FAMILIEN-SYNODE ZWISCHEN AUFBRUCH UND BEHARRUNG

Ulrich Ruh fordert in seiner Bilanz der bischöflichen „Doppelsynode“ zu Familienthemen effizientere Formen der Mitberatung und Mitbestimmung und beschreibt Sackgas­sen des  katholische Lehramts in Sachen Sexualität und Ehe.

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Ulrich Ruh

Familien-Synode zwischen Aufbruch und Beharrung

Welchen Platz die jüngste Vollversammlung der Bischofssynode einmal in der neueren Geschich­te der katholischen Kirche einnehmen wird, ist noch nicht ausgemacht. Aber auf jeden Fall war die Synode mit dem Thema „Berufung und Sendung der Familie in der Kirche und in der Welt von heute“ ein herausragendes Ereignis im bisherigen Pontifikat von Papst Franziskus. Das gilt weniger auf Grund ihres Ergebnisses, wie es sich im Schlussdokument vom 24. Oktober 2015 niedergeschlagen hat, zumal das nachsynodale Schreiben des Papstes ja noch aussteht. Bemer­kenswert war vor allem der Vorgang als solcher mitsamt der ihn begleitenden innerkirchlichen Diskussionen und Positionsbezüge.

Sie wurden gefördert durch die neue Form der „Doppelsynode“, die Kombination einer Außeror­dentlichen und einer Ordentlichen Vollversammlung der Bischofssynode zum gleichen Thema im Jahresabstand. Der Papst selber sprach von einem „synodalen Prozess“, zu dem auch eine zwei­malige Umfrage gehörte. Auch das war neu: Den jeweiligen Vorbereitungstexten waren Fragen beigefügt, mit denen die Bischöfe die Probleme von Familien in ihrem Verantwortungsbereich und die Haltung zu den kirchlichen Lehraussagen zur Ehe- und Familienmoral bei den Gläubigen in Erfahrung bringen sollten.

Die deutschen Bischöfe schickten eine zusammenfassende Auswertung der ersten Umfrage an das römische Synodensekretariat, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ. Die kirchli­chen Aussagen zum vorehelichen Geschlechtsverkehr, zur Homosexualität, zu wiederverheirate­ten Geschiedenen und zur Geburtenregelung fänden kaum Akzeptanz oder würden überwie­gend explizit abgelehnt. Das katholische Familienbild wirke auf viele zu idealistisch und lebens­fern. Dieser Befund war zwar alles andere als überraschend und dürfte auch über Deutschland hinaus für die Katholiken in weiten Teilen Europas zutreffen. Aber es war gut, dass die Sackgas­sen wie­der einmal markiert wurden, in die sich das katholische Lehramt in Sachen Sexualität und Ehe hineinmanövriert hat.

Das tat auch in besonders eindringlicher Weise ein Memorandum von Bischof Johan Bonny (Ant­werpen). Der hierzulande bislang kaum bekannte belgische Bischof hatte den Mut, unter den Stichworten „Kollegialität“, „Gewissen“ und „Lehre“ vor der ersten Familiensynode die für die Kirche anstehenden Knackpunkte anzusprechen und entsprechende Erwartungen an die Vollver­sammlung zu formulieren. Er wolle, so Bonny, mit seiner Stellungnahme zur notwendigen Offen­heit und Gesprächsbereitschaft aufrufen.

Der synodale Prozess löste diese Erwartungen zum Teil ein, jedenfalls in größerem Umfang als die Vollversammlung der Bischofssynode von 1980, die als erste unter Johannes Paul II. auch schon dem Thema Familie gewidmet war. Erfreulich war diesmal vor allem der Zwischenbericht, den der Erzbischof von Esztergom- Budapest, Kardinal Péter Erdö, bei der Außerordentlichen Vollversammlung im Oktober 2014 nach der Aussprache im Plenum vortrug. Er zeigte im Ge­samtduktus wie in einzelnen Formulierungen eine bemerkenswerte Offenheit für einen sensi­blen und menschenfreundlichen Umgang der Kirche mit den Fragen von Ehe und Familie, nicht zu­letzt im Blick auf die „heißen Eisen“ Homosexualität und wiederverheirate Geschiedene.

Diese Linie setzte sich allerdings bei der Vollversammlung nur begrenzt fort. Schon in den Be­richten der einzelnen Sprachgruppen wurde vielfach moniert, der Zwischenbericht entfalte die kirchliche Lehre und ihre Quellen in Schrift und Tradition nur unzureichend und schenke Pro­blemsituationen zu viel Aufmerksamkeit, anstatt das Ideal der christlichen Ehe und Familie her­auszustellen. Dementsprechend fiel auch der Abschlussbericht der ersten Vollversammlung aus, über den abschnittweise abgestimmt wurde. Die Abstimmungsergebnisse wurden – auch das ein Novum in der Geschichte der Bischofssynode – mit dem Bericht zusammen veröffentlicht.

Auch die zweite Familiensynode brachte in den kritischen Punkten keinen Durchbruch, sondern ruderte im Bemühen um einen Konsens unter den Bischöfen nochmals ein Stück zurück, was vor allem für die Frage einer möglichen Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zur Eu­charistie gilt. Hier griff man zu vagen Formulierungen, und auch die Anfragen aus Theologie und gelebter Erfahrung an die offiziellen kirchlichen Positionen zur Empfängnisverhütung und zur Homosexualität fanden keine Berücksichtigung. Anzuerkennen ist demgegenüber der Grund­ton, auf den der Abschlussbericht gestimmt ist: Es ist das Bemühen erkennbar, die konkrete Wirklich­keit von Ehe und Familie einigermaßen differenziert zur Kenntnis zu nehmen und nicht vor­schnell über im Sinn der kirchlichen Lehre „irreguläre“ Situationen den Stab zu brechen. Inso­fern hat der „Stil Franziskus“ durchaus Wirkungen gezeitigt.

In einer bemerkenswerten Ansprache bei einer Feier zum fünfzigjährigen Jubiläum der Instituti­on Bischofssynode am 17. Oktober 2015 hat der Papst unterstrichen, Synodalität sei der Weg für die ka­tholische Kirche im dritten Jahrtausend und dabei die verschiedenen Ebenen von der Diözese über die Bischofskonferenz bis zur Universalkirche angesprochen. Damit hat Franziskus den Fin­ger in eine der Wunden gelegt, die der katholischen Kirche strukturell zu schaffen machen. Es fehlt an effizienten Formen der Mitberatung und Mitbestimmung; auch durch das Zweite Vatika­nische Konzil hat sich daran nichts Grundlegendes verändert. Es käme jetzt darauf an, die päpstli­che Vision von einer synodaleren Kirche rechtlich umzusetzen.

Eine andere Wunde der katholischen Kirche betrifft ihre Lehre. Im Umfeld der Synode haben sich vor allem Bischöfe und Kardinäle zu Wort gemeldet, die jede Revision der kirchlichen Lehre ablehnen. Es wäre dagegen dringlich, über eine Neujustierung des kirchlichen Lehramts im Blick auf die Theologie einerseits und den „Glaubenssinn“ des Gottesvolkes andererseits nachzuden­ken. Hier haben sich die Gewichte zu sehr zugunsten des Lehramts verschoben. Das gilt nicht zu­letzt im Bereich der Ehe- und Familienmoral, wo eine massive Kluft in der Beurtei­lung von Ho­mosexualität, Empfängnisverhütung und außerehelicher Sexualität zwischen der Mehrheit nicht nur der deutschsprachigen Theologie und dem Lehramt besteht.

Dr. Ulrich Ruh (1950) ist Honorarprofessor an der Universität Freiburg im Breisgau und war 1991 – 2014 Chefredakteur der “Herder Korrespondenz”.  Er studierte  Katholischen Theologie und der Germanistik in Freiburg und Tübingen . Danach war er bis  1979 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Theologischen Fakultät Freiburg (Prof. Karl Lehmann), am Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie. 1979 wurde er  in Freiburg  mit einer Arbeit über Begriff und Problem der Säkularisierung zum Dr. theol. promoviert und trat im gleichen Jahr i die Redaktion der “Herder Korrespondenz” ein, deren Chefredakteur er von 1991 -2014 war. Seit 2015 gehört er der Redaktion von kreuz-und-quer.de an.

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