Ottmar Edenhofer plädiert für stetig steigende CO₂-Preise, einen stetig steigenden Mindestpreis beim Europäischen Emissionshandel eine Reform der Energiesteuern, die derzeit Strom und Gas am stärksten besteuern und Braunkohle am wenigsten.
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Ottmar Edenhofer
Für eine Reform der Energiesteuern
Umweltsteuern bedeuten weitere finanzielle Belastungen für die Verbraucher und werden von der Bevölkerung oft kritisch gesehen. Das ist zunächst nachvollziehbar: Geringverdiener werden von Umweltsteuern tatsächlich stärker belastet. Werden CO2-intensive Produkte stärker besteuert, schlägt sich das auf die Verbraucherpreise nieder. Die sozial Schwächeren geben dann in Deutschland relativ gesehen einen höheren Anteil ihres Einkommens für CO2-intensive Güter aus – obwohl absolut gesehen die Reicheren mehr CO2 konsumieren.
Umgekehrt fließen aber die Einnahmen etwa aus der Mineralölsteuer in den Bundeshaushalt – und nicht sichtbar an die Verbraucher zurück. Hinzu kommt ein Stadt-Land-Gefälle: Wer in Stadtzentren mit gut ausgebautem öffentlichen Nahverkehr lebt, ist nur begrenzt abhängig von klimaschädlichem Individualverkehr – und weniger von steigenden Benzinpreisen betroffen. In Regionen mit guter Transportinfrastruktur steigt zudem der Grundstückswert durch Klimapolitik weiter an. Davon profitieren vor allem die Grundbesitzer.
Schlechte Klimapolitik kann also die soziale Ungleichheit vergrößern. Um diesen negativen Verteilungseffekten zu begegnen, muss Klimapolitik in einen umfassenderen Politikansatz eingebettet werden. Dann kann sie sogar zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen. Vor diesem Hintergrund erwähnt der in Paris beschlossene Weltklimavertrag CO2-Steuern und Emissionsmärkte als Instrumente für die Klimapolitik. CO2-Preise schaffen Anreize, in klimafreundliche Technologien zu investieren und fördern so den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft.
Doch das Paris-Abkommen bleibt bei der möglichen Umsetzung von CO2-Preisen unkonkret. Wie könnte diese nun aussehen? Wenn wir keinen CO₂-Preis bekommen, der auf alle Sektoren wirkt, wird die Politik in die Sektoren mit Grenzwerten und Ordnungsrecht eingreifen müssen. Das ist aufwendig und fördert kaum Innovationen. Man wird damit die Emissionen in einer großen Volkswirtschaft nicht drastisch vermindern können.
Deshalb brauchen wir stetig steigende CO₂-Preise, die über alle Sektoren hinweg wirken. Dazu gehört, dass wir den Europäischen Emissionshandel durch einen stetig steigenden Mindestpreis reformieren. Zudem brauchen wir eine Reform der Energiesteuern, die derzeit Strom und Gas am stärksten besteuern und Braunkohle am wenigsten. Und: Wir werden aus der Kohle aussteigen müssen.
Die Einsicht wächst bereits, dass der Mindestpreis im europäischen Emissionshandel die erneuerbaren Energien fördert, die EEG-Umlage absenkt, die Kohle unrentabel macht und die Emissionen senkt. Viele haben zwar die Befürchtung, dass ein europäischer Mindestpreis die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie massiv beeinträchtigen könnte. Doch energieintensive Industrien, die im globalen Wettbewerb stehen, könnten mit kostenlosen Zertifikaten ausgestattet werden. Zudem wird das Risiko der Wettbewerbsnachteile gesenkt, wenn immer mehr Länder den Preisanstieg koordinieren, um die CO2-Preise schrittweise anzuheben. Die Wirtschaft sieht im Paris-Abkommen bereits die Chancen für eine vertiefte internationale Kooperation.
Damit CO2-Preise auch positive Verteilungseffekte haben und gerecht sind, bieten sich drei alternative Lösungen an: Erstens könnten die öffentlichen Einnahmen durch Klimapolitik für Investitionen in klimafreundliche Transportinfrastruktur verwendet werden. Schwach angebundene Regionen können dann ausgebaut werden. Die dortigen Haushalte hätten kostengünstige Alternativen zum Individualverkehr. Allerdings würde nur ein Teil der Bevölkerung profitieren, da die Infrastruktur nicht überall in gleichem Umfang ausgebaut werden kann.
Zweitens besteht die Möglichkeit einer Jahresauszahlung an alle Bürger. Davon profitiert auch, wer selbst kein Einkommen bezieht. Dafür müssen die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung als Pauschalbeträge mit gleich hohen Summen an jeden Bürger verteilt werden – etwa als Scheck an Weihnachten. Wer wenig CO2 verbraucht, bekommt bei einer Pauschalrückerstattung mehr zurück, als er bezahlt hat. Wer viel verbraucht, zahlt drauf.
Falls Politiker die Bürger durch einen jährlichen Scheck an den Effekten von Klimapolitik direkt teilhaben ließen, wäre die CO2-Bepreisung nicht so abstrakt. Eine Einmalzahlung wäre für die Bürger deutlich sichtbar, Steuerpolitik für jeden nachvollziehbar. Diese Lösung ist leicht zu vermitteln und umzusetzen. Aber sie vergibt die Chance, andere „verzerrende“ Steuern zu senken.
Drittens eröffnet sich die Chance auf eine umfassende und nachhaltige Finanzreform, bei der die Finanzminister einen größeren Handlungsspielraum erhielten. Auch hier könnten besonders Geringverdiener profitieren – allerdings durch höhere Nettolöhne und durch mehr Arbeitsplätze. Dies wird erreicht, wenn die Einnahmen aus CO2-Preisen (etwa aus dem Verkauf von Emissionsrechten) für Steuersenkungen verwendet werden. Wenn die „verzerrenden“ Steuern auf Arbeitseinkommen sinken, wird der Faktor Arbeit für Unternehmen billiger – sie können mehr Leute einstellen. Diese Lösung wäre also dreifach positiv: Sie kommt dem Klima zugute, schafft mehr soziale Gerechtigkeit – und Arbeitsplätze.
Eine nachhaltige Finanzreform würde zu keiner zusätzlichen Belastung führen – sondern würde die Verlagerung der Besteuerung von Arbeit auf CO2 ermöglichen. Würde die Einkommenssteuer progressiv gesenkt, würde die Ungleichheit vermindert – mit positiven Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum. Eine solche Finanzreform böte auch die Chance, die Akzeptanz der Energiewende zu erhöhen: Derzeit belastet diese die unteren Einkommensbezieher überproportional. Das wäre nicht mehr der Fall, wenn die Einnahmen aus einer CO2-Besteuerung über eine Einkommensteuerreform an die Schwächeren verteilt werden würden. Klimapolitik und Energiesteuern würde – auch innenpolitisch – zum Gewinnerthema.
Prof. Ottmar Edenhofer (1961) ist Direktor des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) sowie Chefökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Professor für Ökonomie des Klimawandels an der TU Berlin.