Jürgen Hardt, MdB, plädiert dafür, mögliche Fragezeichen über die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses mit dem neuen US-Präsidenten Trump möglichst schnell auszuräumen.
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Jürgen Hardt
Perspektiven für die Transatlantische Zusammenarbeit mit der Regierung von Präsident Trump
Nach einem schwierigen, herausfordernden Jahr 2016 blicken wir mit Spannung auf das soeben begonnene Jahr 2017, das gerade mit Blick auf die Außen- und Sicherheitspolitik nicht minder herausfordernd werden wird. Das völkerrechtswidrige Vorgehen Russlands in der Ukraine hält an; ganz offensichtlich hat Russland in erstmaliger und präzedenzloser Weise Cyberfähigkeiten genutzt, um in den innenpolitischen Diskurs der USA einzugreifen; und in Syrien spielt sich direkt vor den Toren Europas eine Tragödie ab, bei der humanitäres Völkerrecht nach wie vor tagtäglich mit Füßen getreten wird.
Im Jahr, in dem wir mit dem 60. Jahrestag der Römischen Verträge quasi den 60. Geburtstag der Europäischen Union feiern, werden wir uns möglicherweise erstmalig formal mit dem Wunsch eines Mitgliedstaats nach Austritt aus ebendieser EU befassen müssen. Die Eurokrise ist noch nicht überwunden. Gleichzeitig wird die EU von externen Akteuren wie Russland oder auch China, die die Einheit und Schlagkraft der EU zu unterminieren versuchen, auf ganz neue Weise herausgefordert.
In diese unübersichtliche und teils fragile Weltlage hat der erbittert geführte US- Wahlkampf weitere Unsicherheit gesät. Es geht deshalb jetzt darum, mögliche Fragezeichen über die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses möglichst schnell auszuräumen.
Um Eines vorweg zu nehmen: Ich erwarte, dass wir auch in den kommenden Jahren unter der Administration von Donald J. Trump eine enge und konstruktive partnerschaftliche Zusammenarbeit im transatlantischen Schulterschluss haben werden – auf dem Boden der gemeinsamen Werte und Ideale, die unsere Partnerschaft auszeichnen und so einmalig machen.
Es liegt an uns transatlantischen Partnern, für unsere gemeinsame Überzeugung einzustehen, dass eine offene, Chancen und Möglichkeiten schaffende Welt, die vom Austausch, von Ideen und vom Schutz der Würde und der freien Entfaltungsmöglichkeit des Einzelnen geprägt ist, auch weiterhin wünschenswert, schützenswert und erstrebenswertes Ideal bleibt.
Donald Trump hat den Nerv vieler Wähler in den USA getroffen, in dem er Sorgen und Nöte angesprochen hat, die diese bewegen. Dies betrifft insbesondere jene, die zu lange das Gefühl hatten, vom Wohlstandsgewinn der Globalisierung persönlich nicht profitiert zu haben. Diese Sorgen kennen wir nur allzu gut – und wir müssen sie auch hier in Europa ernst nehmen. Dabei gilt es, überzeugende, wirksame und nachhaltige Antworten auf die immer komplexeren Wirkungszusammenhänge einer globalisierten Welt zu geben – nicht einfache und populistische, nicht spaltende und nicht kurzfristige Lösungen vorgaukelnde.
Wenn wir das Motto, mit dem Donald Trump die US-Wahlen gewonnen hat: „Make America Great Again“ ernst nehmen, dann steht dieses für mich in einem unmittelbaren und untrennbaren Sachzusammenhang mit dem Leitmotiv: „Further Strengthen the Western World“. Denn ich bin davon überzeugt, dass Donald Trump seine Wahlversprechen nach mehr Sicherheit für die US-Bürger, mehr Wohlstand und mehr Produktivität der arbeitenden Bevölkerung nur dann umsetzen kann, wenn er die enge und intensivierte Zusammenarbeit mit jenen Partnern fortsetzt und ausbaut, die für dieselben Werte, Ambitionen und Rahmenbedingungen stehen. Das sind in erster Linie die Staaten des demokratischen, freiheitlichen Westens, die unter den Dächern von NATO, EU und G7 miteinander verbunden sind. In diesem Kontext ist die Vision Donald Trumps auch unsere. Und wir sollten für die Stärkung dieses gemeinsamen Sicherheits-, Wirtschafts- und Werteraumes eintreten.
Die NATO bleibt das Fundament für die euroatlantische Sicherheit. Angesichts der Zunahme realer Bedrohungen aus Osten und Süden, ist es nur richtig und nachvollziehbar, dass Donald Trump – wie seine ehemalige Kontrahentin Clinton auch – die Europäer dazu ermahnt hat, ihren eigenen Beitrag für den Erhalt dieser Sicherheit zu erhöhen. Mit Beschlüssen in Wales und Warschau, beim jüngsten Europäischen Rat in Brüssel, aber auch den jüngsten Haushaltsbeschlüssen des Deutschen Bundestages haben wir genau diesen Weg beschritten: Deutschland und Europa sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen und dafür mehr Ressourcen und Fähigkeiten bereit zu stellen. Die Europäische Union hat zudem entscheidende Maßnahmen getroffen, die eigenen Fähigkeiten als europäischer Pfeiler der NATO zu verbessern, auszuweiten und vor allem effizienter zu gestalten.
Mit seinem sich bildenden Team – insbesondere dem designierten Verteidigungsminister Mattis – hat Trump klar unterstrichen, dass er die besondere Bedeutung der NATO-Allianz erkennt und sie erhalten wird. Ich denke, dass die ein oder andere pointierte Aussage aus dem Wahlkampf in diesen größeren Kontext eingebettet werden wird. Schon im ersten Halbjahr 2017 wird sich sicherlich die Gelegenheit bieten, gemeinsam mit der neuen US-amerikanischen Administration ein Signal der unerschütterlichen Bekenntnis zur Verteidigung der euroatlantischen Sicherheit unter dem Dach der NATO auszusenden, vielleicht sogar in Form eines „Mini-NATO-Gipfels“. Ich erhoffe mir hier ein kraftvolles Signal, insbesondere von Seiten Washingtons! In Gesprächen mit führenden Senatoren beider Parteien habe ich zuletzt immer wieder die unmissverständliche Versicherung der Bündnistreue und fortgesetzter Bündnisverpflichtung der USA erfahren.
Was für die euroatlantische Sicherheit gilt, gilt genauso für den euroatlantischen Wirtschaftsraum. Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich enttäuscht darüber bin, welche freihandelskritischen Wendungen die Auseinandersetzung im US-Wahlkampf genommen hat. Diese Rhetorik steht in klarem Kontrast zum jahrzehntelangen und gerade in der Republikanischen Partei tief verwurzelten Konsens über den Nutzen eines modernen und modernisierungsfähigen Freihandels. Ich bin ebenso verwundert, dass ausgerechnet in Deutschland – in dem Land mit dem größten Nutzen vom internationalen Handel – die Skepsis so groß ist. Wir sollten unsererseits nicht an dem Ast sägen, auf dem wir sitzen.
Richtig ist: Wachstum, Wohlstand und Innovationskraft auf beiden Seiten des Atlantiks – in den USA ebenso wie in Europa – wird sich nur dann schaffen und erhalten lassen, wenn die Wachstumspotentiale durch einen immer engeren Zusammenschluss der beiden größten und leistungsfähigsten Wirtschaftsräume der Welt – Nordamerika und der Europäischen Union – voll ausgeschöpft werden. Vor diesem Hintergrund hege ich weiter die Hoffnung, dass auch die Trump-Administration nach einiger Zeit Wege suchen wird, diesen wirtschaftlichen Schulterschluss weiter zu intensivieren. Dazu zählt auch die Fortsetzung der Gespräche über ein Freihandelsabkommen, für das ich gerade aus dem US-Kongress immer wieder viele unterstützende Stimmen vernehme.
Dabei können wir durchaus Selbstbewusst sein: Gerade deutsche Unternehmen, die in den vergangenen Jahrzehnten in den USA investiert haben, sind eine Quelle hochqualifizierter, gut bezahlter und zukunftsweisender „jobs“ in den USA. Genauso wie die USA als Absatzmarkt Nr.1 Quelle für die Schaffung ebensolcher Arbeitsplätze hierzulande sind.
Ich bleibe dabei, was ich schon früher gesagt habe: Die vielen Krisen und Herausforderungen in einer unruhigen Welt können nur effektiv und wirksam im transatlantischen Verbund, in enger Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten gelöst werden. Eine enge transatlantische Partnerschaft ist wichtiger denn je. Ich bin zuversichtlich, dass dies auch in Washington nach dem 20. Januar weiter so gesehen wird.
Jürgen Hardt (1963) ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundestags und dort Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss und im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Er ist Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Seit April 2014 ist er auch Koordinator für die Transatlantische Zusammenarbeit der Bundesregierung. Zuvor war er Leiter der Unternehmenskommunikation des Familienunternehmens Vorwerk.