Suna Ellen Özdemir fordert den Abbau von Geschlechterstereotypen, um die Rolle von Frauen im Rechtsextremismus zu verstehen.
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Suna Ellen Özdemir
Frauen im rechtsextremen Milieu
Die Herausforderung Realität und Stereotyp zu vereinbaren
Springerstiefel, Bomberjacke und Glatze, so stellt man sie sich vor: Die öffentliche Wahrnehmung von Rechtsextremisten ist von furchteinflößenden Stereotypen geprägt. Prominenteste Vertreter der Nachkriegszeit sind Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, Mitglieder der Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“. Dieses vorgefertigte Bild ist trügerisch und zu kurz gedacht: Weibliche Rechtsextremisten sind die wohl am meisten unterschätzte Personengruppe im rechtsextremen Milieu.
Von ideologischer Übereinstimmung über die Ausübung repräsentativer Aufgaben für entsprechende Gruppierungen bis zu gewaltbereiten „Renees“ kann weiblicher Rechtsextremismus viele Gesichter haben. Das rechtsextreme Milieu ist bunt, besonders für Vertreter einer Ideologie, die Vielfalt überwiegend ablehnt. Das Stereotyp vom kahlen und gewaltbereiten Aggressor offenbart folglich einen blinden Fleck in der Wahrnehmung von Rechtsextremismus. Dieser zeugt von Ignoranz; Ignoranz die man sich im Bezug auf verfassungsfeindliche Ideologien nicht leisten sollte, denn rechtsextreme Ansichten sind etwa gleich verteilt zwischen Männern und Frauen.1 Der Prozess gegen Beate Zschäpe zeigte eindrucksvoll, dass der Fokus der medialen Berichterstattung oft nicht auf Zschäpes politischen Überzeugungen oder ihren Taten lag, sondern auf ihrem Auftreten und dem Beziehungsgefüge zwischen ihr und den beiden Männern der Terrorzelle.
Verkompliziert wird die differenzierte Betrachtung rechtsextremer Frauen, da zwischen rechtsextremen Einstellungen und offener politischer Partizipation ein großer Teil der extremistisch eingestellten weiblichen Hälfte zu verschwinden scheint. Sobald es um die Wahl rechter Parteien oder Gewaltbereitschaft geht, sind rechtsextreme Frauen nur noch mit einem Drittel, beziehungsweise fünf bis zehn Prozent beteiligt. Inaktiv sind rechtsextrem eingestellte Frauen jedoch nicht, sie übernehmen organisatorische Aufgaben und bieten emotionale Unterstützung für Inhaftierte und aktive Gleichgesinnte.
Die von dieser harmlos anmutenden Beschreibung ausgehende Gefahr darf keinesfalls als unbedeutend abgetan werden. So war Beate Zschäpe selbst vermutlich an keinem der Tatorte der NSU-Morde anwesend und doch wurde sie für den Straftatbestand des Mordes verurteilt, da ihre Zuarbeit maßgeblich für die Verbrechen des NSU war. Eine Ideologie zu übernehmen, welche im Kern menschenverachtend und gewaltbejahend ist, scheint mit dem stereotypen Bild der friedfertigen Frau schwer vereinbar. Hierzu kommt, dass die Übernahme einer zutiefst sexistischen Ideologie wenig nachvollziehbar anmutet.
Wie kommt es zu diesem scheinbaren Widerspruch? Ein Erklärungsansatz vertritt die Annahme, Frauen müssten aufgrund gesellschaftlicher Benachteiligungen vermeintlich noch weniger privilegierte Mitglieder der Gesellschaft abwerten, um sich selbst aufzuwerten und Frustration abzubauen. Eben dieses „nach unten treten“ sei ein Ausgleich für die erlebte Abwertung als Frau. Ergänzt wird dieser Ansatz durch die zentrale Annahme, dass rechtsextremen Ansichten eine kulturelle Ignoranz zugrunde liegt, welche die „westliche“ Kultur als einzig normale und richtige bewertet und somit alle Einflüsse, welche von außen zu dieser hinzukommen, als minderwertig und bedrohlich erlebt.
Das Vorurteil, Frauen seien weniger empfänglich für menschenverachtende Ideologien, ist somit nicht haltbar. Frauen sind genauso anfällig wie Männer, ihr Aktivismus ist nur oftmals subtiler, jedoch keinesfalls weniger bedeutend. Um es mit den Worten der Frankfurter Professorin Michaela Köttig zu sagen: „Der moderne Rechtsextremismus ist jedoch ohne das Engagement von Frauen nicht denkbar“.2 Doch wie kann die Gesellschaft mit dieser Problematik umgehen? Rechtsextremismus und Geschlecht sind heikle Themen, ein offener Diskurs ohne defensive Grundeinstellung wird durch diese Bedingungen sicherlich nicht erleichtert. Das Phänomen scheint jedoch durch Vorurteile geprägt zu sein, welche gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen. Insgesamt wird eine nicht gleichberechtigte Sicht auf politische Ansichten von Frauen deutlich, sobald man sich auf dem politischen Spektrum an den äußersten rechten Rand begibt. Die geringere Bereitschaft zu körperlicher Gewalt zu greifen, darf nicht als weiche Version menschenfeindlicher Überzeugungen missverstanden werden und weiblichem Rechtsextremisten ermöglichen, in den Hintergrund der Debatte um Prävention und Deradikalisierung treten.
Diese Verharmlosung der Frauen wird sich in der rechtsextremen Szene zu Nutze gemacht, Frauen als vermeintlich harmlose Gesichter für verfassungsfeindliche Inhalte genutzt. Die gesamtgesellschaftliche Beschäftigung mit rechtsextremen Frauen ist deshalb über die mediale Debatte um Beate Zschäpe hinaus notwendig, besonders da diese teils fahrlässig gefährliche und sexistische Vorurteile weiter verfestigt hat. Die Auseinandersetzung mit geschlechtsspezifischen Stereotypen muss auch in unangenehmen gesellschaftsrelevanten Bereichen stattfinden, die Unterschätzung von Gefahrenpotentialen durch rechtsextreme Frauen kann nur durch die Überwindung der Verklärung und Ausblendung von weiblichem Extremismus korrigiert werden. Die differenzierte und kritische Beschäftigung mit Frauen in radikalen und extremistischen Kreisen ist somit nur die logische und notwendige Fortführung des Abbaus von Geschlechterstereotypen, welcher in so vielen gesellschaftsrelevanten Themenfeldern bereits begonnen wurde.
Suna Ellen Özdemir (1996) studiert seit 2016 Geschichte und Politik und Gesellschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und ist studentische Mitarbeiterin in der Konrad-Adenauer-Stiftung.
1 Birsl, Ursula: Rechtsextremistische Gewalt: Mädchen und junge Frauen als Täterinnen? Wissenschaftliche Erkenntnisse und offene Fragen in geschlechtervergleichender Perspektive. In: Ursula Birsl (Hrsg.), Rechtsextremismus und Gender, Opladen/Farmington Hills 2011, S. 243.
2 Michalela Köttig: Offener Brief des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus zur Berichterstattung über die Rechtsextremistin Beate Zschäpe in: http://frauen-und-rechtsextremismus.de/wp-content/uploads/2018/07/offenerbrief-2011-11-15.pdf, aufgerufen am 20.02.2019.