Stephan Eisel antwortet auf die Kommentare zu seinem Artikel „Familien zwischen Wahlfreiheit und staatlicher Lenkung“
Folgende Hinweise könnten zu einer Versachlichung der Debatte insbesondere auch um das Betreuungsgeld beitragen:
1) Es wird oft übersehen, dass es bei der Debatte um Elterngeld, Betreuungsgeld und Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz um Kinder geht, die jünger als drei Jahre sind. Zu Recht dreht sich diese um das „Kindeswohl“ als zentralen Maßstab. Dieses Kindeswohl muss im Mittelpunkt von „Pflege und Erziehung der Kinder stehen“, die nach Art 6 des Grundgesetzes „das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“ sind. Mit dem Nachsatz „Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.“ sind dem Staat verfassungsrechtliche hier Grenzen und Aufgaben zugewiesen. Er darf nur eingreifen (muss es dann aber auch), wenn (wie es konkretisierend in § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches heisst) „das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet“ sind. Dies darf freilich nur durch gerichtliche Entscheidung geschehen. Wer Eltern die Befähigung zur Entscheidung abspricht, ob eine staatliche Einrichtung der Kinderbetreuung dem Wohl ihres unter dreijährigen Kindes dient oder nicht, müsste ihnen konsequenterweise so die Erziehungsberechtigung entziehen.
2) Das viel diskutierte Betreuungsgeld ist nur ein Notbehelf für die Lücke, die die Abschaffung des Erziehungsgeldes zugunsten des Elterngeldes aufgerissen hat. Da sich die Leistungen des Elterngeldes an der Berufstätigkeit orientieren und zugleich der staatlich garantierte Kindergartenplatz für unter Dreijährige vor allem Berufstätige in den Blick nimmt, werden diejenigen benachteiligt, die wegen der Kindererziehung nicht berufstätig sind bzw. die eigene Kinderbetreuung der staatlichen vorziehen. Diese einseitige Benachteiligung versucht das Betreuungsgeld zu beheben. Beim unabhängig von der Berufstätigkeit gezahlten Erziehungsgeld gab es dieses Problem nicht.
3) Es darf nicht übersehen werden, dass sich der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz nur auf einen Platz in einer staatlich finanzierten Einrichtung bezieht. In der Begründung für den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Betreuungsgeldes“, den die Fraktionen von CDU/CSU und FDP am 12. Juni 2012 in den Deutschen Bundestag eingebracht haben (Drs. 17/9917) heisst es aber zu Recht: „Auf die Frage nach dem richtigen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsangebot gibt es keine einheitliche Antwort für jedes Kind. Ob externe oder familieninterne Betreuung, ob Tageseinrichtung, Kindertagespflege, Elterninitiative, Betreuung bei Vater oder Mutter, durch Großeltern oder Au-pair, ob Ganztagsangebot oder stundenweise Inanspruchnahme; alle diese Optionen sollen sich im Interesse von Vielfalt und Wahlfreiheit idealerweise ergänzen. … An einer Anerkennungs- und Unterstützungsleistung für Eltern mit Kleinkindern, die ihre vielfältigen Betreuungs- und Erziehungsaufgaben im privaten Umfeld erfüllen, fehlt es bislang.“
4) Es ist kaum bekannt, dass bereits die Große Koalition diese Förderlücke anerkennt hat und 2008 mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD als § 16 Absatz 5 in das Sozialgesetzbuch (SGB VIII) die Verpflichtung eingefügt hat: „Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre Kinder von ein bis drei Jahren nicht in Einrichtun- gen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden.“ Dieses Ziel fand sich dann sowohl im Wahlprogramm der CDU für die Bundestagswahl 2009 (“Dazu werden wir unsere Anstrengungen im Bereich des Ausbaus von Kinderbetreuungsplätzen für unter Dreijährige fortsetzen und ein Betreuungsgeld einführen.”) als auch in der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und FDP vom 26. Oktober 2009: „Um Wahlfreiheit zu anderen öffentlichen Angeboten und Leistungen zu ermöglichen, soll ab dem Jahr 2013 ein Betreuungsgeld in Höhe von 150,- Euro, gegebenenfalls als Gutschein, für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden.“ Es ist deshalb irreführend in der Debatte um das Thema nur einen parteipolitischen Streit zu sehen.