Ulrich Ruh stellt die Initiative des Papstes zur Weiterentwicklung der Bischofssynode vor und plädiert für verbindliche Mechanismen der Beteiligung und Mitsprache der Gläubigen.
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Ulrich Ruh
Wie Kirchenreform geht
Auch für Papst Franziskus haben längst die sprichwörtlichen „Mühen der Ebene“ begonnen, was sich gerade am Umgang mit dem Problem des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker derzeit überdeutlich zeigt. Dabei sollte man allerdings nicht übersehen, dass der seit März 2013 amtierende Papst aus Argentinien mit Beharrlichkeit einige durchaus zukunftsweisende, wenn auch unspektakuläre kirchliche Reformprojekte verfolgt. Dazu gehört nicht zuletzt die Institution Bischofssynode: Kurz vor Beginn der im Gang befindlichen Generalversammlung der Synode zum Thema Jugend hat Franziskus jetzt sozusagen Nägel mit Köpfen gemacht und eine Apostolische Konstitution zur Weiterentwicklung der Bischofssynode vorgelegt.
Das Dokument mit dem Titel „Episcopalis Communio“ („Gemeinschaft der Bischöfe“) ist ein weiterer, gewichtiger Schritt auf einem Weg, den Franziskus seit Beginn seines Pontifikats verfolgt. Ihm ging die „Doppelsynode“ von 2014/2015 voraus, die erste Vollversammlung der Bischofssynode unter dem jetzigen Papst, die sich mit Ehe und Familie befasste und in Vorbereitung und Verlauf etliche neue Akzente setzte: Eine breit angelegte Konsultation in der Weltkirche zum Synodenthema im Vorgang zur ersten Etappe der Vollversammlung, eine offene Diskussionskultur auf der Synode selber, Veröffentlichung der Abstimmungsergebnisse zu den einzelnen Abschnitten des von den Bischöfen erarbeiteten Abschlussdokuments.
Diese und andere Neuerungen werden jetzt in der Apostolischen Konstitution rechtlich festgeschrieben. So hält sie in Artikel 3 fest, jene nach Thema und Umständen könne eine Synodenversammlung in verschiedenen Phasen abgehalten werden. Ein eigener Artikel ist der „Konsultation des Volkes Gottes“ zur Vorbereitung einer Synode gewidmet, die in Zukunft flexibel gehandhabt werden kann: Das Generalsekretariat der Synode, so heißt es ausdrücklich, könne andere als die beschriebenen Formen der Konsultation des Gottesvolkes festlegen. Die Apostolische Konstitution enthält auch einen Artikel, der die Einberufung einer möglichen „vorsynodalen“ Versammlung regelt, die auch in Form von regionalen Zusammenkünften stattfinden könnte. Artikel 15 gilt der „Diskussion über das Thema der Synodenversammlung“, und dabei lautet der § 2: „In regelmäßigen Abständen findet ein freier Meinungsaustausch unter den Mitgliedern über die behandelten Gegenstände statt“- was im Blick auf „normale“ Gremien einigermaßen kurios erscheinen mag, ist verglichen mit dem Verlauf früherer Vollversammlungen der Bischofssynode durchaus bemerkenswert!
Das päpstliche Dokument befasst sich nicht nur mit der Vorbereitung, sondern auch mit der Nachbereitung von Bischofssynoden. Die Bischöfe werden zur Umsetzung der Beschlüsse von Synoden ausdrücklich angehalten; je nach Thema und Umständen der jeweiligen Vollversammlung kann sich, so eine Bestimmung in Artikel 21, das Generalsekretariat zur Umsetzung der Ergebnisse einer eigenen Expertenkommission bedienen. Bemerkenswert im Blick auf die weitere Entwicklung ist aber vor allem der dritte Paragraph im einleitenden Artikel über die verschiedenen Formen der Synode: „Wenn er es für angemessen hält, besonders aus Gründen der Ökumene, kann der Römische Pontifex eine Synodalversammlung nach anderen als den von ihm festgelegten Modalitäten einberufen“. Damit wird rechtlich zumindest das Tor zu so etwas wie „ökumenischen“ Synoden in Verantwortung der katholischen Kirche aufgestoßen, wie immer diese dann konkret aussehen könnten. Andere christliche Kirchen sollten jedenfalls an diesem Punkt in ihren ökumenischen Dialogen mit der katholischen Seite nachfragen.
Den diversen rechtlichen Bestimmungen geht in der Apostolischen Konstitution „Episcopalis Communio“ ein ausführlicher Text zur noch nicht sehr langen Geschichte und zum Stellenwert der Bischofssynode in der Sicht von Papst Franziskus voraus. Er verweist zu Recht auf die besondere Aufmerksamkeit, die er vom Beginn seines Pontifikats an dieser Institution gewidmet habe. Das Thema Bischofssynode gehört für Franziskus in den größeren Zusammenhang einer Synodalisierung der katholischen Kirche, für die er sich nicht zuletzt in seiner Ansprache zum fünfzigjährigen Jubiläum der von Paul VI. am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils ins Leben gerufenen Bischofssynode am 17. Oktober 2015 stark gemacht hat. Damals sprach er von der Bischofssynode als der „klarsten Erscheinungsform eines Dynamismus der Gemeinschaft, der alle kirchlichen Entscheidungen inspiriert“. Der Weg der Synodalität sei der Weg, den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwarte.
Man mache sich nichts vor: Eine wirklich synodalisierte katholische Kirche ist nicht in Sicht; vielmehr gibt es nach wie große Stolpersteine, die einer solchen Entwicklung im Weg stehen, und zwar auf allen Ebenen von der Pfarrgemeinden über die Bistümer bis hin zur zentralen Kirchenleitung durch Papst und Kurie. Vielerorts in der katholischen Christenheit feiern autoritär- klerikalisierte Strukturen noch fröhliche Urständ, sind entsprechende Mentalitäten weit verbreitet.
Papst Franziskus gibt in seiner Apostolischen Konstitution über die Bischofssynode einen wichtigen Hinweis, wohin sich die Dinge im Gegensatz dazu entwickeln sollten. Der synodale Prozess, so der Papst, habe nicht nur seinen Ausgangspunkt, sondern auch seinen Zielpunkt im Volk Gottes. Es geht nicht darum, das Volk Gottes zu idealisieren. Wer und was ist überhaupt das „Volk Gottes“? Aber die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche hängt heutzutage nicht zuletzt davon ab, ob es ihr gelingt, verbindliche Mechanismen der Beteiligung und Mitsprache der Gläubigen zu schaffen beziehungsweise zu stärken. Indirekt leisten die jetzt von Papst Franziskus rechtlich umschriebene Aufwertung der Bischofssynode und ihre bessere Integration in die Gesamtkirche dazu einen Beitrag und sind schon deshalb zu begrüßen. So geht Kirchenreform in kleinen Schritten.
Ulrich Ruh (1950) ist Honorarprofessor an der Universität Freiburg im Breisgau und war 1991 – 2014 Chefredakteur der “Herder Korrespondenz”. Er studierte Katholischen Theologie und der Germanistik in Freiburg und Tübingen . Danach war er bis 1979 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät Freiburg (Prof. Karl Lehmann), am Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie. 1979 wurde er in Freiburg mit einer Arbeit über Begriff und Problem der Säkularisierung zum Dr. theol. promoviert und trat im gleichen Jahr i die Redaktion der “Herder Korrespondenz” ein, deren Chefredakteur er von 1991 -2014 war. Seit 2015 gehört er der Redaktion von kreuz-und-quer.de an.