POPULISMUS ALS HERAUSFORDERUNG FÜR DIE DEMOKRATIE

Amelie Kircher warnt davor, sich in einem lauwarmen Konsens bequem einzurichten zu machen und in der Verteidigung demokratischer Werte nachzulassen. 

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Amelie Kircher

Populismus als Herausforderung der Demokratie

2016 wird als ein Jahr in Erinnerung bleiben, in dem populistische Parteien westliche De­mokratien auf den Prüfstand gestellt haben. Wir alle wurden erinnert, dass Demokratie harte Arbeit für jeden Beteiligten bedeutet. Der Front National, UKIP, die Alternative für Deutschland, die Fünf-Sterne Bewegung in Rom: All diese Parteien wurden Anfang des Jahres noch belächelt. Und dann: Der 23. Juni ­– Großbritanniens Ja zu einem Austritt aus der Europäischen Union. Die westlichen Medien blickten nervös auf die Präsidentschafts­wahlen in den USA. Trump gewann die Wahl, Populismus scheint wieder offiziell erfolg­reich zu sein. Doch wäre Hillary Clinton Präsidentin geworden, wir hätten uns nach der Wahlnacht am 9. November nicht weiter mit den Problemen von Trumps Wählern be­schäftigt. Aber es kam anders. Und das hat auch seine guten Seiten.

Von den westlichen Medien hat keiner einen Sieg Trumps für möglich gehalten. Die Reak­tionen der Presse auf den Sieg des Republikaners sind umso verbitterter: Trump, der zuvor unisono von den deutschen Zeitungen als unwürdig, cholerisch und populistisch deklariert wurde, wird jetzt nicht nur kritisch beäugt. Journalistinnen und Journalisten zeigten sich am Tag nach der Wahl am Boden zerstört ­– dabei war das nicht ihre Aufgabe. Statt das zu berichten, was geschah, verstrickten sich viele Zeitungen in die Ideale einer liberalen, auf­geklärten Demokratie, denen zufolge die demokratische Kandidatin hätte gewinnen sollen.

Ein solcher Umgang mit Populisten ist kein Einzelfall. Es sind diese Reaktionen, die sie so gefährlich machen. Wir müssen von der Idee abrücken, unsere Ideale könnten eins zu eins in der Realität umgesetzt werden. Jahrelang waren wir eingelullt von einem nach außen funktionierenden Europa. Doch Demokratie bedeutet nicht, es sich in einem lauwarmen Konsens bequem zu machen. Wir sind der Illusion aufgesessen, unsere Werte könnten für sich bestehen, sobald sie einmal durchgesetzt sind. Doch sie müssen stetig verteidigt wer­den. Es ist wieder Bewegung in die westlichen Demokratien gekommen, mit dem Brexit hat es geknallt. Mit dem Votum kamen nicht nur antieuropäische und populistische Stim­men zu Wort, sondern endlich auch diejenigen, die sich FÜR ein gemeinsames Europa ein­setzen. Es scheint diesen Paukenschlag gebraucht zu haben, einen schmerzhaften Weckruf, der den Europäern vor Augen geführt hat, wie wichtig die Europäische Union ist.

Ob nun positiv oder negativ, wir müssen diese Entwicklungen nüchtern zur Kenntnis neh­men. Trump ist amerikanischer Präsident. Er hat es geschafft, Millionen Amerikaner zu mobilisieren und vor allem eins: Ihnen eine Stimme zu verleihen. Denn diese Sorgen existieren und dürfen nicht ignoriert werden. Wir sollten die Entwicklung hin zu einem Zusammenprall politischer Meinungen als Chance begrüßen. Für einen solchen lebendigen, emotionalen Diskurs, in dem Meinungen des gesamten politischen Spektrums zu Worte kommen, braucht es aber eine solide Basis – die Anerkennung der Grundsätze der demokratischen Ordnung. Konkret heißt das: Auch wenn Populisten wie Trump es schaffen, dass sich mehr Menschen mit Politik auseinandersetzen, ist das kein Freifahrtschein für Rassismus, Sexismus und Fremdenhass. Eine lebendige Demokratie bedeutet, sein Gegenüber als politischen Gegner mit all seinen Rechten anzuerkennen, nicht als Feind. Diese Revitalisierung der Demokratie kann als Heilmittel gegen verkrustete Strukturen im Staat eingesetzt werden. Die damit verbundene Re-Emotionalisierung des Diskurses spielt nicht nur den Populisten in die Hände, sondern uns allen, denn wir identifizieren uns über sie wieder viel stärker mit der Politik.

Das Jahr 2016 wird als das „Populistenjahr“ gehandelt. In Deutschland ist die AfD inzwi­schen in zehn Landtagen vertreten. Nach Trumps Sieg wurde schon von einem weltweiten „Trump-Effekt“ gesprochen, der Rechtspopulisten in die Hände spielt. Besorgt wurde auf die Bundespräsidentenwahl in Österreich geblickt. Als statt des Rechtspopulisten Norbert Hofer sein politischer Gegner Alexander van der Bellen die Wahl gewann, atmete Europa merklich auf – die Österreicher schienen die Gefahr verstanden zu haben. Doch es besteht nur am Rande eine Verbindung zu Trumps Erfolg. In Europa herrscht dank der kulturellen Diversität ein weitaus kraftvollerer natürlicher Schutz vor Rechtspopulismus als in Ameri­ka. Die größere Herausforderung folgt dennoch erst noch. 2017 stehen wieder Wahlen in Europa an, darunter in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland, welche schon jetzt inhaltlich von populistischen Parteien dominiert werden.

Und hier liegt der entscheidende Punkt: Die etablierten Parteien müssen verstehen, dass sie sich inhaltlich nicht dem Diskurs der populistischen Parteien anpassen dürfen, wie es der Fall in Österreich ist. Jahrelang eiferten die SPÖ und die ÖVP der FPÖ inhaltlich nach, verbogen ihre Parteiprogramme, um FPÖ-Wähler für sich zu gewinnen – ohne Erfolg. Wohl aber können sich Parteien bei der Form populistischer Parteien inspirieren. Populis­ten benutzen eine simple Sprache, brechen komplexe Inhalte auf leicht annehmbare Paro­len herunter und nutzen effektiv die sozialen Medien. Die älteren Parteien sind es den Wählerinnen und Wählern schuldig, ihre Inhalte für jeden verständlich auszudrücken. Es schadet nicht, komplexe Diskussionen auf ein paar Schlagworte herunterzubrechen, um Bürgerinnen und Bürger zu informieren. Der entscheidende Unterschied zum Populismus: Danach muss Inhalt folgen. Denn das ist die Stärke nichtpopulistischer Parteien.

In Amerika muss Trump nun im Amt bestehen. Für viele Populisten ein Albtraum, läuft er doch Gefahr, seine eigenen Parolen zu entzaubern. Dieser Weg durch die Institutionen ist für Wähler wie Gewählte heilsam, scheitern doch so viele an ihm. Auch wenn Trump im Weißen Haus gezähmt werden sollte, sind seine Anhänger mobilisiert, die fremdenfeindli­chen Parolen verbalisiert. Aber auch ihre Gegner sind auf der Straße und setzen sich laut­stark für eine tolerante Gesellschaft ein. Begegnen wir Rechtspopulismus also mit einer starken Opposition, so wie sie in einer lebendigen Demokratie gelebt werden sollte. Als ersten Schritt müssen wir lernen, das Potential einer Re-Emotionalisierung der Politik zu nutzen.

Amelie Kircher (1994) studiert im binationalen Master Angewandte Politikwis­senschaft / SciencesPo an der Albert-Ludwigs Universität Freiburg und dem Institut d’Etu­des Politiques Aix-en-Provence.

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