ACHT BAUSTELLEN EINER GLOBALEN WIRTSCHAFTS- UND FINANZPOLITIK

Stefan Riepe arbeitet im Bundesministerium der Finanzen in Berlin. Er wünscht sich eine stärkere internationale Verständigung über die grundsätzlichen Ziele des globalen Wirtschaftens und mehr Kooperationsbereitschaft der Staaten. Der Artikel gibt seine persönliche Auffassung wieder.

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Stefan Riepe

Acht Baustellen einer globalen Wirtschafts- und Finanzpolitik

aus christlich-orientierter Sicht

Angesichts von Finanz- und Wirtschaftskrisen sind Globalisierung und Marktwirtschaft bei vielen in Verruf geraten. Es wird kritisiert, dass Globalisierung oft einseitig nur als wirtschaftliches Projekt zur Umsatz- und Profisteigerung verstanden wird. Globalisierung muss wieder stärker unter dem Primat der Politik zu einem Bestreben werden, das sich an der Weiterentwicklung der Völkerverständigung und eines gedeihlichen Zusammenlebens der Völker in all seinen Dimensionen festmacht.

Globalisierung ist eine Idee, die gerade deswegen ursprünglich eine so hohe Strahlkraft hatte, weil sie konstatierte, dass die Menschen nicht in verschieden Welten leben, sondern alle in derselben. Gerade auch im Hinblick auf die aufstrebenden Staaten aus anderen Kulturkreisen ist es wichtig, dass wir gemeinsame Vorstellungen darüber entwickeln, wie wir diese eine Welt gestalten wollen und welche Ziele wir letztlich haben. Erst gemeinsame fundierte politische Ziele geben der internationalen Kooperation und der Globalisierung ihren tiefen Sinn.

Die Ausgangslagen der Länder der Welt sind sehr unterschiedlich. Auf der einen Seite die westlichen Industrieländer, denen es wirtschaftlich – trotz Krise – insgesamt gut geht; auf der anderen Seite viele Entwicklungsländer aber auch Schwellenländer, in denen weite Teile der Bevölkerung in Armut leben. Vor diesem Hintergrund sollten wir auf internationaler Ebene die Verringerung der materiellen Ungleichheit in der Welt und die Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen für alle Menschen als das Hauptziel der Globalisierung und der internationalen Zusammenarbeit (re)definieren. Dies muss das tragende Element einer christlich-orientierten nachhaltigen globalen Wirtschaftspolitik sein.

  1. Wir brauchen eine neue kraftvolle und sichtbare globale Initiative zur Initiierung von Aufholprozessen in den armen Ländern. Gerade von dort, wo die reale Verbesserung der Lebensverhältnisse der Menschen am nötigsten ist, können nachhaltige Wachstumsimpulse für die gesamte Weltwirtschaft ausgehen. Die großen wirtschaftlich starken Länder dürfen nicht – über mögliche Bedarfs- bzw. Finanzierungsgrenzen hinaus – mit allen möglichen Tricks nur den kurzfristigen wirtschaftlichen Vorteil für sich (und ggf. auf Kosten der anderen) suchen, sondern sie müssen ein faires Angebot machen, das das Ganze im Blick hat. Zur sinnvollen Integration gehört auch, dass die entwickelten Länder den armen Ländern Zutritt zu ihren Märkten ermöglichen und sie nicht nur als Absatzmärkte oder als Quellen zur Rohstoffversorgung betrachten.
  2. Wir müssen externe Effekte stärker internalisieren und Umweltgüter angemessener bepreisen. Wir müssen uns fragen ob es unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten sinnvoll ist, selbst geringwertige Wirtschaftsgüter mit Schiff und Flugzeug um den halben Globus zu schicken oder ob nicht eine angemessenere Berücksichtigung der dadurch entstehenden Umweltbelastung nötig ist. Dies könnte auch Anreize verstärken, Waren dort zu produzieren, wo sie abgesetzt werden (regionale Wirtschaftskreisläufe).
  3. Wir brauchen auch eine verstärkte internationale Zusammenarbeit im Rohstoffbereich. Die internationale Politik muss zeigen, dass sie sich der Begrenztheit der natürlichen Ressourcen bewusst ist und dass sie in der Lage ist, dieses Problem in einer fairen und für die ganze Menschheit akzeptablen Weise zu lösen. Nur damit kann auch der Spekulation mit Rohstoffen der Boden entzogen werden. Es darf nicht so kommen, dass die gewieftesten bzw. reichsten oder skrupellosesten Länder sich allein die begrenzten Rohstoffe sichern.
  4. Die Globalisierung hat die Gefahr wirtschaftlicher Macht von Unternehmen tendenziell vergrößert. Internationale Konzerne sind hinsichtlich ihrer Gestaltungsmöglichkeiten dem nationalen Gesetzgeber häufig weit voraus. Die Politik sollte auf die Errichtung einer internationalen Wettbewerbsbehörde hinwirken, die dafür Sorge trägt, dass der Wettbewerb nach fairen Prinzipien abläuft und Mindeststandards eingehalten werden (am besten mit Sitz in Zentralafrika).
  5. Aus wissenschaftlichen Kreisen ist darauf hingewiesen worden, dass die Wirtschaftskrisen der letzten Jahre auch etwas mit der Divergenz der Einkommens- und Vermögensentwicklung zu tun haben, die darüber hinaus natürlich vor allem auch unter Gerechtigkeitsaspekten mehr als unbefriedigend ist.
    1. In den USA bringen es die Top Ten in der Einkommensskala auf fast 50% des Volkseinkommens. Diese Einkommenselite gibt auch beim Konsum den Ton an: die reichsten 20% der Amerikaner zeichnen demnach für etwa 60% aller Konsumausgaben verantwortlich und bestimmen damit, was produziert wird und wofür begrenzte Ressourcen letztlich verbraucht werden – und sei es für einen Massagesitz in einem Luxusauto oder den Teakholzboden einer Yacht. Ein vom Luxuskonsum gestützter Aufschwung ist nicht anzustreben.
    2. Mit steigendem Einkommen sinkt der Anteil der Konsumausgaben und die Geldhaltung steigt, teilweise so stark, dass die überschüssige Liquidität – sekundiert von den profithungrigen Gehilfen der Finanzindustrie – durch die Welt vagabundiert mit dem Ziel des kurzfristigen spekulativen Profits. Die Armen werden durch Werbe- und Finanzindustrie in die Verschuldung getrieben.
  6. Auch viele Staaten haben sich zu hoch verschuldet und damit die eigene Wirtschaft künstlich befeuert. Der Verschuldung der Staaten müssen wirksam Grenzen gesetzt werden. Die Bereitstellung öffentlicher Güter muss aber auch zukünftig durch den Staat gewährleistet sein. Es ist daher sicherzustellen, dass jeder nach seiner Leistungsfähigkeit dort, wo er wohnt, zur Allgemeinheit beiträgt und sein „Welteinkommen“ zugrunde gelegt wird.
  7. Im internationalen Rahmen wird für einen fairen Ausgleich der Interessen von Kapital und Arbeit geworben. Arbeit darf durch Steuern und Abgaben nicht stärker belastet werden als Kapital.
  8. Das Finanzsystem muss robuster gemacht werden. So sollte es z.B. keine systemisch relevanten Banken und Finanzinstitute mehr geben. Banken werden erhebliche steuerliche Vorteile sowie Geldschöpfungsprivilegien gewährt, damit sie volkswirtschaftlich wichtige Funktionen, wie die Kreditgewährung, erfüllen können. Sie dürfen sich dieser Aufgaben nicht entledigen, weil anderes lukrativer ist.

Stefan Riepe, geboren 1963, ist Volkswirt und arbeitet im Bundesministerium der Finanzen in Berlin. Der Artikel gibt seine persönliche Auffassung wieder.

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