Dr. Christoph Braß
Warum fährt man zum Katholikentag? Klar: Zum Beispiel um Freunde zu treffen. Oder um Gottesdienste in großer Gruppe mitzufeiern. Oder weil man wissen wollte, welcher Theologe oder welcher Politiker auf bestimmte Fragen eine kluge Antwort haben könnte. Beim 103. Katholikentag, der am vergangenen Sonntag zu Ende ging, war das nicht anders.
Der Katholikentag fand diesmal in Erfurt statt. Die Stadt hat sich während der vergangenen 25 Jahre mächtig herausgeputzt. Allerdings gibt es nicht viele Katholiken in Thüringen. Das hat verschiedene Gründe: Vor 500 Jahren lebte Martin Luther für eine Weile in Erfurt. Die Reformation ging auch von Erfurt aus. Das gibt der Stadt bis heute ein ganz eigenwilliges Gepräge. Während der DDR-Zeit waren die Christen beider Konfessionen eher unerwünscht. Und jetzt, nach der Wiedervereinigung, haben beide Kirchen ein lange verdrängtes, furchtbares Missbrauchsproblem. Die Gründe in beiden Kirchen mögen zum Teil verschieden sein, aber die Auswirkungen sind mehr oder weniger dieselben. Viele Leute wollen mit diesen Kirchen nichts mehr zu tun haben. Egal ob im Osten oder im Westen. Auch das gehört zum Hintergrund dieses Katholikentags.
In Thüringen wird demnächst der Landtag gewählt. In den Prognosen liegt die AfD immer noch deutlich vorne. Dann folgt, mit deutlichem Abstand, die CDU. Die Linke, die mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt, ist spätestens seit dem Auftauchen des neuen „Bündnis Sahra Wagenknecht“ in eine schwierige Situation geraten. SPD und Grüne spielen keine besondere Rolle.[1] Man könnte es so formulieren: Die „Mitte“ ist in Thüringen inzwischen sehr dünn geworden. Die Linkspartei und vor allem die AfD dominieren das politische Parkett. Kein Wunder, dass die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Dr. Irme Stetter-Karp, es beinahe trotzig so zusammenfasste: „Demokratie und Christsein passen gut zusammen!“ Nur was tut man, wenn die Demokraten nach rechts und links zu den politischen Extremen auswandern?
Bodo Ramelow, der von Haus aus evangelisch ist, war während des Katholikentages öfter im Gottesdienst. Wenn er das Wort ergriff, war er gewandt und dezidiert kirchenoffen. Wie weit das gespielt war oder authentisch, kann man schlecht beurteilen. Am Rande des Katholikentages hielt CDU-Parteivorsitzender Friedrich Merz einen viel beachteten Vortrag, in dem er sich unter anderen mit christdemokratischer Friedenspolitik.[2] Viele sagten anerkennend, dass es die beste Rede sei, die man von ihm in letzter Zeit gehört habe.
Die Veranstaltung stand unter dem etwas sperrigen Leitwort: „Zukunft hat der Mensch des Friedens“. Beim vorletzten Katholikentag im Münster war der Titel ähnlich. Damals hieß es prägnant: „Suche Frieden“. Christenmenschen sollen natürlich immer um Frieden beten und sich dafür mit Wort und Tat einsetzen. Dennoch gilt auch: Wer als Angegriffener ums Leben kommt – zum Beispiel in der Ukraine oder im Gaza-Streifen –, hat keine Zukunft mehr – jedenfalls im Diesseits. Da hilft auch der Psalmist nicht weiter.
Es war eher ein kleiner Katholikentag. Das ZdK geht von etwa 23.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus. Wenn man durch die Stadt ging, hatten man nicht unbedingt der Eindruck, dass sie fest in der Hand von Katholiken war. Gelegentlich hätte man den „Machern“ der rund 500 Veranstaltungen etwas mehr Mut zum Experimentieren gewünscht. Positiv fiel auf, dass die Predigten, pardon: die Ansprachen im Gottesdienst, häufig von einem Priester und einer Frau im Wechsel vorgetragen wurden. Für die Durchdringung der Thematik und unterschiedliche Perspektiven war das gut. Auffällig war, dass weniger junge Leute da waren als bei den vergangenen Katholikentagen. Die Gründe sich wahrscheinlich vielfältig. Vielleicht hat auch das Corona-Virus deutliche Spuren im Freizeitverhalten junger Menschen hinterlassen.
„Donum Vitae“ feierte im Kontext des Katholikentags ihr 25-jähriges Bestehen. Gegründet wurde sie damals, weil engagierte Christinnen und Christen sich nicht damit abgefunden haben, dass die katholische Kirche in ihrer Schwangerschaftsberatung keinen Schein mehr ausstellen durfte. Mit der Folge, dass kaum noch Frauen in Konfliktlagen sich an die katholische Kirche wandten. Es gab damals heftige Kämpfe zwischen der verfassten Kirche, die Rom folgen musste, und der Laienvereinigung „Donum Vitae“, die ebenfalls „pro-Leben“ berät, aber dennoch einen Schein ausstellt. Beim Festakt in Erfurt saß der „Familienbischof“, Erzbischof Dr. Heiner Koch, im Raum. So ändern sich – gottseidank – die Zeiten.
Alles in allem war es ein schöner Katholikentag – trotz gelegentlichen Platzregens. Dennoch sind Fragen zu stellen: Wie kann der Katholikentag auf Dauer überleben, wenn er immer kleiner wird? Kann der Katholikentag neutral sein – spirituell und auch parteipolitisch? Gibt es ein Proprium des Katholikentages?
Der nächste Katholikentag findet vom 13. bis 17. Mai 2026 in Würzburg statt.
1 Wahlprognosen siehe zum Beispiel: https://dawum.de/Thueringen/
2 Näheres siehe: https://www.kas.de/de/veranstaltungsberichte/detail/-/content/zukunft-hat-der-mensch-des-friedens
Dr. Christoph Braß, Jahrgang 1967, ist einer der Redakteure von „kreuz-und-quer.de“ und war längere Zeit Vizepräsident des ZdK. Er war Abteilungsleiter Inland unter Bundespräsident Gauck.