KARNEVAL UND KIRCHE – GEMEINSAM FEIERN

Martin Holzhausen ist als junger katholischer Büttenredner den Gemeinsamkeiten von Kirche und Karneval im Rheinland auf der Spur.

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Martin Holzhausen

Karneval und Kirche – Gemeinsam feiern

Als Priester und Nonnen verkleidete Jecken findet man zur Karnevalszeit häufig im närrischen Treiben entlang des Rheins von Mainz bis Düsseldorf. Zum Teil sind diese sogar so gut kostümiert, dass man meinen könnte, der Kardinal flaniert persönlich über den Roncalliplatz im Schatten des Kölner Doms. Arm in Arm mit zwei jungen Damen in Kostümen, die wohl der Ordenskleidung zweier Franziskanerinnen ähneln sollen, in dieser speziellen Form jedoch auch in der Dessous-Abteilung von Galaria-Kaufhof zu finden sein könnten.

Neben der historischen Verbindung zwischen Karneval und Kirche, sind es draußen auf den Straßen die Kostüme, die während des Straßenkarnevals an die kirchliche Institutionen erinnern, drinnen in den Sälen sind es Büttenredner und Mundart-Bands, die mit ihren Witzen und Liedern immer wieder den Bezug zur Kirche herstellen.

In Mainz wie in Köln werden der jeweilige Dom besungen. In Düsseldorf hat man keinen, deswegen wird dort vielmehr zitiert, wie der Rheinländer seinen Dialekt erlangt hat. Denn nachdem Gott alle Dialekte verteilt hatte und die Münchener, Schwaben, Pfälzer und Berliner so sprechen wie sie nun einmal sprechen, war der Rheinländer ganz traurig dass er noch keinen Dialekt erhalten hatte, woraufhin Gott meinte: „Na jot Jung, dann sprichst de eben esu wie ich sprechen donn.“

Zugegeben, der Witz ist alt und wurde bereits inflationär häufig in Büttenreden wie Predigten verwendet, aber er spiegelt auch wider, wie sehr sich der Rheinländer während des Karnevals im Mittelpunkt allen göttlichen Wirkens wissen möchte, denn auch Adam und Eva müssen Rheinländer gewesen sein. Wären sie schließlich Chinesen gewesen, hätten sie den Apfel weg geschmissen und stattdessen die Schlange fritiert. Dass es neben den Rheinländern auch noch andere Volksgruppen gibt, die lieber den Apfel als die Schlange verspeist hätten, wird an dieser Stelle gerne außer Acht gelassen.

Während des Karnevals äußert der Rheinländer kein schlechtes Wort über seine geographische und spirituelle Heimat. Und so wurde auch in kirchlichen und kirchennahen Gruppierungen und Einrichtungen der Karneval stets als Gemeinschaft gefeiert. In Seniorenheimen wie in Pfarrgemeinden gibt es Karnevalssitzungen, beteiligt man sich an Umzügen und zelebriert die Sonntagsmesse eben in Mundart, schließlich ist diese für den Rheinländer wie oben beschrieben ein Geschenk Gottes.

In meinem Fall kam die Verbindung zum Karneval vor 18 Jahren durch die Kolpingfamilie in meiner Heimatstadt Bonn. Adolf Kolping – Priester, Publizist und Sozialreformer – gründete 1849 in Köln den ersten Gesellenverein, in dessen Folge ähnliche Vereine im gesamten Rheinland entstanden, die als Rheinischer Gesellenbund den Vorgänger des heutigen Internationalen Kolpingwerks darstellen.

In Bonn organisieren gleich drei Kolpingfamilien oder ihnen zugehörige Gruppierungen Karnevalssitzungen, beteiligen sich an Umzügen oder stellen „Prinz und Bonna“, die beiden Symbolfiguren und höchste Repräsentanten des Bonner Karnevals während der Session.

Oft sind somit die Karnevalsveranstaltungen die öffentlichkeits-wirksamsten Ereignisse im Kalender der Kolpingfamilien. Adolf Kolping schreibt selbst, „in einem gesellschaftlichen Leben darf, (…), die Freude nicht fehlen“. Kolping besteht jedoch auch auf das nötige Niveau und christliche Verantwortung. Übertragen auf den karnevalistischen Alltag heißt dies, Witze dürfen spitz formuliert, jedoch nicht diffamierend sein, für Lieder gilt selbiges. Sich selber und anderen den Spiegel vorhalten ist gute Tradition, in Büttenreden wie in den sonntäglichen Predigten, nur der Rahmen ist ein anderer.

Das Wichtigste bei allem ist jedoch, dass Karneval und Kirche einladend und inkludierend sein sollen. Gemeinsam feiert es sich meistens besser und stimmungsvoller. Die Feier der Christmette wäre nur halb so schön und stimmungsvoll, würde die Kirche halb leer sein, der Chor und die Trompeter fehlen. Und ähnlich verhält es sich mit dem Rosenmontagszug würde es an Zuschauern, Punkwagen und Musikzügen mangeln.

Gemeinsam leben, gemeinsam feiern, gemeinsam das Leben feiern. Das Leben ist vielfältig, im Karneval wie in der Kirche, und so vielfältig dieses ist, so tolerant muss man beidem gegenüber stehen. Alles hat seinen Raum und seine Zeit und seine Schnittmengen. Und so darf man den verkleideten Kardinal auch an Weiberfastnacht im Schatten des Doms flanieren lassen, lässt er doch den ein oder anderen Passanten schmunzeln. Humor relativiert vieles und ist oft die Basis für neue Gemeinschaften und Kirche ist Gemeinschaft.

Martin Holzhausen (1991) ist Student der Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bonn Rhein-Sieg. Nach dem Abitur am Collegium Josephinum Bonn, absolvierte er ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Jugendeinrichtung des Redemptoristen-Ordens in der Republik Irland. Er ist mit den Redemptoristen assoziiert und engagierte sich in der Vergangenheit bei internationalen Veranstaltungen in Irland, der Ukraine sowie Italien. In seiner Freizeit steht er während der Karnevalszeit als Büttenredner auf den Bühnen im Rheinland und kommentiert den Bonner Rosenmontagszug.

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