Donate Kluxen-Pyta fordert aus Sicht der Wirtschaft von der Schule eine anschlussfähige Grundbildung und Ausbildungsreife am Ende der Schulzeit.
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Donate Kluxen-Pyta
Standortfaktor Schule
Kritisch ist oft von einer Ökonomisierung des Bildungssystems die Rede. Es werde nur noch nach Funktionalität und messbarem Outcome von Bildung gefragt, nicht nach humanistischer Bildung der Persönlichkeit. Das Bedienen eines Fahrkartenautomaten gelte als Bildung, statt des klassischen Kanons gehe es um inhaltsleere „Kompetenzen“. Mit Ganztagsschulen sollten die Mütter als Arbeitskräfte den Betrieben zur Verfügung stehen; mit einem Fach „Wirtschaft“ wollten Unternehmen in die Schule eindringen und die reibungslose Anpassung junger Menschen in den Betrieb vorbereiten. Die Nutzbarmachung des Schulwesens für die Wirtschaft kritisieren dabei politisch Konservative wie Linke: Konservative wenden sich gegen die Orientierung an Kompetenzen und gegen Ganztagsschulen, Linke befürworten Kompetenzen, lehnen aber die Orientierung an überprüfbaren Leistungen ab. PISA ist beiden Richtungen ein Dorn im Auge. Konservative wollen zudem mehr Persönlichkeitsbildung, Linke die Vermittlung von Einstellungen und Haltungen.
Was erwartet die Wirtschaft vom Bildungssystem? Gibt es eine Nutzbarmachung der Schulen im Dienste der Unternehmen? Wie steht es mit Kompetenzen versus Kanon, Persönlichkeitsbildung, Leistung und Lernen, Wirtschaft in der Schule?
Die Wirtschaft stellt keine exklusiven Forderungen an die Schule, die von außen – und damit wesensfremd – an sie herangetragen würden, sondern sie fordert ein, dass Schulabgänger über eine anschlussfähige Grundbildung auf einem bestimmten Niveau verfügen. Die Kompetenzen, die in der Wirtschaft benötigt werden, sind keine Spezialitäten oder Sonderanforderungen, sondern braucht jeder und jede für die Bewältigung des eigenen Lebens – im Arbeitsleben wie im gesellschaftlichen, privaten und familiären Leben. Die Wirtschaft erwartet vom Bildungssystem vor allem und zuerst, dass es seinen Auftrag erfüllt. „Besonders“ ist nur die Vehemenz, mit der Wirtschaft dies anmahnt – weil sie es ist, die das Gros der jungen Menschen nach der Schule aufnimmt und auf dem aufbauen muss, was dort grundgelegt wird. So sollten Jugendliche am Ende der Pflichtschulzeit ausbildungsreif sein. Dies ist aber nicht der Fall, wenn 20 % nach immerhin 9 Jahren Schulzeit nur auf dem Niveau der dritten Klasse lesen, schreiben und rechnen können.
Studien wie PISA müssen sein, um deutlich zu machen, wie der Leistungsstand unserer 15-Jährigen tatsächlich aussieht, gerade auch im Vergleich mit anderen Industrienationen. Zu lange hat sich das deutsche Bildungswesen für besser gehalten, als es war. Ohne Untersuchungen durch Dritte kommt die Wahrheit nicht ans Licht. Leider fehlt in unseren Schulen zu oft ein Verständnis von Professionalität, zu dem auch die Rechenschaftslegung und der Umgang mit Kritik gehören – nicht mit billiger Lehrerschelte und Schul-Bashing natürlich, sondern mit konstruktiver Kritik aus der empirischen Bildungsforschung und damit dem Schritt zur Qualitätsverbesserung. So untersuchen die Tests VERA 3 und 8 das Wissen und Können in Klasse 3 und 8, damit vor dem Ende der Grundschule bzw. der Pflichtschulzeit noch ausreichend Zeit für die Lehrkräfte besteht, bei den Kindern bzw. Jugendlichen gezielt nachzubessern und sie auf den erforderlichen Stand zu bringen. Dies ist eine Chance für die Kinder und Jugendlichen und eine Hilfestellung für die pädagogische Arbeit mit ihnen – und wird trotzdem nicht so gesehen und wahrgenommen… Auf die Orientierung an einem messbaren Outcome kann nicht verzichtet werden, wenn Verbesserungen erreicht werden sollen. Kompetenz steht dabei für Anwendbarkeit des Gelernten statt „totem“ Wissen, das schnell zu Nicht-Wissen wird.
Wie sieht es mit der Persönlichkeitsbildung und Werteerziehung aus? Selbstverständlich sind dies Bildungsziele, die auch die Wirtschaft als Auftrag der Schule bejaht und sogar verlangt. Modernes Wirtschaften braucht doch gerade Persönlichkeiten mit Ideen, gerade auch jenseits des Üblichen. Bei Einstellungsentscheidungen in den Betrieben ist die Persönlichkeit des Bewerbers oft ausschlaggebender als die Zeugnisnote. Der Wirtschaftsstandort Deutschland lebt von seiner Innovationsfähigkeit – Kreativität, Offenheit, Alternativen sind gefragt. Nur ein eigenständiges kritisches Urteil bringt die Entwicklung voran. Bei einfachen Tätigkeiten und Dienstleistungen sind personale und soziale Kompetenzen gefragt: Tugenden wie Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit, Höflichkeit, aber auch Empathie, Kommunikations- und Kritikfähigkeit werden so gut wie überall gebraucht. Auch dies sind wiederum Verhaltensweisen, die nicht exklusiv für die Wirtschaft, sondern für ein gelingendes Leben insgesamt benötigt werden.
Der Ausbau der Ganztagsschulen dient der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und hilft, das Arbeitspotenzial der Frauen besser auszuschöpfen – sicherlich. Dass Frauen ebenso selbstverständlich arbeiten wollen wie Männer, ist in konservativen Kreisen noch nicht ganz angekommen. Ganztagsschulen haben aber auch bildungspolitische Bedeutung: Die Begleitforschung zeigt, dass Kinder aus einfachen Elternhäusern in Ganztagsschulen in der Tat besser abschneiden, wenn die Angebote qualitativ gut sind und die Kinder sie regelmäßig wahrnehmen.
Ein Fach Wirtschaft? Zu einem modernen Verständnis von Allgemeinbildung muss heute auch eine ökonomische Grundbildung gehören. Jeder junge Mensch hat mit Wirtschaft zu tun – als zukünftiger Erwerbstätiger, als Kunde und Verbraucher und als Staats- und Wirtschaftsbürger. Urteilsvermögen und Orientierungswissen über die Wirtschaft und ihre Funktionsweisen und das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft sind ebenso gefragt wie über globale Zusammenhänge und die neue digitale Welt. Nur mit einem eigenen Fach gibt es aber ein systematisches Curriculum anstelle des bisherigen Häppchenwissens am Rande anderer Fächer. Das Ziel ist nicht „Anpassung“, sondern Verstehen und eigenständiges Handeln in einem Bereich, der für unsere Gesellschaft wie für uns alle selbst zentral und prägend ist.
Dr. Donate Kluxen-Pyta (1959) ist stellvertretende Leiterin der Bildungsabteilung bei der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Mit Schule und Schulpolitik hat sie auch privat zu tun als Mutter von sechs Kindern sowie ehrenamtlich als Vorsitzende des Landesfachausschusses Kultus, Jugend und Sport der CDU Baden-Württemberg.