Norbert Trippen erinnert an die Diskussion um die Rolle der Bischofskonferenzen beim II. Vatikanischen Konzil und analysiert die Entwicklung seitdem.
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Norbert Trippen
Konzil – Selbständigkeit der Ortskirchen – Rolle der Bischofskonferenzen
Als Papst Johannes XXIII. 1959 ein Ökumenisches Konzil ankündigte und den Weltepiskopat um Vorschläge für dessen Gegenstände bat, war allen Beteiligten klar, dass nach der Definition von Primat und Unfehlbarkeit des Papstes durch das I. Vatikanische Konzil 1870 ein neues Konzil die Stellung der Bischöfe in der Kirche zu umschreiben hätte. Schon in der Vorkonzilszeit begann die Diskussion über das Verhältnis der Ortskirchen zur Weltkirche, über die Kollegialität der Bischöfe, ihre Kompetenzen in der Diözese, aber auch in Gemeinschaft mit dem Papst in der Leitung der Weltkirche und in Ausübung des Lehramtes.
Nach 1870 hatte sich der Zentralismus der römischen Kurie extrem entwickelt. Die Bischöfe sollten durch die alle fünf Jahre fälligen Ad-Limina-Besuche in Rom mit dem Papst und – vor allem mit seinen Behörden – Kontakt halten. Bei dieser Gelegenheit erhielten sie jeweils für fünf Jahre die Vollmacht, im Namen des Papstes Entscheidungen, vor allem in Dispensangelegenheiten, zu treffen, die eigentlich in ihre eigene Kompetenz als Bischöfe fielen (»Quinquennalfakultäten«). Die in Europa nach den Revolutionen des 19. Jahrhunderts entstandenen Bischofskonferenzen zur Absprache des Umgangs mit den Staaten waren in Rom suspekt, standen im Verdacht nationalkirchlicher Tendenzen. Auch Einzelkontakte von Bischöfen untereinander an Rom vorbei waren unerwünscht. Als die Erzdiözesen Köln und Tokyo 1954 die weltweit erste Partnerschaft zwischen zwei Bistümern begründen wollten, bedurfte es einer besonderen Genehmigung Pius’ XII.
In der Kurie hatte man geplant, dass das II. Vatikanische Konzil wie die römische Diözesansynode 1960 ablaufen werde: Innerhalb weniger Wochen würden die von römischen Theologen auf der Basis jüngster Kurial-entscheidungen und päpstlicher Gelegenheitsansprachen erarbeiteten »Schemata« verlesen und nach der einen oder anderen Rückfrage aus der Aula vom Episkopat verabschiedet. Dass der Weltepiskopat und internationale Theologen mehrere Jahre in Rom miteinander umgingen und sich ohne Kontrollmöglichkeit seitens der Kurie austauschen und koalieren konnten, war in den Augen dieser Kurienkreise bereits ein »Unfall«.
Über die Rechtsstellung der Bischöfe in der Kirche wurde in verschiedenen Zusammenhängen in der Konzilsaula diskutiert, vor allem im November 1963, als es um eine Dekret des Konzils über die Bischöfe ging. Eines der intensiv besprochenen Themen war die Institutionalisierung der Bischofskonferenzen in den Ländern und Regionen als Zwischeninstanz zwischen Papst und Einzelbischöfen zur Regelung mancher Fragen, die für alle Erdteile nicht gut zentral in Rom entschieden werden konnten.
Es überrascht, dass der Kölner Kardinal Frings – in diesem Falle gedrängt von seinem Generalvikar Josef Teusch – am 13. November 1963 in der Konzilsaula vehement gegen die Institutionalisierung der Bischofskonferenzen und vor allem gegen die Errichtung eines Sekretariates der Bischofskonferenz Stellung nahm. Frings führte aus: »Wir haben in Deutschland hinsichtlich nationaler Konferenzen eine Erfahrung von mehr als hundert Jahren. Die erste Konferenz fand 1848 statt. Erst nach zwanzig Jahren wurden erste Statuten aufgestellt und beschlossen, die nicht der Genehmigung des Apostolischen Stuhles unterworfen wurden. Sie wurden durch die Praxis tradiert und sind noch in Kraft. Die Beschlüsse dieser Fuldaer Konferenzen hatten und haben keine Rechtskraft, vielmehr leitet jeder Bischof seine Kirche [Diözese] nach seinem Gewissen und den Bestimmungen des Rechts. Wir haben kein Generalsekretariat, sondern neben dem Vorsitzenden gibt es einen Sekretär für das Protokoll; die übrigen Arbeiten vor und nach der Konferenz geschehen im Generalvikariat des Vorsitzenden.« Daran wollte Frings’ Generalvikar Teusch nichts geändert wissen!
Nicht ohne Stolz konnte Kardinal Frings vor den Konzilsvätern hinzufügen: »Auf diese freie Weise kamen hinreichend bedeutsame Werke in unseren Konferenzen zustande, z. B. nach dem letzten Krieg das Zentralkomitee für die Katholische Aktion in ganz Deutschland [richtiger: das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken], das Cusanus-Werk zur Unterstützung und katholischen Formung studierender Laien während ihres Universitätsstudiums, ein Werk für den Bau von Kirchen und Schulen in der Diaspora Deutschlands, das Werk ›Misereor‹ gegen Hunger und Krankheiten in der Welt, das Werk ›Adveniat‹, das sich der Seelsorge in Lateinamerika annimmt.«
Das Votum von Kardinal Frings verhinderte nicht, dass das Konzil im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe (Christus Dominus, Nr. 38) die Schaffung der Bischofskonferenzen samt einem »Generalsekretariat« und Beschreibung ihrer Gliederung und wesentlichen Aufgaben beschloss. Man wird aus der Rückschau feststellen können: Auch in Deutschland wäre die gemeinsame Verantwortung der Bischöfe für zahlreiche überdiözesane kirchliche Einrichtungen und Aufgaben ohne bindende Konferenzbeschlüsse ohne, ein qualifiziert besetztes Sekretariat und vor allem ohne den in den 1970er Jahren gegründeten Verband der Diözesen Deutschlands zur Regelung der finanziellen Lasten nicht mehr vorstellbar.
Andererseits erwiesen sich die Visionen Generalvikar Teuschs und des Kölner Kardinals Frings vom Sekretariat der Bischofskonferenz als allmächtigem »Supergeneralvikariat« (vor allem gegenüber kleineren Diözesen) und vom Sekretär der Bischofskonferenz, der durch seinen umfassenden Überblick die Bischofskonferenz steuern kann, als nicht ganz unbegründet.
Die Kompetenzen der Bischofskonferenzen für bestimmte regional zu lösende Aufgaben, insbesondere die Übersetzung liturgischer Texte in die Landessprache und die Gestaltung von Ritualien im Gefolge der Liturgiekonstitution des Konzils, wurden nach dem Konzil vom Hl. Stuhl zunächst sehr großzügig gewährt. Beginnend mit dem neuen Codex Iuris Canonici von 1983 werden die Kompetenzen der Bischofskonferenzen allerdings weitgehend wieder zurückgenommen: Für zahlreiche Beschlüsse – nicht nur für ihre Statuten gemäß Christus Dominus Nr. 38 – müssen die Bischofskonferenzen in Rom um Genehmigung einkommen. Als eher kurioses Beispiel sei genannt: Der Diözesananhang des neuen »Gotteslobes« mit den regional etwas unterschiedlich verbreiteten Weihnachts- und Osterliedern muss von den einzelnen Bischöfen Deutschlands der Gottesdienstkongregation zur Genehmigung vorgelegt werden.
Literatur (Auswahl)
- Otto Hermann Pesch, Das Zweite Vatikanische Konzil, Würzburg 1993 u. ö.
- Giuseppe Alberigo – Klaus Wittstadt, Geschichte des Zweiten Vatikanischen Konzils 1959-1965, Band III: Das mündige Konzil. Zweite Sitzungsperiode und Intersessio September 1963 – September 1964, Mainz/Leuven 2002
- Norbert Trippen, Josef Kardinal Frings (1887-1978), Band II: Sein Wirken für die Weltkirche und seine letzten Bischofsjahre (Veröffentlichungen der Kommission für Zeitgeschichte, Reihe B: Forschungen, Band 104), Paderborn u. a. 2005
Norbert Trippen (1936) ist emeritierter Domkapitular in Köln und Professor für mittlere und neuere Kirchengeschichte in Bonn. Seit 2001 hat er in je zwei umfangreichen Bänden Biographien der Kölner Erzbischöfe Josef Kardinal Frings und Joseph Kardinal Höffner vorgelegt.