SOZIALPOLITIK WOHIN ?

Peter Weiss sieht den Sozialstaat auf solidem Fundament und beschreibt die anstehenden Herausforderungen.

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Peter Weiss

Sozialpolitik wohin?

Wenn es etwas gibt, auf das man in Deutschland zu Recht stolz sein kann, dann ist es die Erfindung der Sozialversicherung und die soziale Marktwirtschaft. Erst die Erkenntnis, dass die Absicherung gegen die Risiken des Lebens nur in einer starken Gemeinschaft und im Miteinander der Generationen funktioniert, hat zu unserem heutigen Wohlstand und sozialem Frieden beigetragen.

Die demografischen Veränderungen in der Gesellschaft werden oft negativ dargestellt, sind aber in erster Linie ein Erfolg des Sozialstaates, weil Menschen heute dank guter Absicherung gesund und länger leben. Die demografische Entwicklung, der Wandel der Arbeitswelt und neue Erwerbsformen, die Niedrigzinsphase und jüngere Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt stellen nicht nur den Sozialstaat auf die Probe, sondern erfordern eine stetige Anpassung und Innovationskraft. Die wirtschaftliche Entwicklung und ein gesundes Verhältnis von wirtschaftlich leistungsfähigen Beitragszahlern zu Leistungsempfängern ist für einen funktionierenden Sozialstaat existenziell wichtig und wird von dem Gedanken getragen, dass die starken Schultern die schwachen tragen, aber Gerechtigkeit keine Einbahnstraße ist. Wichtigstes Prinzip einer funktionierenden und ausgleichenden Sozialpolitik ist das Prinzip des Förderns und Forderns und das Miteinander der Generationen.

Die gesetzliche Rente steht heute besser da, als vor einigen Jahren vorausgesagt. Der Beitragssatz ist zuletzt von 19,9 Prozent gesunken und nun mit 18,6 Prozent niedriger als prognostiziert. Die Nachhaltigkeitsrücklage ist mit bald 40 Mrd. € solide finanziert und das Rentenniveau liegt ebenfalls über dem, was vor einigen Jahren vorausberechnet wurde.

Altersarmut ist derzeit kein weit verbreitetes Problem, wird aber in der Bevölkerung als zunehmende Gefahr wahrgenommen. Das muss uns dazu mahnen, diese Ängste ernst zu nehmen und die Ursachen von Altersarmut frühzeitig zu bekämpfen. Längere Phasen der Arbeitslosigkeit, der Pflege von Angehörigen, Teilzeitbeschäftigung und Selbstständigkeit ohne ausreichende Absicherung führen oft zu einem heterogenen Lebenslauf, der sich nachteilig auf das Einkommen im Alter auswirkt.

Wir haben mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz 2018 weitere Verbesserungen geschaffen, die gerade den unteren Einkommensgruppen den Zugang zu einer zusätzlichen betrieblichen Altersvorsorge erleichtert. Ferner haben wir im Jahr 2019 die Mütterrente auch für vor 1992 geborene Kinder weiter verbessert und die Erwerbsminderungsrenten gestärkt.

Wir haben die Arbeitsbedingungen der Menschen im Blick und greifen, wo es nötig ist, ein. Wie dies aktuell in der Paketbranche geschieht.

Bei der Integration von Zuwanderern sind wir auf einem guten Weg. Ich bin überzeugt, dass hier die Zukunft des Sozialstaates gefestigt wird und Deutschland so seinen Platz in der globalisierten Wirtschaft sichern kann. Abschottung würde uns dagegen in eine Sackgasse führen.

Ferner arbeiten wir an der besseren Altersvorsorge von Selbstständigen, denn ein Großteil der aktuell von Altersarmut betroffenen Menschen waren während ihrer Erwerbsphase zumindest zeitweise selbstständig.

Die Rentenversicherung wird auch in Zukunft die starke erste Säule der Alterssicherung darstellen. Daher haben die Unionsparteien mit der SPD im Koalitionsvertrag vereinbart, eine Rentenkommission einzurichten, mit dem Ziel, Beiträge und Rentenniveau in ein langfristiges Gleichgewicht zu bringen. Für die Union ist wichtig, dass wir solche Gespräche mit Sachverstand und nicht mit Schlagworten führen.

Aber auch die anderen Säulen der Alterssicherung wie die betriebliche und private Altersvorsorge haben sich bewährt und werden von uns gefördert. Die Menschen, die trotz lebenslanger Arbeit im Alter von Altersarmut bedroht sind, werden von der geplanten Grundrente profitieren.

Ferner werden wir durch das Angehörigen Entlastungsgesetz ab 2020 die Unterhaltsverpflichtung zwischen Eltern und Kindern auf Menschen beschränken, die mindestens 100.000 € im Jahr verdienen. Damit wird den Angehörigen zumindest die finanzielle Sorge bei Pflegefällen genommen. Dies stärkt und schützt die Familie als Kern jedes Gemeinwesens.

Die soziale Marktwirtschaft hat Deutschland zu dem gemacht, was es heute ist. Wir sind dank kluger Entscheidungen in der Vergangenheit gut gerüstet für die Zukunft. Wenn wir unsere Innovationskraft bewahren und die Veränderungen in der Gesellschaft als Chance begreifen, mache ich mir keine Sorgen um die Zukunft der sozialen Sicherung.

 

Peter Weiss (1956) hat kath. Theologie in Freiburg und Tübingen studiert. Nach einem Zeitungsvolontariat und Redakteurstätigkeit in München war er ab 1985 in Bundeszentrale des Deutschen Caritasverbandes, zuletzt Geschäftsführer der Katholischen Hochschule für Sozialwesen, Religionspädagogik und Pflege in Freiburg. Seit 1998 ist er Mitglied des Deutschen Bundestages. Dort ist er Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

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