OSTERN IN KRISENZEITEN

Johannes Zabel erinnert in seinem Osterwort 2021 daran, dass das „Geheimnis des Glaubens“ Tod und Auferstehung eine Beziehung setzt die österliche Perspektive das Verständnis des Karfreitags zuvor erleichtert: Aus dem Kreuz als Todessymbol wird ein Zeichen des Lebens.

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Johannes Zabel OP

Ostern in Krisenzeiten – ein Hinweis auf das „Geheimnis des Glaubens“

Am Ende der Fastenzeit steht ein Krisentag: der Karfreitag. Der Karfreitag war für seine Jünger der Krisentag schlechthin. Jesus war tot und mit ihm war alles tot – so schien es. Aber diese Krise war nicht endgültig, sondern ein Weckruf des Glaubens. Denn nach drei Tagen erfolgte die Auferstehung. Die Auferstehung beendete die Krise, setzte aber die Krise zuvor dennoch voraus. Ohne „Krise“ ging es nicht, so scheint es. Ohne Karfreitag keinen Ostersonntag. Und es darf ergänzt werden: ohne den „Verräter“ Judas Iskariot gäbe es keinen Karfreitag – und keinen Ostertag.

Der Karfreitag als Krisentag des Glaubens war zugleich ein Tag des Weckrufs des Glaubens. Die Auferstehung, die Erlösung am Ostertag, gibt es nicht ohne die Krise am Freitag zuvor. Das ist natürlich schablonenartig, aber es zeigt, dass in der Krise und durch die Krise etwas Großes und Neues hervorgebracht werden kann. Die „Krise“ bedarf einer Notwendigkeit der Unterscheidung. Sie kann nicht so einfach auf einen Nenner gebracht werden.

Vom griechischen Ursprung bedeutet κρίσις (krísis) ursprünglich Entscheidung bzw. entscheidende Wendung, im Ergebnis auch „Zuspitzung“. Damit verbunden ist auch das altgriechische Verb krínein, das „trennen“ und „(unter-)scheiden“ bedeutet. Das Wort „Kritik“ geht auch auf diese Bedeutung zurück. Und die Theologie als Wissenschaft wendet diese „Kritik“ auf ihr Fach an: in der Textkritik der Bibel und in der Auseinandersetzung mit der Religionskritik.

Der Karfreitag diente vielleicht auch einer besonderen „Beweisführung“ Gottes, die wie folgt aussehen könnte: das Volk Israel wartete auf einen König, einen Erlöser, der das Volk auch politisch von der römischen Herrschaft befreien und damit in den Alltag direkt eingreifen sollte. Jesus ist ein „König“, aber ein König nicht von dieser Welt. Kein politischer König. Wie kann er den Menschen seiner Zeit dieses zeigen? Indem er wie ein Verbrecher am Kreuze stirbt, zeigt er, dass er kein politischer König ist. Indem er aus dem Grabe aufersteht zeigt er, dass er ein König jenseits unserer politischen Welt ist. Eine Beweisführung der drastischen Art. Dies mag auch als ein „Geheimnis des Glaubens“ betrachtet werden. Das „Geheimnis des Glaubens“ wird an zentraler Stelle in der katholischen Messe gebetet mit den Worten: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“

Die Krise ist oft abhängig von der Perspektive: die österliche Perspektive der Auferstehung ist eine Nach-Krisen-Perspektive, die den Karfreitag „verstanden“ und in einen Zusammenhang eingeordnet hat. Die österliche bzw. nachösterliche Perspektive bewertet den Karfreitag anders als an diesem krisenhaften Tag selbst. Eine Krise ist oft mit einer Furcht verbunden. Die Aufforderung „Fürchte dich nicht“ ist in der Bibel weit verbreitet. Auch zu Weihnachten und Ostern hören wir „Fürchte dich nicht“ bzw. „Fürchtet euch nicht.“ Es sind freudige Feste und dennoch gibt es diesen Aufruf „Fürchte dich nicht“ in der Bibel. Freude und Furcht kommen hier zusammen. Ein merkwürdiges Zusammentreffen. Das Grab ist leer und der Engel sagt „Fürchtet euch nicht“ (Mt 28, 5). Im Angesicht der frohen Botschaft hören wir von der Furcht.

Das klingt wie beim „Geheimnis des Glaubens“. Der Weckruf „Fürchte dich nicht“ im Angesicht einer frohen Botschaft hat aber einen erklärbaren Hintergrund und ist auf den zweiten Blick kein Geheimnis. Denn Weihnachten und Ostern sind „unwahrscheinliche“ Ereignisse, die dennoch eingetreten sind: wie die Verkündigung der Schwangerschaft an Maria durch den Engel und der Mitteilung des leeren Grabes im Sinne der Auferstehung Jesu Christi. Dieses „Fürchte dich nicht“ hat sich aufgelöst, nachdem der Zusammenhang bekannt und erklärbar wurde.

Die Furcht wird durch Transparenz und durch das Eintreten des angekündigten (und frohen) Ereignisses wieder aufgehoben. Wenn in unserer Gesellschaft eine Furcht existiert, dann auch deshalb, weil etwas Unbekanntes auf uns zukommt, dass wir noch nicht einschätzen können. Diese Furcht ist aber grundsätzlich überwindbar.

Das „Geheimnis des Glaubens“ aber bleibt ein Geheimnis. In der Tiefe des Glaubens können wir dieses Geheimnis erahnen. Das IV. Laterankonzil von 1215 hat versucht, eine Aussage über Gott zu erfassen und kam zu dem folgenden Ergebnis: „Von Schöpfer und Geschöpf kann keine Ähnlichkeit ausgesagt werden, ohne daß sie eine größere Unähnlichkeit zwischen beiden einschlösse.“ Alles, was wir über Gott sagen, enthält mehr Unähnlichkeiten als Ähnlichkeiten. Das ist die intellektuelle Eingrenzung dieses „Geheimnisses“.

Schwester Scholastika Jurt OP, die Generaloberin der Dominikanerinnen von Koblenz-Arenberg, hat das „Geheimnis des Glaubens“ kürzlich in einem Interview mit der Zeitschrift „theo-Magazin“ spiritueller umschrieben: „Ich kann das nur glauben, das sprengt unseren Verstand. Das ist verrückt, verrückter Glaube! Und dann ist es Gnade, finde ich. Der Glaube wird nackt und total realistisch, wenn es in keiner Weise mehr Beweise gibt. Aber wir wollen diesen nackten Glauben nicht, wo ich nur noch glauben kann. Das überfordert uns.“

Der Glaube wird am intensivsten, wenn es keine Beweise mehr gibt. Das überfordert uns insbesondere dann, wenn wir mit unserer Vernunft das Geheimnis Gottes ergründen wollen. Dann kommt die Krise, weil wir mehr wollen als wir können. Eine auch selbstverursachte Krise. Nur wenn das intellektuelle Eingeständnis der eigenen Begrenztheit kommt, wie beim IV. Laterankonzil von 1215, wird diese Krise vermieden.

Die österliche Perspektive erleichtert unser Verständnis des Karfreitags zuvor. Das „Fürchte dich nicht“ wird in Freude gewandelt. Aus dem Kreuz als Todessymbol wird ein Zeichen des Lebens. Das Osterfest gibt uns eine Zuversicht, die drei Tage zuvor noch nicht zu erwarten war. Und das „Geheimnis des Glaubens“ setzt Tod und Auferstehung in Beziehung.

Johannes Zabel OP (1958) ist Prior des Dominikanerkloster Worms. Er ist Dipl.-Volkswirt und war Mitarbeiter im Deutschen Bundestag, der CDU-Bundesgeschäftsstelle und in der Berliner Landesvertretung in Bonn. 1997 trat er in den Dominikanerorden ein, studierte Theologie in Bonn und Berkeley und wurde 2007 zum Priester geweiht.

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