STEUERN MIT STEUERN

Jörg Alt SJ plädiert für demokratiekonforme Märkte und ein gemeinwohlorientiertes Steuersystem.

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Jörg Alt, SJ

Steuern mit Steuern: Kooperation statt Wettbewerb

Tritt man einmal den berühmten Schritt zurück vom Alltagsgeschäft, so drängen sich länderübergreifend „Megaprobleme“ auf: Klimawandel, Ungleichheit, dramatischer Wandel der Arbeitswelt, ansteigende Migration… Zugleich kommt es nach Jahrzehntelangen Siegeszügen in den Ursprungsländern der neoliberalen Globalisierung zu populistischen Vollbremsungen: Im Vereinigte Königreich stimmt man für den Brexit, in den Vereinigten Staaten wählt man Donald Trump zum Präsidenten. Und Deutschland? Die genannten „Megaprobleme“ beschäftigen uns ebenso wie der Anstieg populistischer Parteien. Und nun?

Eine Ursache ist die Ausweitung von „neoliberalen Marktkategorien“ in Bereiche der Gesellschaft, wo sie nichts zu suchen haben (Johannes Paul II. 2001, Paul Kirchhof 2011). Dies betrifft etwa den „Wettbewerb“: Während er im Rahmen der sozialen Marktwirtschaft etwas Gutes ist, führt er ungesteuert zu Fehlentwicklungen wie Machtkonzentration, Ressourcenausbeutung und der Zerstörung von Werten, die seinem (materiellen) Wachstumsideal widersprechen. Auch in Deutschland wurde entsprechend eine „marktkonformen Demokratie“ (Angela Merkel) gefordert, wozu Standortwettbewerb ebenso gehört wie Steuerwettbewerb, letzteres sowohl im Steuerrecht und in der Steuerverwaltung:

Steuerrechtlich etwa mit der Abschaffung der Vermögensteuer, der Senkung direkter bzw. Erhöhung indirekter Steuern, dadurch eine Verlagerung der Steuerlast weg von privaten und betrieblichen Vermögen hin zu niedrigen und mittleren Einkommensbeziehern. In der Steuerverwaltung wächst der Eindruck, dass die geltenden Gesetze eben nicht bei allen gleichmäßig und gerecht angewendet werden. Nur ein Beispiel: Während abhängig Beschäftigte gegenüber der Steuerverwaltung transparent sind, müssten Bezieher hoher Einkommen und Besitzer hoher private und betriebliche Vermögen, die ihre Steuererklärung selbst erstellen, stärker kontrolliert werden: Das Deklarationsprinzip sollte durch das Verifikationsprinzip ergänzt werden (Bundesverfassungsgericht, 1991). Dies geschieht aber nicht: Die Abstände zwischen Kontrollen nehmen zu, die Gründlichkeit der Kontrollen nimmt, angesichts der Arbeitsbelastung in der Steuerverwaltung, ab.

„Steuerwettbewerb“ ist ein Widerspruch in sich: Denn konsequent zu Ende gedacht, gewinnt ihn jener Staat, der auf Einkommen verzichtet und es ist letztlich der Tod des Finanzstaates (Paul Kirchhof, 2011) und das Ende einer Umverteilung, die Härten bei Markteinkommen oder Mängel bei der Chancengleichheit auszugleichen sucht. Und: Jeder Gewinn im Steuerwettbewerb kostet Verluste anderswo, nämlich dort, wo „Steuersubstrat“ abgezogen wird. Das gilt für den Wettbewerb zwischen Kommunen, Bundesländern, OECD Staaten und Staaten der Welt (Steuerparadiese!).

Spätestens die Weltfinanz- und Wirtschaftskrise verfestigte den Eindruck, dass Gewinne privatisiert, Verluste sozialisiert werden und die Gesellschaft dadurch endgültig in permanente Gewinner und Verlierer gespalten wird. Sozialen Milieus schotten sich ab, soziale Mobilität nimmt ebenso ab wie die ausgleichende Wirkung des Sozialsystems: Viele aus dem Mittelstand haben Angst, abzusteigen – nicht zu Unrecht, wenn man an die anrollende Automatisierungswelle von Industrie 4.0 denkt. Und so kommt es zu „postfaktischen Abwehrreaktionen“: Wachsende Teile der Bevölkerung ziehen sich aus der demokratischen Mitgestaltung zurück, andere werden aggressiv gegen Sündenböcke (Fremdenfeindlichkeit), andere lehnen sich in populistischen Parteien dagegen auf, dass „die da oben Politik für die da oben“ machen und nicht für das Gemeinwesen insgesamt.

Höchste Zeit, gegenzusteuern und Märkte wieder demokratiekonform und dem Gemeinwesen dienstbar zu machen, was u.a. durch Besteuerung und zwischenstaatliche Kooperation geschehen kann:

Es ist interessant zu sehen, welchen Stellenwert Institutionen und Autoren, die sich mit der Analyse dieser Entwicklung sowie Alternativszenarien beschäftigen, Steuern einräumen: OECD, IWF, der neue Bericht an den Club of Rome, Paul Mason‘s „PostCapitalism“ oder Christian Felbers „Gemeinwohlökonomie“: Alle befürworten ein Drehen an Steuerschrauben. Und warum? Steuern sind eines der mächtigsten Regulierungsinstrumente, welches Staaten zur Verfügung steht. Hier ist die Kooperationszunahme bei der Bekämpfung von Steuerbetrug und Konzernbesteuerung erfreulich, bei den Superreichen geschieht dies noch nicht, obwohl OECD und IWF auch hierfür seit langem Spezialabteilungen in Steuerverwaltungen fordern.

Am unmittelbar einleuchtendsten ist dies hinsichtlich der Verringerung von Ungleichheit durch eine stärkere Besteuerung von privaten und betrieblichen Vermögen. Eine Vermögensteuer honoriert dabei den Beitrag, den die Gemeinschaft am Ent- und Bestehen von Vermögen hat (Infrastruktur, Arbeitskräfte, soziale Stabilität), die Erbschaftsteuer sichert, dass Inhaber großer Vermögen nicht unverdient vor jenen bevorzugt sind, die nicht in reiche Familien hineingeboren wurden.

Daneben gibt es Steuern, die Auswüchse im Finanzbereich reduzieren (Finanztransaktionssteuer beim Algo-Trade) oder Umweltverschmutzung teuer machen sollen (CO2 Steuern) – hier würden Einnahmen in dem Maße sinken, als die Lenkungswirkung greift. Aber genau dies wäre der Zweck.

Daneben gibt es Vorschläge, Steuerkriminalität zu bekämpfen, geltende Gesetze durchzusetzen, offene und verdeckte Steuersubventionen und –privilegierungen zu beseitigen usw., damit wieder mehr Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit im Steuerrecht gewährleistet wird.

Zusätzliche Einnahmen könnten für die Wiederherstellung sozialer Mobilität, die Reparatur der Infrastruktur und die Bewältigung von Umbrüchen durch Klima- und Arbeitsmarktwandel sowie Migration und Integration verwendet werden.

So könnte glaubhaft und spürbar der Eindruck widerlegt werden, dass „die da oben Politik für die da oben“ machen. Vertrauen könnte wieder wachsen, dass Politik nicht nur von Lobbyisten und Eliten gemacht wird, sondern auf alle Rücksicht nimmt und dass nicht nur ungesteuertes Wachstum, sondern das Wohlergehen aller, das nationale und das globale Gemeinwohl, Politik bestimmt, ohne auf Kosten zukünftiger Generationen zu gehen.

P. Dr. Jörg Alt SJ (1961) Jesuit und Soziologe, arbeitet in der Jesuitenmission Nürnberg zu den Bereichen Migration, Steuergerechtigkeit und Katholische Soziallehre. Sein Beitrag bezieht sich u.a. auf sein im Echter Verlag erschienenes Buch: „Wir verschenken Milliarden – Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt Steuergerechtigkeit und Armut“

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