Paragraf 218: Wie geht es weiter mit der Schwangerenkonfliktberatung?

Dr. Christoph Braß

Dies ist kein Blog-Beitrag, sondern nur eine Zwischenbilanz. Die Regierung aus SPD, Grünen und FDP hatte in ihrem Koalitionsvertrag unter anderem angekündigt, dass sie eine Kommission einrichten wolle, die die „Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches“ prüfen solle. Die Kommission hat in der Zwischenzeit die Arbeit aufgenommen.

Bisher ist die Abtreibung nach § 218 StGB grundsätzlich verboten. Aber wenn die Frau zu einer anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatung geht und sich eine Bescheinigung darüber ausstellen lässt, kann sie während der ersten 12 Wochen eine Abtreibung vornehmen lassen, die zwar verboten, aber in diesem Falle straffrei ist. Seit 1995 ist das so. Gerade in der katholischen Kirche stieß dieser Weg auf heftigen Widerstand: Caritas und der Sozialdienst katholischer Frauen mussten aus dem gesetzlichen Beratungssystem aussteigen. Wenig später gründeten katholische Laien, die mit dem Kurs ihrer Kirche in diesen Punkt nicht einverstanden waren, die Organisation „Donum Vitae“, die diese Beratung auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes fortsetzt.

Heute kann man feststellen, dass es mit diesem Kompromiss zu einer Befriedung in Sachen Schwangerschaftskonfliktberatung gekommen ist – auch über Parteigrenzen hinweg. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei den Abtreibungszahlen relativ weit hinten. Die Zahl der gemeldeten Abbrüche ist seit Jahren deutlich rückläufig: Im Jahre 2000 gab es 134.609 Schwangerschaftsabbrüche bei 734.475 Lebendgeburten. 2021 gab es 94.026 Abtreibungen bei 795.517 Lebendgeburten. In letzter Zeit ist die Abtreibungszahl wieder etwas gestiegen: 2022 gab es 103.927 Abtreibungen bei 738.819 Lebendgeburten. Natürlich sind Zahlen nicht alles; aber ignorieren kann man sie auch nicht. Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass es unter bestimmten Konstellationen – zum Beispiel beim Vorliegen bestimmter Krankheiten – auch sogenannte „Spätabtreibungen“ gibt, für die andere, durchaus problematische Regelungen gelten.

Es erscheint daher fraglich, warum dieser erstrittene Kompromiss, der die deutsche Gesellschaft in dieser Frage über viele Jahre befriedet hat, nun ohne Not aufgekündigt werden sollte. Manche verweisen auf die USA oder nach Polen, wo der Abtreibungsstreit einen Keil in die Gesellschaft treibt. Diese Zerreißprobe ist uns in Deutschland bisher erspart geblieben. Aber auch hier spricht man von einer Polarisierung und Zuspitzung.

Zwischenstand der Kommissionarbeit

Die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission tagt in zwei Arbeitsgruppen. Die Arbeitsgruppe 1 sucht nach Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches. Die Arbeitsgruppe 2 beschäftigt sich mit der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft. Bis Ostern 2024 soll ihr Bericht vorliegen.

Die Arbeitsgruppe 1 hat Betreiber der Beratungsstellen und weitere Institutionen eingeladen, ihr ihre Stellungnahmen zu übersenden. Im Nachgang finden sie eine Reihe von katholischen Stellungnahmen im Wortlaut.

Übergeordnete Organe:
• Kommissariat der Deutschen Bischofskonferenz [Link]
• Zentralkomitee der deutschen Katholiken [Link]

Weitere Organisationen im katholischen Raum:
• Deutscher Caritasverband / Sozialdienst katholischer Frauen [Link]
• Donum Vitae (Bundesverband) [Link]
• Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) [Link]
• Katholischer Deutscher Frauenbund (KDFB) [Link] Vertiefend: Beschluss vom Jahr 2022 [Link]
• Stellungnahme des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologinnen und Theologen [Link]

Ein weiterer Link führt Sie zum „Projektträger Jülich“, der den Auftrag hat, die Kommission zu betreuen. Auf dieser Seite finden Sie alle Stellungsnahmen, die dazu eingereicht wurden – zum Beispiel auch die von der evangelischen Kirche, „pro familia“ oder der Bundesärztekammer (BÄK).
[Link]


Dr. Christoph Braß ist einer der Redakteure von „kreuz-und-quer.de“ und war längere Zeit Vizepräsident des ZdK. Er war Abteilungsleiter Inland unter Bundespräsident Gauck.

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