DENN AM SIEBTEN TAGE …

Franz-Josef Jung befasst sich mit der Bedeutung christlicher Werte in Alltag und Politik. Auch Menschen, die dem distanziert gegenüber stehen,  nehmen den siebten Tag in der Woche mit großer Selbstverständlichkeit als Ruhetag in Anspruch.

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Franz-Josef Jung

Denn am siebten Tage…
Von der Bedeutung christlicher Werte in Alltag und Politik

Immer wieder werde ich in meiner Funktion als Kirchenbeauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfrakti­on gefragt, ob christliche Werte überhaupt noch eine Rolle spielen – vor allem in der Politik, aber auch im täglichen Leben. Angesichts von Kirchenaustritten und einer zunehmend rationalen Gesellschaft sei das Berufen auf eine am christlichen Menschenbild orientierte Politik doch eigent­lich aus der Zeit ge­fallen. Und überhaupt: Wer ginge denn heute noch regelmäßig in die Kirche? Und: darf man sich in ei­ner von religiöser Vielfalt geprägten Gesellschaft überhaupt noch auf christliche Werte berufen? Zu­dem gilt doch eigentlich die Trennung von Religion und Staat?

  1. Zu den Fakten: Immer noch sind über 60 Prozent der Bevölkerung in Deutschland christlich ge­prägt. Die zahlenmäßig größte Gruppe bilden die Mitglieder der beiden großen christli­chen Kir­chen mit insgesamt 58,8 %. Hinzu kommen Christen in den Freikirchen, den altori­entalischen Kirchen und anderen christlichen Kirchen. Die jüdischen Gemeinden, die Mitbe­gründer unserer christlich-jüdischen Tradition, verzeichnen inzwischen über 100.000 Mit­glieder. Der Anteil der Muslime wird auf rund 4 bis 4,5 Millionen geschätzt.Damit findet insgesamt der größte Teil der Bevölkerung in unserem Land Halt im Glauben.Die große Mehrheit in unserem Land bekennt sich zum christlichen Glauben, aus dem damit auch ein Leben basierend auf grundlegenden christlichen Werten abgeleitet werden darf. Damit ist deutlich widerlegt, dass es sich keinesfalls – wie oft und gern behauptet – um eine langsam zu vernachlässigende Minderheit oder gar um eine gänzlich aus der Zeit gefallene Gruppe han­deln würde. So über die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger aus unserer Mitte zu sprechen, ist selbstgefällig.Die Mehrheit der Bevölkerung sieht nach wie vor Sinn im christlichen Glauben, findet Halt und Trost in der Religion und Ermutigung in der Gemeinschaft der Gläubigen. Denn die ganze Rede über christliche Werte in der Politik würde ins Leere laufen, wenn es Glauben und Chris­ten nicht mehr gäbe, wenn es nur noch um kulturelle Überlieferung, aber nicht mehr um eine gelebte Religion geht.
  2. Was sind eigentlich die Werte, um die es geht? Ausgangspunkt der Überlegungen ist das christ­liche Menschenbild. Jeder Mensch ist einzigartig und steht als Einzelner vor seinem Schöpfer. Er besitzt damit eine Würde und Unantastbarkeit, die ihm nicht erst von der Ge­sellschaft aktiv zuerkannt werden muss, sondern die nur anerkannt werden kann. Für den einzelnen Christen er­geben sich daraus abgeleitet die zentralen Tugenden wie Glaube, Lie­be, Hoffnung und Barm­herzigkeit. Übertragen in die Politik leiten sich daraus die Grund­werte ab, die zum Kern einer Politik auf Basis des christlichen Menschenbildes gehö­ren: Freiheit, Solidarität und Gerechtig­keit. Dabei handelt es sich um Grundwerte politischer Gestaltung, die sich nicht nur aus dem Menschenbild zwingend ergeben, sondern auch ein­ander bedingen.Übersetzt auf den Staat, ergeben sich aus diesem christlichen Menschenbild vor allem die Wür­de und die Freiheit als Eckpfeiler, auf denen das ganze staatliche Gefüge ruhen muss. Diese Eckpfeiler sind keinesfalls eine Selbstverständlichkeit. Die spezielle Bedeutung zeigt sich be­sonders anhand der historischen Beispiele, in denen der Staat die Würde und Freiheit der Men­schen nicht geachtet hat.Nicht ohne Grund verwiesen die Verfasser unseres Grundgesetzes in der Präambel auf die „Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Die Formulierung findet ihren Ursprung in einer Zeit, in der unser Land nicht nur auf Berge von Schutt und Asche blickte, sondern auch auf Trümmer aus Schuld. Eben dieses Bewusstsein um die eigene große Schuld- und Fehlerhaftig­keit veranlasste diese Generation, Gott als Instanz zu erkennen und zuzulassen.Auch während der Zeit der Überwindung der DDR-Diktatur und danach, waren es das Chris­tentum und seine Werte, die vielen Menschen Halt und eine Richtung gaben. Damit sind die christlichen Werte eine wesentliche Quelle jener gemeinsamen Überzeugung und Orientierung unserer Gesellschaft, ohne die diese auf Dauer keinen Bestand hätte.
  3. Um Missverständnissen vorzubeugen: es gibt keine christliche Politik, aber es gibt Christen in politischer Verantwortung. Was können Christen in politischer Verantwortung also tun, um auf der Grundlage christlicher Überzeugungen Politik zu gestalten, ohne dabei die Gren­zen zu überschreiten, die der weltanschaulich-neutrale Staat setzt?Aus der Bibel lässt sich kein politisches Programm ableiten, aber der Glaube kann eine ethi­sche Grundlage für verantwortungsvolle Politik bilden. Der direkte politische Alltag selbst zwingt einen immer wieder, zur notwendigen Rückbesinnung auf unsere im christlichen Menschenbild wurzelnden Grundüberzeugungen und Wertvorstellungen. Die Last der bis­weilen sehr großen ethischen Verantwortung, die wir zum Beispiel als Gesetzgeber im Deut­schen Bundestag ha­ben, steht dabei immer klar vor Augen. Der persönliche Glaube ist damit Richtschnur für einen Politiker, um Antworten auf aktuelle politische Fragen geben zu kön­nen.
  4. Die Trennung von Kirche und Staat manifestiert sich in zwei konkreten Merkmalen: Ers­tens, es gibt in Deutschland keine Staatskirche und zweites gelten staatliche Gesetze. Jedoch sind in der Verfassung enge Kooperationen zwischen Staat und Kirche vorgesehen: der Staat stellt sich für den Einzug der Kirchensteuer gegen ein Entgelt zur Verfügung, es bestehen enge Verbindun­gen bei der Organisation und Durchführung im Bereich der Pflege, Betreu­ung und Bildung so­wie bei der Seelsorge in Gefängnissen oder bei der Bundeswehr.In ständiger Rechtsprechung bescheinigt das Bundesverfassungsgericht Staat und Kirche in Deutschland eine positive bzw. fördernde Trennung, d.h. der Staat erkennt die Leistung von Religion und Kirche für das Gemeinwesen an und bietet im Gegenzug bestimmte Förderoption­en. Im europäischen Vergleich hat sich dieses Modell gegenüber den Staatskirchen und dem Laizismus nach französischem Vorbild bewährt.Und auch wenn sich Menschen gar keiner Religion zuordnen mögen oder den Einfluss unse­res jüdisch-christlichen Erbes als eher gering einschätzen: den siebten Tag in der Woche nehmen alle gerne und mit großer Selbstverständlichkeit als Ruhetag in Anspruch.

Dr. Franz Josef Jung (1949) ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages und stellvertretender Vorsit­zender sowie Beauftragter für Kirchen und Religionsgemeinschaften der CDU/CSU-Bundes­tagsfraktion. Seine diversen politischen Stationen führten ihn u.a. über das Amt des Fraktionsvorsit­zenden der hessischen CDU-Landtagsfraktion, zum Chef der Hessischen Staatskanzlei bis zum Bun­desminister der Verteidigung. Der katholische Jurist wurde am 5. März 1949 in Erbach im Rhein­gau geboren, ist verheiratet und hat drei Kinder sowie drei Enkelkinder.

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