Seine Analyse der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg fasst Stephan Eisel in zehn Punkten zusammen.
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Stephan Eisel
Zehn Beobachtungen zu den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg
Die Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren (nach den Europawahlen im Mai) der erste politische Test seit der Bundestagswahl. Sie zeichnen ein politisches Stimmungsbild in den neuen Bundesländern, wo bei diesen Wahlen 7,5 Millionen der dort 10,9 Millionen wahlberechtigten Bürger zur Stimmabgabe aufgerufen waren. Das waren freilich nur ca. 12 Prozent der 62,2 Mllionen Bürger, die in ganz Deutschland wahlberechtigt sind. So sehr also die drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg die Stimmung in den neuen Bundesländern wiedergeben, so wenig sind sie repräsentativ für das Bundesgebiet.
In der Zusammenschau der drei Landtagswahlen fällt besonders ins Auge:
1) Unterdurchschnittliche Wahlbeteiligung
In allen drei Ländern nahmen nur etwa die Hälfte der Wahlberechtigten an den Landtagswahlen teil. Dies bestätigt auch 25 Jahre nach dem Fall der Mauer eine bedauerlich unterdurchschnittliche Wahlbeteiligung in den neuen Ländern. Sie liegt um rund zehn Prozent unter der Beteiligung in Westdeutschland. Besonders niedrig war mit 47,9 Prozent die Wahlbeteiligung in Brandenburg, wo erstmals bei Landtagswahlen das Wahlalter bei 16 Jahren lag. Schlechter war die Beteiligung bei Landtagswahlen mit 44,4 Prozent nur 2006 in Sachsen-Anhalt.
2) Nur die CDU in allen drei Ländern über 20 Prozent
Die Ergebnisse der Parteien sind in den drei östlichen Bundesländern sehr landesspezifisch. Dabei hat die CDU das stabilste Niveau. Nur sie erreicht in allen drei Bundesländern mehr als 20 Prozent (Sachsen 39,4 / Thüringen 33,5 / Brandenburg 23,0) und ist auch im überjährigen Ergebnisvergleich recht stabil.
CDU in Sachsen | CDU in Thüringen | CDU in Brandenburg | |
2004 | 41,4 | 43 | 19,4 |
2009 | 40,2 | 31,2 | 19,8 |
2014 | 39,4 | 33,5 | 23 |
3) SPD in Sachsen und Thüringen in der Diaspora
Der Langzeitvergleich zeigt die SPD in Sachsen und Thüringen auf einem dauerhaft deprimierend niedrigen Niveau:
SPD in Sachsen | SPD in Thüringen | |
2004 | 9,8 | 14,5 |
2009 | 10,4 | 18,5 |
2014 | 12,4 | 12,4 |
Mit Bayern hat die SPD damit drei strukturelle Diaspora-Flächenstaaten. Der Einbruch in Thüringen (-5,9) ist die erkennbare Quittung der Wähler für das Lavieren zwischen CDU und Linken in der Koalitionsfrage.
4) Linke stagniert
Die Linke muss in Sachsen und Brandenburg eine kontinuierliche Schwächung hinnehmen. Es gelingt ihr auch in Thüringen nicht, ihre Wählerbasis nennenswert zu verbreitern. In Brandenburg musste sie mit einem Verlust von 8,6 Prozentpunkten einen regelrechten Einbruch hinnehmen. Der Langzeitvergleich zeigt wie sehr die Linke mit ihrer Stammwählerschaft abschmelzend stagniert:
Linke in Sachsen | Linke in Thüringen | Linke in Brandenburg | |
2004 | 23,6 | 26,1 | 28 |
2009 | 20,6 | 27,4 | 27,2 |
2014 | 18,9 | 28,2 | 18,6 |
5) Grüne überleben
Bündnis 90/Grüne haben knapp den Einzug in alle drei Landtage geschafft. Von der Linken und der SPD werden sie wie selbstverständlich als Mehrheitsbeschaffer für rot-rote Koalitionen vereinnahmt. Es wird für die Grünen immer drängender sich grundsätzlich zu entscheiden, ob sie in der Linken oder der CDU einen strukturellen Koalitionspartner sehen.
6) FDP nur noch in sechs Landtagen
Die FDP ist nach den Niederlagen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen nur noch in sechs Landtagen vertreten (Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, NRW und Schleswig-Holstein) und an keiner Regierung mehr beteiligt. Auch diese letzten Rettungsinseln kann sie vor der nächsten Bundestagswahl noch verlieren.
7) AfD im Schlaglicht
So wie die Piraten 2011/12 bei vier schnell aufeinander folgenden Landtagswahlen erfolgreich waren, so hat jetzt die AfD vom Wahlkalender profitiert: Mit der Europawahl ins Medienlicht getreten, hat sie den Einzug in drei Landesparlamente geschafft. Dabei dominiert der Protestcharakter ihrer Wählerschaft. Alle Parteien verlieren Stimmen an die AfD, bemerkenswerterweise insbesondere die Linke. Es ist kein Zufall, dass führende AfD-Vertreter in Sachsen, Thüringen und insbesondere Brandenburg die Gemeinsamkeit mit der Linken betonen und sich in Putin-Freundlichkeit übertreffen. Für die CDU kann und darf die AfD wegen ihrer politischen Ausrichtung kein Partner sein, mit ihrem billigen Populismus muss man sich argumentativ auseinandersetzen.
8) NPD im Aus
Besonders erfreulich ist, dass Rechtsextremisten eine klare Absage der Wähler erhalten haben. In Sachsen – wo sie 2004 besorgniserregende 9,2 Prozent und 2009 immer noch 5,6 Prozent erhalten hatte – scheiterte die NPD mit 4,9 Prozent an der Fünf-Prozent-Klausel. Auch in Thüringen und Brandenburg (wo die DVU 2004 mit 6,1 Prozent erfolgreich war) verloren die Rechtsextremisten Stimmen. Damit sind sie nur noch im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vertreten.
9) „Große“ Koalitionen als kleine Dauerlösung
Die durch Protestparteien wie Piraten und AfD forcierte Zerklüftung der Parteienlandschaft, führt immer häufiger zu „großen“ Koalitionen, die aber tatsächlich kleine Lösungen sind. CDU und SPD kommen in Sachsen gemeinsam auf 51,8 Prozent, in Thüringen auf 45,9 Prozent und in Brandenburg auf 54,9 Prozent.
10) 2015 als (fast) wahlfreie Gestaltungszeit
2015 finden Landtagswahlen nur in Hamburg (15. Februar) und Bremen (10. Mai) statt. Diese praktisch wahlfreie Zeit sollte die Union im Bund beherzt zur politischen Gestaltung nutzen. 2016 beginnt mit den Wahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern das Bundestagswahljahr 2017. Diese Legislaturperiode geht schneller vorbei als viele denken.