Ulrich Schröder fordert von Führungskräften gerade im Bankenwesen ein festes Wertefundament eine Kultur der Verantwortung.
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Ulrich Schröder
Eine Kultur der Verantwortung
Die Auswirkungen der spätestens seit 2008 bestehenden (Finanz-)Krise sind nach wie vor zu spüren. Angesichts der Komplexität der globalen finanz-, real- und haushaltswirtschaftlichen Verflechtungen ist es – trotz vieler Versuche – letztlich nicht gelungen, die Hintergründe der Entstehung der „schwersten Krise seit 1945“ in Gänze zu erklären. Richtig ist, dass es ein komplexes Zusammenspiel aus regulatorischen, haushaltspolitischen, institutionellen und individuellen Versäumnissen war, das zum Kollaps geführt hat. Sicher ist auch, dass einem Grundprinzip unserer freiheitlich-demokratischen Ordnung – dem Prinzip der Verantwortung – nicht ausreichend Rechnung getragen wurde.
Bereits an anderer Stelle habe ich auf die regulatorische Dimension von Verantwortung in Zusammenhang mit Banken hingewiesen, d.h. die Möglichkeit durch Eingriffe von außen verantwortliches handeln zu fördern.1 Noch wichtiger erscheint mir indes die Frage, wie eine Kultur der Verantwortung innerhalb von Institutionen bzw. Unternehmen von innen heraus entstehen kann. Denn nur durch eine intrinsische Kultur der Verantwortung wird es auf Dauer möglich sein, Menschen zu ermöglichen, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden und sich mit ihrer Arbeit zu identifizieren. Diese sind die Treiber für eine Kultur der Verantwortung die Räume schafft für Kreativität und Fortschritt. Die Frage lautet also: wie kann es gelingen, dass sich Menschen innerhalb eines Systems verantwortlich fühlen?
Eine ganz wesentliche Rolle spielen hierbei die Führungskräfte – und zwar auf jeder Ebene. Das viel bemühte Zitat „Der Fisch stinkt vom Kopfe her“ hat an Aktualität nicht verloren und illustriert die enorme Bedeutung denen Führungskräften für das Innenleben einer Organisation zukommt. „Zu führen“ ist ein komplexer Vorgang, der leider zu häufig in der Auswahl von Führungskräften nur eine untergeordnete Rolle spielt. Schlechte verantwortungslose Führung kann zu einer desaströsen, d.h. egoistischen und auf Misstrauen basierenden Unternehmenskultur führen, während verantwortungsvolle Führung ungeahnte Kräfte freisetzen und eine Kultur der Verantwortung fördern kann.
Die Diskussion, welche Eigenschaften eine gute Führungskraft ausmachen, ist nicht neu. Nicht selten ist dabei ein großer Strauß unterschiedlicher und sich teils entgegenstehender Persönlichkeitsmerkmale beschrieben worden. Fraglich ist indes, wie hilfreich die Beschreibung solcher Idealpersönlichkeiten unter Berücksichtigung der sozialen Wirklichkeit ist.
Meine persönliche Erfahrung als Führungskraft zumindest hat gezeigt, dass – ungeachtet der Komplexität dieser Frage und unabhängig von der zweifelsohne notwendigen fachlichen Kompetenz – die Erfüllung von zwei, meines Erachtens wesentlichen Eigenschaften, ein gutes Fundament sein können, um seiner Rolle als Führungskraft gerecht zu werden. Es sind diese eines festen Wertefundamentes, das insbesondere Respekt und Wertschätzung zu seinen ureigensten Handlungsmotiven zählt, und einer hohen Bereitschaft und Fähigkeiten seine Handlungen und Entscheidungen immer wieder durch beratende Gespräche und vor dem Hintergrund sich verändernder Umstände zu hinterfragen; also auch sich selbst in Frage zu stellen.
Liegen diese beiden Eigenschaften vor, ist der Nährboden für eine Kultur der Verantwortung innerhalb eines Unternehmens gesät. Dabei ist unerheblich woraus der Einzelne diese Werte bezieht. Fundament können gleichermaßen philosophische Konzepte wie etwa der kritische Rationalismus und / oder religiöse Überzeugungen, wie etwa die katholischen Soziallehre, sein. Wichtig erscheint mir allerdings, dass sich der Einzelne diese Werte wirklich zu Eigen gemacht hat und sie Teil seiner Persönlichkeit geworden sind. Nur so können sie tagtäglich in Handlungen und Gesprächen mit Mitarbeitern gelebt werden und positive Ansteckungseffekte verursachen.
Die positive Wirkung von Respekt und Wertschätzung bzw. die Fähigkeit zur Reflexion lässt sich anhand eines Konzeptes, welches ich mir bereits früh in meinem Leben als Führungskraft zu einem Grundprinzip gemacht habe, beschreiben: „Führen durch (kritisches) Fragen.“ Durch Fragen erfahren Mitarbeiter ein hohes Maß an Wertschätzung und Respekt. Der Mitarbeiter erkennt, dass auf seine Meinung Wert gelegt wird. Gleichzeitig wird er durch (kritisches) Hinterfragen aufgefordert, sich einzubringen, selbstständig Lösungen zu entwickeln und dafür Verantwortung zu übernehmen Schließlich signalisiert die Führungskraft durch Fragen die Bereitschaft zur Reflexion. Der Gefragte erkennt, dass die Führungskraft bereits ist, auch sich selbst zu hinterfragen und das Gespräch nicht durch einen apodiktischen Wahrheitsanspruch zu präjudizieren. Solche Gespräche können und sollten im Idealfall auch kontrovers geführt werden, denn nur durch kontroverse Diskussionen vermittele ich meinem Gegenüber, dass er die Freiheit hat, selbstständig zu denken und am Ende eigene Entscheidungen zu vertreten.
Es ist meine Überzeugung, dass die beiden beschriebenen Eigenschaften Keim und Kern für eine verantwortungsvolle Unternehmenskultur sein können, sofern sie beharrlich und vor allem authentisch vorgelebt werden. Daneben können weitere Aspekte eine Kultur der Verantwortung fördern; idealerweise sind sie immanenter Bestandteil einer Institution. So erlebe ich es bei der KfW. Eine Befragung unserer Mitarbeiter hat ergeben, dass die ganz überwiegende Zahl der Menschen, die für und mit uns arbeitet, ein hohes Maß an Identifikation mit ihrer Tätigkeit aufweist. Dies ist in dieser Form sicher ein Alleinstellungsmerkmal der KfW, da es der Anspruch der Mitarbeiter der KfW ist, durch ihre Arbeit einen positiven Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Die Qualität der Arbeit wird nicht maßgeblich daran gemessen, wie viel Gewinn wir generieren, sondern vielmehr daran, welche positiven Effekte die KfW durch ihre Förderaktivitäten für die Gesellschaft als Ganzes leisten kann. Aber auch die zu Beginn beschriebene Wertschätzung und der Respekt haben einen hohen Stellenwert in unserem Hause. Die ganz überwiegende Zahl der Kolleginnen und Kollegen empfindet das unmittelbare Miteinander als äußerst positiv. Ein ideales Fundament für eine Kultur der Verantwortung.
Dr. Ulrich Schröder (1952) ist seit 2008 Vorstandsvorsitzender der KfW Bankengruppe. Darüber hinaus ist er im Aufsichtsrat der DEG, der Deutschen Post, sowie der Deutschen Telekom und er gehört den Beiräten der Fraport AG und der HSBC Trinkaus & Burkhardt AG an. Seine berufliche Entwicklung begann im Jahre 1983 als Vorstandsassistent bei der West LB. Er war in Folge im Firmenkundengeschäft im Inland sowie in London und Paris tätig. 2002 wechselte er in den Vorstand der neu gegründeten NRW.BANK, bei der er im Jahr 2006 den Vorstandsvorsitz übernahm.
1 „Verantwortliches Handeln muss belohnt werden“, Magazin Palais Biron, Baden-Badener Unternehmergespräche, Nr. 16.