DIE NEUE WELTORDNUNG – TOTALITÄR ?

Michael Brand beschreibt, warum wir die chinesische Herausforderung endlich annehmen müssen und warnt davor, das Kommerz und Profit über die Haltung und die Freiheit siegen.

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Michael Brand
Die neue Weltordnung – totalitär?
Warum wir die chinesische Herausforderung endlich annehmen müssen

Es geht nicht nur um die Uiguren. Es geht auch nicht nur um die Tibeter. Nicht einmal um die Dutzende Millionen unterdrückter Christen alleine geht es. Auch nicht um die Kriegsdrohung gegen Taiwan, die so ernst ist, dass man in den USA schon Szenarien durchgespielt hat, wie eine militärische Aggression notfalls auch mit militärischen Mitteln beantwortet werden muss.

Der angesehene amerikanische Historiker und Totalitarismusforscher Stephen Kotkin, der das inzwischen als Standardwerk anerkannte dreibändige Werk über Stalin geschrieben und auch zu den chinesischen Kommunisten forscht, hat das Missverständnis des Westens über einen möglichen Wandel in China auf einen ebenso banalen wie sehr zentralen Satz zusammengefasst: „Kommunisten glauben an ihre Ideologie, es sind Kommunisten.“ In den nach dem Ende der Sowjetunion erstmals geöffneten Archiven mit ihren bis dahin geheime Niederschriften auch interner Beratungen ist zu erkennen, dass diejenigen, die nach außen als Kommunisten auftraten, es auch im Inneren waren.

Das totalitäre Regime ist nicht zunächst die Fassade für eine Bereicherung der korrupten Führungsschicht. Das ist es auch, aber vor allem ist es im Wesen und bis in den Kern totalitär. Es sind Kommunisten.

Ähnliches und Gleiches gilt für die kommunistische Führung des heutigen China. Es ist die historisch größte totalitäre Herausforderung, die die Welt je erlebt. Der Irrglaube, China werde sich schon entwickeln in Richtung Demokratie und Menschenrechte, wenn nur möglichst viel Handel schlussendlich zum Wandel beigetragen haben würde, wird nun teuer bezahlt.

Nicht nur, dass die chinesische kommunistische Partei die eigene Bevölkerung in einem historisch einzigartigen Ausmaß digital und persönlich überwacht und unterdrückt. Für diese Unterdrückung gibt China weit mehr Geld aus als für den Ausbau seiner militärischen Schlagkraft, bis hin zur Fähigkeit, offensiv einen Krieg führen zu können.

Zusätzlich zu kommunistischen Ideologie kommt ein immer aggressiver auftretender Nationalismus der Mehrheitsbevölkerung der Han-Chinesen, die andere Ethnien in der Volksrepublik für untergeordnet halten, man könnte auch sagen für Menschen zweiter Klasse oder gar Unter-Menschen.

Dass die über 4000 Jahre alte, stets friedliche und auf Ausgleich bedachte Zivilisation der Tibeter ebenso in ihrer Existenz bekämpft und gefährdet wird –  durch massive Ansiedlungsprogramme für Han-Chinesen auf Dauer deren Assimilierung erreicht werden soll, will sagen: kulturell ausgerottet werden soll – droht über die aktuelle Debatte über den nach Kriterien der Vereinten Nationen zum Genozid ausgearteten kulturellen und demographischen Vernichtungsfeldzug gegen die Uiguren und andere Minderheiten in der Provinz Xinjiang aus dem Blick zu geraten.

Ebenfalls aus dem Blick geraten sind über die Brutalität der Niederschlagung der Demokratien Hongkong und die ständigen Kriegsdrohungen gegen Taiwan und die immer aggressivere Ausdehnung des Herrschaftsbereiches unter bewusstem Bruch des internationalen Seerechts im südchinesischen Meer, die massive Christenverfolgung durch das Regime sowie die menschenverachtende Behandlung der Falun Gong bis zur Zwangsentnahme von Organen. Die Berichte über illegalen Organhandel und Entrechtung in den Laogai-Lagern zeigen den Charakter des Regimes.

Kommunisten sind Kommunisten. Der Anspruch auf Herrschaft ist total, und brutal. Es ist eine totalitäre Herrschaft. Während andere Ideologien, auch Religionen, stets von der Würde der Menschen im Sinne der Würde jedes einzelnen Menschen ausgehen, unterscheiden totalitäre Regime zwischen Freund und Feind. Sie machen alle zu Feinden, die sich nicht unterwerfen wollen. Wer nicht an den Kommunismus glaubt, der ist ein Feind. Inzwischen gilt in China auch: Wer nicht an den großen Vorsitzenden Xi Jinping – den „Führer“ wie er sich offiziell nennen lässt – glaubt und ihm, wie einem Kaiser, die Ehre erweist, ist auch ein Feind. Und so wird dann mit ihm oder ihr auch verfahren.

Große Intellektuelle, die von der gleichen chinesischen Kultur tief geprägt in Kunst, Philosophie oder in anderen Bereichen Großartiges geleistet haben, werden von den kleingeistigen Kommunisten verfolgt, unterdrückt, inhaftiert und in den Tod getrieben oder sterben gelassen. Es ist nicht nur das prominente Beispiel des Literaturnobelpreisträgers Liu Xiaobo, den das kommunistische Regime unschuldig inhaftiert hatte und trotz seiner schweren Krebserkrankung nicht ins Ausland ließ, sondern unter schwierigen Bedingungen im Gefängnis sterben ließ.

Das alles, so stellen wir fest, spielt schon viel zu lange für ein kaum mehr widerstandsfähiges, christlich-abendländisches Europa nur am Rande eine Rolle. Wie schon zu anderen Zeiten, so zeichnen sich die Europäer des 21. Jahrhunderts nicht mehr durch Standfestigkeit, aufrechten Gang oder unbeirrbaren Glauben an das Gute, eine verantwortliche transzendente Institution, an Jesus Christus oder andere Leitbilder aus. Sie zeichnen sich aus durch einen immer stärker säkularisierten, immer mehr auf kurzfristige Effekte ausgerichteten und jeder noch so vertretbaren Auseinandersetzung ausweichenden, die Welt immer mehr abschreckenden Opportunismus aus.

Weder in Europa selbst, hier mit Blick auf die totalitäre Herausforderung durch Vladimir Putin, auch durch Erdogan, auch durch autoritäre Nationalisten innerhalb der EU oder in angrenzenden europäischen Ländern, noch im Verhältnis zu der kommenden Supermacht China ist Europa bereit und in der Lage, die enorme Energie und die besondere Qualität der totalitären Herausforderung durch das kommunistische China zu ermessen und darauf zu reagieren.

Statt sich mit den derzeit noch zur Verfügung stehenden überlegenen Kräften und Koalitionen der großen demokratischen Blöcke in Europa, den USA und Asien Nordamerika, Südamerika und Asien sowie teilweise in Afrika und den arabischen Ländern gegen die totale Dominanz des totalitären China erfolgreich zur Wehr zu setzen, proben von Wirtschaftsunternehmen bis hin zu Universitätsprofessoren und Wissenschaftlern zu viele schon zu lange die zu tiefe Verbeugung vor den mutmaßlichen kommenden Herren der Welt.

Diese Europäer passen absolut ins Weltbild der chinesischen Kommunisten. Denn in deren Weltbild, sowohl dem kommunistischen als auch dem nationalistischen, chinesischen, sind wir die unterlegenere Gruppe Menschen. Die Kommunisten in China pflegen ein Weltbild, das chinesische Dominanz in der Welt als der Normalzustand betrachtet.

Von der Aufklärung, von Immanuel Kant, von der christlich-abendländischen Kultur-und Geistesgeschichte, von liberaler Ordnung und Grundrechten der UN-Charta halten diese Kommunisten so gut wie nichts. Von den totalitären Ideologien eines Marx, Engels und vor allem Lenin halten sie viel. Sie glauben daran, so wie wir an Gott glauben.

Wir haben diese Auseinandersetzung schon einmal bestehen müssen, und wir haben sie erfolgreich bestanden. Damals ging es, im sogenannten Kalten Krieg, um die totalitäre Ideologie der Kommunisten in der Sowjetunion.

Der Unterschied: Während die Sowjetunion einen Anteil am Weltmarkt von unter 5 % hatte, ist die Volksrepublik China durch die Globalisierung, durch die Investitionen auch deutscher Unternehmen, durch den Konsum chinesischer Produkte im Westen, zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Erde aufgestiegen. Die Kommunisten wollen die erste Wirtschaftsmacht, und auch Militärmacht werden. Sie wollen, dass wir uns den Druck beugen, dass auch wir den Kotau vor dem Totalitarismus einüben. Viele von uns sind schon dabei, exakt dies zu tun.

Die Aufrechten unter uns, die nicht an Kommunismus, sondern an Gerechtigkeit, vielleicht auch an Nächstenliebe, auch an Gott glauben, stemmen sich gegen diese neue Qualität eines globalen Totalitarismus. Wir nehmen die Herausforderung ernst, und wir nehmen sie an. Ob das sogenannte christliche Europa an dieser Herausforderung wächst oder scheitert, wird davon abhängen, inwieweit der Kommerz und der Profit über die Haltung und die Freiheit siegen.

Michael Brand (1973) ist Sprecher für Menschenrechte der CDU/CSU im Deutschen Bundestag. Wegen seiner kritischen Haltung zu den Menschenrechtsverletzungen in China wurde er vom kommunistischen Regime mit Einreiseverbot belegt. Publiziert hat er u.a. das Buch mit dem Titel „Menschen. Recht.“ Seit 2005 ist er direktgewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Fulda.  

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