WECKRUF EUROPAWAHL: „VERSCHENKT“ – „VERSENKT“

Michael Lingenthal fordert von der CDU gerade im Blick auf die Umweltpolitik eine Rückbesinnung auf ihre Wurzeln.

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.

Michael Lingenthal

Weckruf Europawahl: „verschenkt – versenkt“

Warum die CDU sich auf ihre Wurzeln besinnen muss

Nach der Europawahl wird in vielen klugen Analysen die Veränderung der Parteienlandschaft diskutiert, von der auch die Volkspartei CDU betroffen ist. Dabei sollte stärker die Stimme derer gehört werden, die sich ehrenamtlich – in meinem Fall als Vorsitzender eine Stadtverbandes mit 300 Mitgliedern – en­gagieren. Sie – und nicht pressewirksame Zirkel wie die sog. „Werte-Union“- sind das Rückgrat einer Volkspartei. Ohne diejenigen, die in über 10.000 Ortsverbänden mit ihrem Einsatz und in ihrer Freizeit für die CDU einstehen, wird die CDU ihren Konnex zur Bevölkerung verlieren. Wir brauchen auch Be­rufspolitiker, aber sie sind die Wimpel am Segelmast und nicht Planken, die das Schiff zusammenhalten.

Das Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament war für die CDU als Volkspartei eine schlimme Niederlage. Alle Ausflüchte „stärkste Partei“, „Manfred Weber damit weiter unser Spitzen­kandidat“ hel­fen nicht. Die CDU gerät auf eine „schiefe Bahn“ – abwärts. Bremen und die OB-Wahl in Saarbrücken sind positive Ausreißer, geben Hinweise, mehr (noch) nicht. Unsere Botschaft im Wahl­kampf waren die Themen „Sicherheit“ und „Wohlstand“. Aber ist der „Wohl­stand“ so gefährdet, dass es die Menschen ernsthaft sorgt? Die Löhne steigen z.T. überdurchschnittlich, die Renten werden angeho­ben. Wie steht es um die „Sicherheit“? Sind wir täglich von Islamisten be­droht, wie es die AfD behaup­tet?

Unsere Wahlkampfthemen gingen weitgehend an der Wählerschaft vorbei. Es waren bunte Plakatflecken mit einer Botschaft, die keine Aufmerksamkeit erzielte. Und die Wählerschar fragte – wenn sie über­haupt noch fragt- „was haben diese Themen mit der Europawahl zu tun?“. „Klar, jede Menge“ sagen wir und erklären das dann in längeren Gesprächen. Das Problem: Je langatmiger unsere Überzeugungsversu­che werden, desto unklarer wird unsere Botschaft.

Welche Botschaft haben wir für die größte Wählergruppe, die „Nichtwähler“, die fast doppelt so stark ist wie die Gruppe der Unionswähler? Wir müssen bei den „Nichtwählern“ punkten. Deren Wahlabstinenz hat ihre Ursache nicht im „schönen Wetter am Wahltag“, sondern ist die Abkehr von der bestehenden Politik. Sie wird als zu kleinteilig, leidenschaftslos und ziellos empfunden. Besonders deutlich wird das an den beherrschenden Themen „Klima“ und „Umwelt“. Für die CDU war das besonders schmerzlich, denn gerade hier gilt: „verschenkt – versenkt!“

„verschenkt“: Was braucht eine Partei mit dem „C“ in Programm und Namen eigentlich mehr, als den Vorrang der Umweltpolitik? Wir zitieren gerne die Verantwortung für „die Schöpfung Gottes“. Ja dann entsprechen wir dem doch mit unseren Taten! Diejenigen, die das „konservative Element“ besonders be­tonen und es zugleich – leider auch die Junge Union – auf „Sicherheit und Ordnung“ reduzieren, lenken doch davon ab, was die Kernbotschaften des Konservativen sind. Dazu gehört besonders die „Bewahr­ung der Schöpfung“. Würde die CDU diesen Markenkern wiederentdecken, wäre sie auch ganz nahe bei der jungen Generation, die sich lautstark und einfallsreich für „Umwelt“ und „Klimaschutz“ einsetzt.

„verschenkt“ – weil es doch „urkonservativ“ ist, diese eine Erde, die uns anvertraut ist, so zu gestalten, dass künftige Generationen auf ihr leben können – und nicht ein „Leben fristen“ müssen. Die Welt ist uns von Gott gegeben, damit wir für sie Verantwortung tragen und Gottes Schöpfung so gestalten (nicht verwalten), dass die Welt erlebbar ist, bis Gott den Schlusspunkt setzt.

Quintessenz: Wir haben die Themen „Umwelt“ und „Klima“ verschenkt. Und wenn auch die Gefahr groß ist, dass man uns jetzt als „Nachahmer“ bezichtigt, wir werden zu „Umwelt“ und „Klima“ unser Profil schärfen müssen.

„versenkt“: Der CDU-Bundestagsabgeordnete Herbert Gruhl veröffentlichte 1975 sein Buch „Ein Planet wird geplündert“. Abgetan von der Union als „grüner Spinner“ wurde er Mit-Begründer von BUND und Grünen. Was er schrieb, ist heute Allgemeingut. Dass die Union seinerzeit die Zeichen der Zeit nicht er­kannte hat Helmut Kohl zu Recht als einen seiner größten Fehler als Parteivorsitzender bezeichnet.

Und heute? Klaus Töpfer der Name der CDU in Umwelt- und Klimafragen. Wenigstens war es so. Als er jedoch mit seinen Forderungen nach drastischen Maßnahmen zusehends unbequem wurde – versenkt? Jetzt hat Ministerpräsident Laschet ihn mit dem Verdienstorden NRW ausgezeichnet. Noch besser wäre es, wenn die Union seine Politikansätze aufnimmt.

Wie Bürgerwille aufgenommen werden kann, hat Markus Söder in Bayern nach dem „Bienenvotum“ vorgemacht und damit ein großes Konfliktpotential aus der politischen Diskussion genommen. Wen wundert es, dass die CSU deutlich besser bei Europawahl abgeschnitten, als die CDU.

Symptomatisch für die Probleme der CDU ist auch die Behauptung, unsere Politik sei „alternativlos“. Dabei ist es ziemlicher Quatsch, dass Politik „alternativlos“ sei. Es gibt als Alternative zum Frieden den Krieg. Wer den nicht führen will, muss eben argumentieren und nicht „alternativlos tabuisieren“. Es gibt als die Alternative zur Einheit der EU deren Auflösung. Wer das nicht will, muss argumentieren. Das „Alternativlos“-Konzept schränkt die Bereitschaft ein, sich mit der politi­schen Materie auseinander­zusetzen. Es schränkt Meinungsbildung und Kampagnenfähigkeit ein. Es führt zur Erlahmung.

Es ist schwer, wieder zur innerparteilichen Lebendigkeit, zur Auseinandersetzung um das beste Konzept, zurück zu kommen. Möglich ist es, obgleich jetzt das Lebensgefühl „grün“ ist. Dies führt „Bündnis 90/Die Grünen“ neue Wähler zu. Zu lange haben wir uns auf den Wählerschichten des „Kohl-Booms“ ausgeruht, als CDU und CSU bei den unter 35jährigen deutlich bessere Ergebnisse erzielten.

Vor allem die Generation „35+“ ist jetzt herausgefordert. Sie hat noch Kontakt zur jüngeren wie zur älte­ren Generation, sie war einmal in der Union stark. Ob ich als Mitglied der „Senioren Union“ sehr viele Jugendliche für die CDU begeistern kann, ist fraglich. Also muss die Generation „35+“ schon einen be­sonderen Einsatz in der Union leisten. Die Alternative ist „schiefe Ebene“ des sich ständig steigernden Wählerverlustes wie bei der SPD. Sie hat bei der Europawahl gerade noch 15 Prozent erreicht. So weit ist die CDU mit ihren nur 22 Prozent (ohne Bayern) davon nicht entfernt.

Wir von der CDU sollten den Wählern für den Weckruf bei Europawahl danken. Er war dringend not­wendig. Notwendig, damit wir uns auf unsere Wurzeln besinnen, die den „rheinischen Liberalismus“ einschließen und vor allem auf der „Politik aus christlicher Verantwortung“ gründet. Und damit wären wir einmal mehr beim „C“, der Umwelt und dem Klima ….

Michael Lingenthal (1948) ist Ratsmitglied und CDU-Vorsitzender in Bad Honnef. Er hat das deutsch polnische Jugnedwerk mit aufgebaut, die Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Paraguay, Venezuela und Peru geleitet und war in leitender Funktion für die politische Bildungsarbeit der Stiftung verantwortlich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert