Norbert Arnold sieht als Molekularbiologe im reproduktive Klonen von Menschen keine „menschendienliche Perspektive“ und plädiert für ein völkerrechtliches Verbot.
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Norbert Arnold
Klonen mit menschlichen Zellen:
Wo ist die „menschendienliche Perspektive“?
Die Nachricht, dass es einer amerikanischen Forschergruppe gelungen sei, menschliche Zellen zu klonen und auf diesem Wege embryonale Stammzellen zu gewinnen, führte weltweit zu einer heftigen Kontroverse. In seltener Einmütigkeit wurden diese Versuche kritisiert – nicht nur von Ethikern, Juristen, der Kirche und von im Lebensschutz Engagierten, sondern auch von Seiten der Biowissenschaften. Die Ablehnung gilt nicht nur dem sog. „reproduktiven Klonen“, bei dem die Erzeugung eines Individuums das Ziel ist, sondern auch dem sog. „Forschungsklonen“ bzw. „therapeutischen Klonen“, bei dem es um die Gewinnung von Zellmaterial für Forschungszwecke geht.
Die deutschen Bischöfe formulierten bereits 2001 in ihrem Memorandum „Der Mensch: sein eigener Schöpfer? Zu Fragen der Gentechnik und Biomedizin“ den zentralen ethischen Appell an die Biowissenschaftler, nämlich „die menschendienliche Perspektive nicht aus den Augen zu verlieren. Diese kluge Mahnung der Bischöfe fordert für den modernen biomedizinischen Bereich eine tiefe Reflexion an, die nicht bei wissenschaftsimmanenten Kriterien oder beim Nützlichkeitsdenken stehen bleiben darf, sondern in erster Linie den ganzen Menschen in den Blick nehmen muss. Das Heil des Menschen ist mehr als nur mögliche Heilung von Krankheit; Wissbegierde und das Streben nach Erkenntnis ist wohl ein zentrales Element des Menschseins, es erschöpft sich aber nicht im „Verfügungswissen“, sondern schließt auch das „Orientierungswissen“ und die dadurch gesetzten Grenzen mit ein. In der Verantwortung der Wissenschaft liegt daher nicht nur der Erkenntnisgewinn nach den geltenden wissenschaftstheoretischen Standards, sondern schließt auch das Überdenken seiner Folgen mit ein. Überwiegen die Risiken – gibt es Differenzen zur „menschendienlichen Perspektive“ – dürfen riskante Forschungswege nicht weiterverfolgt werden, erst recht nicht ihre möglichen Anwendungen.
Freilich fällt die Abschätzung der Chancen und Risiken nicht immer leicht. Das Klonen mit menschlichen Zellen ist insofern sicherlich eine Ausnahme. In den meisten anderen Fällen ist die Abwägung von Chancen und Risiken sehr viel schwieriger. Man könnte auf die Idee kommen, die biowissenschaftliche Forschung am Menschen und ihre Anwendungsmöglichkeiten – als „Risikotechnologien“ oder als „Teufelswerk“ – generell zu verbieten. Wäre dies nicht eine gute Möglichkeit, eine klare Linie zu ziehen zugunsten der Menschenwürde und des Lebensschutzes? Könnte so nicht die „menschendienliche Perspektive“ ein für alle Mal gesichert werden? So leicht ist es leider nicht! Ein generelles Verbot der modernen biomedizinischen Forschung ist kein gangbarer Lösungsweg! Vieles spricht dagegen. Wenn etwas Gutes nicht getan wird, so ist es auch ethisch verwerflich. Indem Forschung, die für den Menschen nützlich sein würde, aufgrund vordergründiger und nicht substanzieller Argumente verhindert wird, fügt man Menschen Schaden – durch Unterlassung – zu.
Besonders im biomedizinischen Bereich hätte dies schwerwiegende Folgen, da unter Umständen die Gesundheit und das Leben von Menschen – durch Unterlassung – gefährdet würden. Gesundheit als wichtiger Fundamentalwert ist Orientierungspunkt für die biomedizinische Forschung. Heilung und Leidminderung sind ethisch hohe Ziele. Obwohl in der biomedizinischen Forschung mit „Heilungsversprechen“ in der Vergangenheit oft leichtfertig umgegangen wurde, bleibt der Kern des Arguments richtig: Ein generelles Verbot der biomedizinischen Forschung ist ethisch nicht zu rechtfertigen, weil damit mögliche Chancen, die der „menschendienlichen Perspektive“ entsprechen, vertan würden. Verfassungsrechtlich wäre es ein Verstoß gegen Art. 1 (Menschenwürde), Art. 2 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) in Verbindung mit der Fürsorgepflicht des Staates sowie Art. 5 (Freiheit von Wissenschaft und Forschung). Es bleibt also nur der Weg, im Einzelfall über die ethisch-rechtliche Zulässigkeit biomedizinischer Forschung zu entscheiden. Dieser Aufgabe müssen wir uns stellen. Ihr müssen wir gewachsen sein.
Das Forschungsklonen mit menschlichen Zellen ist in Deutschland verboten. Neben den verfassungsrechtlichen Vorgaben verbieten das Embryonenschutzgesetz das Klonen von Menschen und das Stammzellgesetz die Einfuhr und die Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen, die durch Forschungsklonen im Ausland hergestellt werden. Allerdings ist die Definition des Embryos in § 8 des Embryonenschutzgesetzes nicht umfassend genug, so dass rechtliche Schlupflöcher entstehen könnten. Daher ist eine Novellierung angebracht, um das Forschungsklonen mit menschlichen Zellen eindeutig und unzweifelhaft zu festigen.
Eine vordringliche internationale Aufgabe ist es, das reproduktive Klonen von Menschen völkerrechtlich verbindlich zu verbieten. Denn durch die aktuell gelungenen Versuche zum Forschungsklonen steht nun auch die Technik zum reproduktiven Klonen weitgehend zur Verfügung.
In den Medien verliert das Thema „Forschungsklonen mit menschlichen Zellen“ schon nach kurzer Zeit wieder an Bedeutung. Sucht man im Internet nach dem Stichwort „Klonen“, erhält man nun vor allem Nachrichten zum Fund eines eiszeitlichen Mammuts und zur Idee, es mit Hilfe des Klonens zurück zu züchten. Im Vergleich mit der Brisanz des Forschungsklonens am Menschen ein nebensächliches Kuriosum! Man sollte sich davon nicht ablenken lassen. Die nächste Bioethikdebatte kommt bestimmt. Dafür müssen wir vorbereitet sein: Wie sind die biomedizinischen Sachverhalte zu bewerten? Welche ethisch-rechtlichen Argumente sind stichhaltig? Was ist die „menschendienliche Perspektive“?
In säkularen, pluralen und wissenschaftsorientierten modernen Gesellschaften fällt es immer schwerer, einen Konsens zu diesen Fragen zu finden. Christen können in besonderer Weise zur Meinungsbildung über die „menschendienliche Perspektive“ beitragen.
Dr. Norbert Arnold (1958) studierte Biologie und Philosophie, war als Molekularbiologe in Gießen und Zürich tätig und leitet derzeit das Team Gesellschaftspolitik, HA Politik und Beratung, der Konrad-Adenauer-Stiftung. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Bioethik und Forschungspolitik.