Protestanten (mit den großen evangelikalen Gruppierungen) haben sie zu mehr als 70 Prozent Trump gewählt, unter den Katholiken zu rund 60 Prozent. Festzuhalten bleibt auch: Unter den Frauen dieser Wählergruppen konnte Trump deutlich weniger Stimmen gewinnen als unter den Männern. Insgesamt waren die „katholischen Stimmen“ für Trumps Sieg besonders wichtig, da sie in vielen Bundesstaaten den Ausschlag gaben. Säkulare Wähler, aber auch der jüdische und muslimische Bevölkerungsanteil, haben mehrheitlich Kamala Harris ihre Stimme gegeben.
Trump hatte im Wahlkampf aktiv die Unterstützung von religiösen Führern und Organisationen gesucht. Er stellte sich als Kämpfer für Religionsfreiheit dar und versprach, das „Glaubensbüro“ im Weißen Haus wieder einzurichten. Diese Ansätze und seine Ablehnung von Abtreibungen haben ihm geholfen, eine enge Bindung zu konservativen Christen aufzubauen, die sich von liberalen Positionen bei den Demokraten bedroht fühlen.
Die Unterstützung Trumps durch evangelikale Christen hat teilweise fast schon etwas Sektenhaftes. Aber wie kommt es, dass in ihrer Mehrheit auch Katholiken einen Hassprediger und skrupellosen Populisten gewählt haben? Mit dieser Frage werden sich auch die amerikanischen Bischöfe beschäftigen müssen, die sich in eine „Abtreibungsfalle“ haben locken lassen. Mit einem „Tunnelblick“ auf die Unterstützung in dieser Frage haben sie Trumps Lügen und menschenverachtenden Äußerungen zum Beispiel über Migranten weitgehend ausgeblendet. Aber was passiert, wenn Trump demnächst ernst macht mit den angekündigten Massenabschiebungen? Gut möglich, dass diejenigen Katholiken, die in Trump den Verteidiger von christlichen Werten sehen, ihr blaues Wunder erleben.
Norbert Rönn, geboren 1955 in Grafschaft-Esch bei Bonn, war bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2021 zwanzig Jahre Chefredakteur der Speyerer Bistumszeitung „der pilger“ und eines gleichnamigen überregionalen Magazins. Mit einem besonderen Interesse begleitet er journalistisch Entwicklungen in Ländern des globalen Südens sowie Themen zu den Bereichen Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.
Ich halte es für falsch, in der Auseinandersetzung mit Trump ihn immer nur zu beschimpfen als skrupellos, als Hassprediger, als Faschisten, als Demokratiegefährder, selbst wenn er das zum Teil ist. Viel wichtiger wäre, sauber und tiefgehend zu analysieren, warum die Wähler Trumps ihn wählen, welches ihre wirklichen Motive sind. Das falscheste wäre, auch die Wähler als Extremisten, Halbfaschisten anzusehen, als verstörte Irre, die man einfach nicht verstehen kann. Das sind sie nämlich nicht. Wer es so sieht, verbaut sich jedes Verstehen. Halb Amerika besteht nicht aus bedauerswerten Halbidioten.
Vielleicht hat einfach der normale Amerikaner, der den Dollar zweimal umdrehen muss und insgesamt ganz durchschnittlich tickt, über die abgehobenen Intelektuellen und über das woke Hollywood gesiegt.
Übrigens trifft viel des oben gesagten auch auf unsere Auseinanersetzung mit der AfD und ihren Wählern zu.
Norbert Chauvistré