Günter Krings MdB plädiert für den Schutz geistigen Eigentums auch im Internet-Zeitalter.
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Günter Krings
Geistiges Eigentum ist ein Menschenrecht
Das Geistige Eigentum ist weit mehr als ein Eigentumsrecht – es ist ein Menschenrecht. Gem. Art. 27 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat jeder Mensch das „Recht auf Schutz der geistigen und materiellen Interessen, die ihm als Urheber von Werken der Wissenschaft, Literatur oder Kunst erwachsen“. Entsprechend schützt auch unsere Verfassung einerseits gem. Art. 2 Abs. 1 GG das Urheberpersönlichkeitsrecht und andererseits gem. Art 14 GG die Verwertungsrechte, das vom Bundesverfassungsgericht so bezeichnete Geistige Eigentum. Begrifflich ist im Urheberrecht also stets zwischen dem „Geistigen Eigentum“ und dem materialisierten Persönlichkeitsrecht differenziert werden.
Mit dem Geistigen Eigentum wird dem Urheber ein subjektiv-rechtlicher Abwehranspruch eingeräumt gegen Eingriffe in sein Recht durch den Staat und durch Dritte. Aus der Eigentumsgarantie erwächst für den Gesetzgeber die Pflicht, das Eigentum seiner Bürger, sei es körperlich oder geistig, zu schützen. Damit schützt der Rechtsstaat die Leistungsträger vor den Begehrlichkeiten der Masse.
Geistiges Eigentum im Internet
Das Internet schafft neue Nutzungsmöglichkeiten und Vertriebswege und verändert sowohl die Wirtschaft als auch unsere Gesellschaft tiefgreifend. Gerade das Geistige Eigentum ist heute aufgrund neuer technischer Möglichkeiten viel verletzlicher, weil es in digitaler Form ohne Qualitätsverlust und ohne große Investitionen beliebig oft vervielfältigt und transferiert werden kann werden. Aber auch physisches Eigentum kann auf einem virtuellen Marktplatz ganz anders gehandelt werden. Diese neuen Nutzungsmöglichkeiten wecken vielerlei Begehrlichkeiten: Was früher exklusiv und daher teuer war, ist nun einfach und vor allem umsonst zu haben – auch gegen den Willen des Eigentümers.
Das von Google finanzierte Institut für Internet und Gesellschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin behauptet, im Internet sei das Rechtsinstitut des Geistigen Eigentums überholt oder müsse zumindest angepasst werden. Weil Ideen und Inhalte leicht zu vervielfältigen sind, könnten sie als öffentliche Güter der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Ausschließlichkeitsrechte bzw. „geistige Monopolrechte“ seien in der digitalen Gesellschaft nicht praktikabel und daher nicht mehr legitimiert.
Die zentrale Frage all dieser Diskussionen ist: Gelten in der digitalen Gesellschaft andere Prinzipien und Werte als in der realen Gesellschaft des analogen Zeitalters? Hat das Konzept des Geistigen Eigentums seine Bedeutung als Ordnungsidee in der digitalen Zeit verloren? Kann in einer digitalen Gesellschaft das Geistige Eigentum Kollektiviert werden? Sind wir auf dem Weg in einen digitalen Kommunismus ?
Geistiges Eigentum als Ausdruck von Ordnungspolitik
Eigentums- bzw. Ausschließlichkeitsrechte dienen grundsätzlich der Zuordnung von Verfügungsrechten über Sachen oder auch Rechtspositionen. Nach der volkswirtschaftlichen Theorie der Verfügungsrechte wird durch diese Zuordnung gewährleistet, dass knappe Ressourcen effizient genutzt werden können. Geistiges Eigentum ist zwar keine knappe Ressource im herkömmlichen, materiellen Sinne, aber auch eine Marke muss erst aufgebaut werden, für eine patentrechtliche Erfindung muss geforscht werden und auch ein Musikstück oder ein Film muss konzeptioniert, erstellt und anschließend vermarktet werden. Erst die Gewährleistung von Ausschließlichkeitsrechten macht die Bewirtschaftung von Rechtspositionen wirtschaftlich interessant. Ohne diese Leistungsanreize wird es keine professionelle Arbeit geben. Der von vielen heraufbeschworene Prosument, der uneigennützig seine mit viel Mühe geschaffenen Werke der Allgemeinheit zur Verfügung stellt, ist die eher exotische Ausnahme. Ohne eine Verwertung seiner Werke wird er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten können – es sei denn er gibt sich mit einem Hartz IV-Stipendium des Steuerzahlers zufrieden.
Geistiges Eigentum ermöglicht die Zuordnung und Handelbarkeit geistiger Leistungen. Nur so kann die Nachfrage und damit der ökonomische Wert kreativen Schaffens abgebildet werden und so wird eine Kalkulation möglich, die langfristige Investitionen und eine professionelle Arbeitsteilung zulassen. Wer gute Arbeit leistet, soll auch gut bezahlt werden. Dies ist die Grundlage unserer ausdifferenzierten Volkswirtschaft im Allgemeinen und unserer äußerst innovativen Kultur- und Kreativwirtschaft im Besonderen. Wer also das Konzept des Geistigen Eigentums ablehnt, negiert gleichzeitig die wirtschaftliche Grundlage des geistigen Schaffens in Deutschland und das Prinzip der Leistungsgerechtigkeit.
Dies gilt auch – oder sogar ganz besonders – für das Geistige Eigentum im Internet. Erfinder, Programmierer, Wissenschaftler und auch Künstler können ihre Ergebnisse inzwischen einem breiteren Publikum zugänglich machen und sie daran teilhaben lassen. Aufwand und Kosten, um diese Ergebnisse zu erzielen, bleiben jedoch trotz neuer technischer Rahmenbedingungen für das kreative Schaffen weitgehend gleich. Es ist der Zugang zu den Inhalten, der durch das Internet erleichtert wird, nicht die geistige Leistung. Es ist geradezu absurd anzunehmen, eine Leistung sei weniger wert, nur weil sie einfacher abzurufen und zu vervielfältigen ist.
Daher ist auch in der digitalen Gesellschaft das Konzept des Geistigen Eigentums nicht überholt und es gelten die Rechts- und Ordnungsmaßstäbe der realen Welt weiter. So wie das Eigentum an Immobilien und beweglichen Sachen ein Fundament unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung bleibt, so muss auch das Geistige Eigentum innerhalb und außerhalb des Internets gewahrt bleiben.
Aufklärung und Bewusstseinsstärkung
Allerdings: anders als im realen Leben können unsere bewährten Grundsätze aufgrund der Anonymität des Internets immer schwerer durchgesetzt werden. Und dies ist nicht nur in eigentumsrechtlicher Hinsicht ein Problem. Das Geistige Eigentum ist lediglich die vermögensrechtliche Seite des Urheberrechts. Zusammen mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht ist das deutsche Urheberrecht, anders als das angelsächsische Copyright, als Immaterialgüterrecht ausgestaltet. Das kontinentaleuropäische Recht stellt damit den Urheber als Werkschaffenden in den Mittelpunkt stellt und schützt sowohl dessen Persönlichkeit als auch dessen wirtschaftliches Auskommen. Auch im Interesse dieses Persönlichkeitsrechtes sind die Regeln des Urheberrechts auch tatsächlich durchzusetzen.
In unserer Marktwirtschaft sind die Verwertungsrechte deutlich in den Vordergrund gerückt. Dies hat aber auch dazu geführt, dass Kreative finanziell so unabhängig wie nie zuvor in der Geschichte des kreativen Schaffens sind. Das Urheberrecht und das Geistige Eigentum ermöglichen es Journalisten, Künstlern, Musikern oder Schriftstellern frei zu berichten, neue Wege zu gehen und sich auf ihre Kunst zu konzentrieren. Das Urheberrecht und die damit verbundenen Verwertungsrechte ermöglichen verschiedenste Formen des kreativen Schaffens – vom Hobbykünstler über den Teilzeit-Kreativen bis hin zum Profi. Wir würden den kulturhistorischen Rückwärtsgang einlegen, wenn den Kreativen diese Freiheiten und diese Unabhängigkeit in der digitalen Gesellschaft wieder genommen würden. Dies würde die kulturelle Vielfalt in unserer Gesellschaft reduzieren und letztendlich zu einem staatsfinanzierten Mäzenatentum führen, in dem Politiker im Haushaltsausschuss entscheiden, was Kunst ist und was nicht. Dann wäre das Internet in kultureller Hinsicht kein Fortschritt mehr, sondern ein großer Rückschritt.
Dr. Günter Krings (1969), ist Jurist, Rechtsanwalt und Honorarprofessor für Staatsrecht an der Universität zu Köln. Seit 2009 ist er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie Vorsitzender des BACDJ, der Juristenvereinigung der CDU Deutschlands.