Frank Überall fordert größere Anstrengungen und mehr Wertschätzung für professionellen Journalismus, der sich Fake News entgegen stellt.
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Frank Überall
Journalismus gegen Fake-News
Fake News hat es immer gegeben: Bei den Lästereien beim Familientreffen oder als „Ente“ in den Medien. Und auf den von Erich von Däniken längst angekündigten Besuch von Außerirdischen warten wir nach wie vor vergeblich. Was sich geändert hat, ist unser Umgang mit „falschen“ Nachrichten. Das liegt auch daran, dass unser Medienkonsum exorbitant zugenommen hat.
Stellen wir uns einmal vor, wir hätten damit begonnen, in diesem Umfang mehr Nahrung zu uns zu nehmen – die Folgen wären dramatisch ungesund. Wie können wir da auf die vermessene Idee kommen, dass ein „Immer Mehr“ an vermeintlich geistiger Nahrung hilfreich sein könnte? Würde der Konsum der Texte, Töne und Bilder aus dem Internet tatsächlich zur Bildung beitragen, wäre die Idee nicht falsch. Wir stopfen uns aber eher mit „Fast Food“ voll, zumindest wenn man Nutzungsstatistiken vertraut. Das Katzenvideo schlägt den polit-philosophischen Essay, Hasstiraden sind eingängiger als Lobeslieder, digitale Rülpser erreichen mehr Nutzer als ausgewogene Argumentationen.
Mitten im Meer der Medien-Überflutung versucht der Journalismus, sich zu behaupten. Im Ringen um Aufmerksamkeit und Wertschätzung fällt das aber schwer. Viele Menschen, und nicht bloß junge, wollen für professionelle, redaktionelle Produkte längst kein Geld mehr ausgeben. Unternehmen schalten ihre Anzeigen lieber bei den digitalen Datenkraken und immer seltener dort, wo journalistische Profis Information und Einordnung bieten.
Damit erodieren für unabhängige Medien die beiden wichtigsten Einnahmesäulen. Journalismus wird zum Luxusgut. Dabei wird er für die Demokratie gebraucht. Denn ohne professionell recherchierte und aufbereitete Informationen kann ein breiter öffentlicher Diskurs nicht gelingen.
Das bedeutet für die Menschen, die Journalismus als Beruf ausüben, ungewohnte Herausforderungen. Plötzlich sind wir in der Situation, dass wir erklären müssen, was wir machen. Es ist nicht mehr selbstverständlich, dass die Produkte unserer Arbeit etwas Außergewöhnliches sind. Es wird der Eindruck erweckt, dass Texte, Töne und Bilder doch schließlich von jedem erstellt werden könnten. Und überhaupt: Oft würden wir doch „Falsches“ berichten, gesteuert von Regierungen und Unternehmen, womöglich sogar von Außerirdischen…
Wir brauchen einen Ausweg aus dieser Spirale des Unsinns. Wenn es um unser aller Wohl geht, muss eine neue Ernsthaftigkeit einkehren. Dazu gehört auch eine Wertschätzung gegenüber denjenigen, die Öffentlichkeit prägen. Und es ist ja nicht so, dass diese Haltung verschwunden wäre – ganz im Gegenteil. Studien beweisen, dass viele etablierte Medien (und ihre Macher) immer noch oder wieder für äußerst vertrauenswürdig gehalten werden. Diese Menschen schreien das nur nicht laut heraus, pöbeln mit ihrer Meinung nicht im Internet.
Um dauerhaft Wertschätzung gegenüber dem Journalismus erhalten zu können, ist es aber auch wichtig, sich immer wieder bewusst zu machen, mit welchem gesellschaftlichen Teilbereich wir es da zu tun haben. Die Herausforderungen der digitalen Welt wirken sich in allen Lebensbereichen aus. In Bezug auf die Nutzung von Medien stellen wir aber fest, dass es durchaus Sinn macht, die Kompetenz dazu stärker zu thematisieren. Das muss in den Schulen anfangen, gehört aber auch in die gesamtgesellschaftliche Debatte. Wer sich nur noch mit „Fake-News“, „Hate-Speech“ und „Shitstorms“ beschäftigt, kann schnell ein pessimistisches Bild von unserem Zusammenleben bekommen. Das ist dann wie beim Fast Food: Auf Dauer kann das nicht gesund sein.
So manche Formation an den extremen politischen Rändern greift diese Stimmung in fataler Weise auf. Da wird Journalismus als „Lügenpresse“ diffamiert, da wird Gewalt gegen Medienvertreter propagiert. Bei Demonstrationen kann man immer häufiger beobachten, dass solche Äußerungen auf fruchtbaren Boden fallen: Journalisten werden beschimpft und sogar gewalttätig angegriffen.
Als Kampfbegriff wird auch gerne „Systempresse“ aufgerufen. Und in der Tat – viele dieser Extremisten bringen es damit korrekt auf den Punkt. Allerdings anders, als sie meinen: Denn unser System ist die Demokratie, also die Herrschaft der Menschen. Wer dieses System ablehnt, hat im unabhängigen den Gegner zutreffend identifiziert. Von bösartigen Angriffen dieser Extremisten dürfen sich Medienvertreter nicht einschüchtern lassen.
Wir Journalisten müssen aber auch überlegen, wie wir das Publikum besser erreichen. Natürlich gibt es noch sehr viele Menschen, die Zeitungen und Zeitschriften lesen, Radio hören und Fernsehen gucken. Im Internet dagegen gehen unsere Medienhäuser zuweilen verzagt vor. Erst haben vor allem die Zeitungsverlage ihre Inhalte kostenlos ins Netz gestellt, bloß um Reichweite zu bekommen. Erst spät stellten sie fest, dass das kein Geschäftsmodell ist und die Gratis-Mentalität die Branche inzwischen grundsätzlich in Frage zu stellen droht.
Viele Medien haben für ihre redaktionellen Netz-Angebote inzwischen „Paywalls“ hochgezogen, also Bezahlmodelle eingeführt. Und das ist auch gut so. Denn Journalismus ist auf Dauer nicht zum Nulltarif zu haben. Gleichzeitig müssen wir uns anstrengen, immer besser zu werden. Sparrunden in den Redaktionen helfen da nicht weiter, die beschädigen nur weiter das Produkt.
Wir brauchen ein Ende der Verzagtheit, wir müssen auch mit neuen Formen um Aufmerksamkeit werben. Journalismus darf auch mal als Podcast oder in einem News-Game daherkommen. Neue Erzählformen entstehen, neue Medienmarken oder –personen betreten die öffentliche Bühne. Sich zu unterscheiden von Scharlatanen, die Falschnachrichten verbreiten oder Hass predigen, bleibt eine große Herausforderung.
Prof. Dr. Frank Überall (1971) ist Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Er lehrt Medien- und Sozialwissenschaften an der HMKW Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln. Als freier Journalist berichtet er vor allem für WDR und ARD. Der Autor mehrerer politischer Sachbücher ist Mitglied im deutschen PEN-Zentrum. Im Internet findet man ihn unter www.politikinstitut.de.