Thomas Sternberg beschreibt als neuer Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken die Aufgabe der katholischen Laien und fordert mehr Engagement in der und für die Kirche.
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Thomas Sternberg
Für die Kirche engagieren
Vorstellungsrede zur Wahl des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken vor der Vollversammlung des ZdK am 20. November 2015 in Bonn/Bad-Godesberg
Liebe Mitglieder im ZdK, Schwester und Brüder,
Unsere Vollversammlung findet in einer schwierigen Situation statt:
Wir diskutieren über Flüchtlinge und über die Terroranschläge von Paris. Bombendrohungen beherrschen die Nachrichten – Die Probleme der Einen Welt sind bei uns angekommen – wir können sie nicht mehr nur im Fernsehen ansehen! Die Ströme der Flüchtlinge berühren uns unmittelbar. Wir müssen uns unter anderem auch mit dem Islam und dem, was Terroristen als Islam bezeichnen auseinandersetzen müssen.
Die katholischen Frauen und Männer sind Fachleute für das interreligiöse Gespräch. Das ZdK führt diesen Dialog seit Jahren. Wir betonen den Unterschied zwischen dem Islam und seiner perfiden Ausnutzung für terroristische Ideologien. Darüber hinaus unterstützt das ZdK die vielen Ehrenamtlichen in der Flüchtlingshilfe der Gemeinden, Verbände und Organisationen. Und nicht zuletzt sind auch Gottesdienste und Gebete eine Form der Hilfe und Solidarität.
Katholikinnen und Katholiken sind gefragt mit ihrem Urteil; das haben wir in den Debatten um die Gesetze zur Palliativversorgung und zur gewerblichen Beihilfe zum Suizid erlebt. Aber im Umfeld dieser Debatte haben wir auch scharfe antikirchliche Töne gehört.
Wir sind inzwischen in der Minderheit (wenn auch nicht so wenige, wie manchmal behauptet). Nur zusammen mit unseren evangelischen Glaubensgeschwistern stellen wir eine Mehrheit von knapp 60 % der Bevölkerung. Das ZdK mischt sich ein.
In diese Debatten möchte ich mich noch stärker einbringen.
Ich bin vor Monaten von einer Reihe von Mitgliedern des ZdK gefragt worden, ob ich für das Amt des Präsidenten kandidieren würde und bin vorgeschlagen worden. Ich stelle mich damit dem Wettbewerb. Etwas Wettbewerb tut auch dem ZdK und etwas mehr Mitbestimmungskompetenz seiner Vollversammlung gut.
Ich möchte mit dieser Bereitschaft ein jahrzehntelanges Engagement fortsetzen. Ich möchte in einer Zeit, in der kirchlich Vieles in Bewegung gekommen ist, zu synodalen Formen in der katholische Kirche in Deutschland beitragen.
Zu meiner Person: Ich bin Jahrgang 1952 und habe in meinem sauerländischen Dorf nach der Volksschule 1969 die Bäckergesellprüfung abgelegt. In meiner Familie lernte ich einen sehr engagierten und kritischen Glauben kennen. Anderthalb Jahre später ging ich zum Abendgymnasium nach Neuss, arbeitete aber noch bis 1977 regelmäßig als Bäcker. Studiert habe ich zunächst Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte – später auch Theologie – in Münster, Rom und Bonn. In Münster wurde ich 1980 Diplom-Theologe und dort promovierte ich in Germanistik 1982. In Bonn schloss sich 1988 eine theologische Dissertation an. 2001 wurde ich Honorarprofessor für Kunst und Liturgie an der Theologischen Fakultät in Münster. Seit 1988 bin ich Leiter der Katholisch-Sozialen Akademie Franz Hitze Haus in Münster. Das bin ich seit 2005 in Teilzeit, weil ich seitdem Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags bin. Die Tätigkeit in der Akademie würde ich im Falle meiner Wahl aufgeben.
Das Wichtigste ist für mich die Familie: seit 34 Jahren bin ich mit der Ärztin Angelika Lemmen-Sternberg verheiratet; wir haben fünf inzwischen erwachsene Kinder. Vorigen Samstag konnten wir die erste Trauung in der Familie feiern. Vor fast 24 Jahren wurde meiner Frau und auch mir im Zusammenhang der Geburt unserer jüngsten Zwillinge drastisch deutlich gemacht, dass wir unser Lebensglück nicht nach unserem Willen steuern können.
Politisch habe ich mich immer engagiert: von der Studierendenvertretung über Studienkommissionen, Universitätsvertretungen zum Sachkundigen Bürger im Kulturausschuss im Rat der Stadt Münster. Von 2003 bis 2007 war ich für die evangelische und die katholische Kirche Sachverständiger in der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Bundestages. Weil mir Kulturpolitik viel Freude machte, bewarb ich mich als Quereinsteiger für ein Mandat im Landtag, Dort bin ich – bis auf die Jahre 2010-2012 als schulpolitischer – kulturpolitischer Sprecher meiner Fraktion. Seit 2006 bin ich auch Vorstandmitglied der Kulturpolitischen Gesellschaft. Kunst und Kultur sind für mich sehr viel mehr als eine Nebensächlichkeit der Freizeitgestaltung.
Kirchlich hatte ich eine Reihe von Engagements. Wichtig waren und sind mir besonders der Konsultationsprozess zum Gemeinsamen Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage 1997, das Diözesanforum in Münster und die Vorbereitung des Diözesanjubiläums dort. Im ZdK und seinem Hauptausschuss bin ich seit 1996. Bis 2013 habe ich als Sprecher für Grundfragen der Wissenschaft, Bildung und Kultur eine Reihe von Erklärungen mit erarbeitet; zuletzt die zur Inklusion, die wir 2012 in Mannheim verabschiedeten. Seit 1997 bin ich auch Berater in der Kommission für Wissenschaft und Kultur der Bischofskonferenz.
Soviel zu meiner Person.
Liebe Mitglieder, in der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit sind kirchliche Äußerungen nicht mehr selbstverständlich: sie treffen zum Teil auf einen aggressiven Säkularismus, der allen Religionen Gewalttätigkeit und Intoleranz unterstellt. Noch häufiger haben wir es mit Gleichgültigkeit in religiösen Fragen zu tun nach dem Motto „ich glaub nix – mir fehlt nix“. Wie reagieren wir darauf mit unserer Glaubensüberzeugung?
Wir erleben eine extreme Pluralisierung der Bekenntnisse und Weltanschauungen. Zum so wichtigen Dialog mit den Juden ist seit vielen Jahren der Dialog mit den Muslimen hinzugekommen. Er wird künftig noch wichtiger werden. Wie wohltuend war die wunderbare Rede von Navid Kermani in der Paulskirche vor wenigen Wochen. Da wurde deutlich: wer in seinem Glauben gefestigt ist, kann Dialoge umso offener führen.
Wie können wir in unserer Gesellschaft „Salz der Erde“, oder „Sauerteig“ (mir gefällt dies Bild besonders gut) und „missionarisch Kirche“ sein? Wir wollen die Freude am Evangelium und die Freude, die aus dem Evangelium erwächst, in einer rasant sich verändernden Situation vermitteln. Wie können wir zum Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen?
Die großen politischen Themen verlangen unsere Stellungnahme und unser Engagement. Das betrifft zur Zeit vor allem die Fragen der Integration, die Europapolitik, eine erneuerte Friedenspolitk, die Klimapolitik. Ich glaube, wir stehen vor großen Herausforderungen als Zentralkomitee der Katholiken. Wir sind gefragt zu den großen Themen der Politik.
Es gibt aber auch Reformbedarf in Organisation und Arbeitsweise des ZdK. Nicht allein in unseren Vollversammlungen muss es mehr Mitwirkung und Mitentscheidung aller Mitglieder geben. Präsidium, Sprecherinnen und Sprecher sollen sich noch mehr als Team begreifen und eigenständig Themen übernehmen, um sich rasch in aktuelle Debatten einschalten zu können.
Die Öffentlichkeitsarbeit des ZdK könnte aufgefrischt werden, – mit knapperen und schnelleren Meinungsäußerungen und weniger mit Verlautbarungen, so gut sie auch formuliert sein mögen. Erkennbarkeit des Laienkatholizismus ist auch ein Thema unserer Katholikentage. Wie können wir uns in der Fülle von Veranstaltungen mit zentralen Botschaften vernehmbar machen?
Für alles das gibt es keine Patentrezepte, aber in gemeinsamer Anstrengung und mit professioneller Beratung sollten wir an inneren Reformen arbeiten
Das Erscheinungsbild der katholischen Kirche in Deutschland ist für Außenstehende kaum zu begreifen. Die kirchliche Kompetenz für die gesellschaftlichen Aussagen liegt bei den katholischen Laien! Doch da gibt es politische Meinungsäußerungen von Bischöfen und von Laien, ohne dass man weiß, wie die nun zueinander stehen. Unsere Erklärungen müssen gemeinsam verfasst werden und sie müssen ökumenisch sein. In Entsprechung der synodalen Beschlüssen der EKD müssen DBK und ZdK häufiger gemeinsam auftreten. Gut finde ich, dass auf der neuen Schrift „Ethisch investieren“ beide Signets auf der Titelseite zu finden sind. Auch die Stellungnahme nach dem Beschluss des Bundestags zum assistierten Suizid mit Kardinal Marx, Präsident Glück und dem EKD-Vorsitzender Bedfort-Strohm ist ein gutes Beispiel. Aber dann muss man wieder lesen, dass nach unserem noch ein eigenes Papier der Bischöfe, bzw. der Kommissionsberater, zu TITIP in Arbeit sei – warum bloß?
Gerade das TTIP-Papier zeigt einen richtigen Weg: es formuliert, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit es christlichen Grundpositionen genügt. Das Thema muss in die globale Agenda 2030 eingebunden werden.
Zu den wichtigen innerkirchlichen Fragen der nächsten Monate gehört: Wie geht es weiter nach dem Gesprächsprozess? Das letzte Treffen dieses fünfjährigen Dialogprozesses in Würzburg hat gezeigt, dass wir es nicht mit einer einheitlichen Bischofsfront da und einem einheitlichen Block der Laien zu tun haben, sondern, dass wir gemeinsam über Themen debattieren können. Wie kann man „Gemeinsam Kirche sein“, wie zu synodalen Strukturen kommen?
Ich stelle mir unsere Kirche in 10 Jahren vor:
- Sie tritt geschlossener öffentlich auf; die ökumenische Zusammenarbeit ist noch selbstverständlicher geworden.
- In den Gemeinden ist unter dem Stichwort der Orientierung an verschiedenen Charismen eine neue Form von Selbständigkeit entstanden, die Subsidiarität auch in der Kirche verwirklicht.
- Sie bleibt eine gewichtige Stimme in Politik und Gesellschaft und hat viele Formen des Religionendialogs, vor allem mit den Muslimen.
- Nicht allein die Bischofskonferenz ist kirchenrechtlich endlich gestärkt, auch der Laienkatholizismus ist in seiner Repräsentation durch das ZdK eine deutlich wahrnehmbare Stimme in einer säkularen Öffentlichkeit.
- Endlich sind Formen gefunden für eine Aufnahme von Geschiedenen Wiederverheirateten in die volle Kirchengemeinschaft.
- Die Arbeit der Seelsorgerinnen ist ausgebaut und besser anerkannt; der Frauendiakonat und geweihte „viri probati“ sind Selbstverständlichkeit.
- Der Einsatz der katholischen Frauen und Männer für das ungeborene Leben bei donum vitae ist kein Streitpunkt mehr.
- Wir sind gemeinsam eine dienende, politisch wirksame, missionarische und die Freude am Evangelium ausstrahlende Kirche.
Aus Evangeli Gaudium, diesem wunderbaren, ermutigenden Text unseres Papstes Franziskus möchte ich mit einer knappen Feststellung schließen: „Die Laien sind schlicht die riesige Mehrheit des Gottesvolkes. In ihrem Dienst steht eine Minderheit: die geweihten Amtsträger.“(EG 102) Soweit der Heilige Vater.
Ich möchte mich noch stärker für diese Kirche engagieren und bitte um Ihr Vertrauen! Vielen Dank.
Prof. Dr. Dr. Thomas Sternberg (1952) hat nach einer Bäckerlehre Germanistik, Kunstgeschichte und Theologiein Münster, Bonn und Rom studiert. Seit 1988 ist er Direktor der Katholisch-Sozialen Akademie FRANZ HITZE HAUS Münster. Seit 1997 ist er Sprecher für kulturpolitische Grundfragen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und gehört seit 2005 ist er Mitglied des Landtages Nordrhein-Westfalen an, wo er kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion ist. Seit 2012 ist er Sprecher des Herausgeberkreises von kreuz-und-quer.de. Am 20. November 2015 wurde er zum Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken gewählt.