Generalleutnant Karl Müllner hält als Inspekteur der Luftwaffe hält bewaffnete Drohnen zum Schutz eigener Soldaten für notwendig.
Den folgenden Beitrag können Sie hier ausdrucken.
Karl Müllner
Ferngesteuerte Luftfahrzeuge für unsere Soldaten im Einsatz
Seit mehreren Jahren hat die Luftwaffe für die Beschaffung auch bewaffneter ferngesteuerte Luftfahrzeuge geworben, um die Sicherheit unserer Soldaten im Einsatz zu verbessern.
Für uns geht es dabei nicht um die rechtlich und ethisch problematische Einsatzpraxis anderer Staaten – Stichwort „targeted killing“ – sondern ausschließlich darum, die vom Deutschen Bundestag erteilten Einsatzaufträge möglichst effektiv und mit dem geringsten verantwortbaren Risiko für unsere Soldaten sowie für die unbeteiligte Zivilbevölkerung erfüllen zu können.
Die in unserem demokratischen Rechtsstaat verankerten starken parlamentarischen Kontrollmechanismen haben sich in den vergangenen Jahren bei allen bewaffneten Einsätzen der Bundeswehr hervorragend bewährt. Sie stellen bei allen Waffensystemen sicher, auch bei bewaffneten ferngesteuerten Luftfahrzeugen, dass diese nur legal und legitim zur Anwendung kommen können.
Die in Deutschland geführte Debatte kann sich daher allem auf vier zentrale Fragen konzentrieren:
1. Gibt es eine militärische Notwendigkeit für militärische Einsätze über ferngesteuerte Luftfahrzeuge mit Bewaffnung zu verfügen?
In heutigen und künftigen Konflikten unterlaufen Konfliktparteien bewusst die Anforderungen des Humanitären Völkerrechts nach Unterscheidbarkeit, um so die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes der Gegenseite in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Gerade wenn ein Gegner seine eigene fehlende Identifizierbarkeit auf diese Weise nutzt, muss man in der Lage sein, Räume kontinuierlich und lückenlos zu überwachen. Nur so lassen sich Bewegungs- und Verhaltensmuster erkennen, aus denen man mit auf Identität und Absicht des Gegners in einer militärischen Operation schließen kann. Die dazu nötige kontinuierliche Aufklärung und Überwachung ist oft nur aus der Luft möglich, mit bemannten Luftfahrzeugen oder Satelliten jedoch nur punktuell zu leisten. Nur ferngesteuerte Luftfahrzeuge sind klein, leise und ausdauernd genug für diese Aufgaben.
Die Luftwaffe setzt bekanntlich seit 2010 das ferngesteuerte Luftfahrzeug HERON 1 erfolgreich in Afghanistan zur begleitenden Überwachung und vorbereitende Aufklärung ein. Dies hat bereits sowohl die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, als auch die der unbeteiligten Zivilbevölkerung verbessert. Wenn ein Angreifer jedoch aggressiv agiert, ist der Schutz der Soldaten ohne zusätzlich herbeigerufene bewaffnete Unterstützung aus der Luft oft nicht möglich. Der Pilot eines bewaffneten ferngesteuerten Luftfahrzeugs kann dann ohne zusätzlichen Koordinierungsaufwand verzugslos eingreifen, präzise und ohne ein erhöhtes Risiko von Verwechslungen.
Es geht also primär darum, einem Angriff auf unsere Soldatinnen und Soldaten in einem bewaffneten Konflikt möglichst wirkungsvoll, aber nur gerade so wirksam wie nötig, entgegen zu treten und so den politisch gegebenen Auftrag unter Einhaltung der Einsatzregeln mit Augenmaß erfüllen zu können. Ferngesteuerte Luftfahrzeuge mit Bewaffnungsoption sind daher militärisch notwendig.
2. Ist ein Einsatz bewaffneter ferngesteuerter Luftfahrzeuge völkerrechtlich und verfassungsmäßig zulässig?
Der Einsatz bewaffneter ferngesteuerter Luftfahrzeuge durch die Luftwaffe bewegt sich in dem der Bundeswehr vorgegebenen völkerrechtlichen und verfassungsmäßigen Rahmen und unterliegt den gleichen Vorgaben, Einschränkungen und Richtlinien, wie der Einsatz der Bundeswehr insgesamt.
Mit Blick auf den verfassungsmäßigen Rahmen kann man feststellen, dass die Entscheidung zum Einsatz der Bundeswehr generell, aber auch über die konkrete Art der Anwendung militärischer Gewalt im Rahmen solcher Einsätze, durch den Deutsche Bundestag entschieden und von verschiedenen seiner Organe kontrolliert wird.
Er legt die Grenzen und Voraussetzungen des Waffeneinsatzes deutscher Soldaten unter Berücksichtigung des Völkerrechts in den Einsatzregeln, den so genannten Rules of Engagement, verbindlich fest. Diese gelten auch für Einsätze von bewaffneten ferngesteuerten Luftfahrzeugen.
Mit Blick auf die wirksame Kontrolle durch die relevanten Verfassungsorgane ist die Vorstellung, die Bundeswehr oder die Luftwaffe sei durch die Einführung ferngesteuerter bewaffneter Luftfahrzeuge auf dem Weg hin zu illegalen Tötungen, lässt unseren gesellschaftlichen, unseren politischen und unseren gesetzlichen Rahmen völlig außer Acht.
Wie sieht es mit völkerrechtlichen Fragestellungen aus? Im Gegensatz zu Chemiewaffen oder Streumunition, die verboten sind, weil sie unterschiedliche humanitäre Kriterien des Völkerrechts nicht erfüllen können, gibt es kein generelles völkerrechtliches Verbot, ferngesteuerte Luftfahrzeuge herzustellen, zu kaufen oder einzusetzen. Aber natürlich muss der bewaffnete Einsatz ferngesteuerter Luftfahrzeuge, wie der aller anderen Waffen, im Rahmen der Gebote des Völkerrechts erfolgen. Diese verbieten u.a. einen unverhältnismäßigen und unterschiedslosen Einsatz militärischer Gewalt. Bereits der Verdacht eines Verstoßes dagegen hat in Deutschlands staatsanwaltschaftliche Ermittlungen zur Folge.
Der Schutz Unbeteiligter ist im Übrigen völkerrechtliche Maxime jedes durch den Bundestag mandatierten Waffeneinsatzes. Je präziser, je gezielter und je differenzierter gewirkt werden kann, desto besser kommen die Streitkräfte diesem Gebot auch nach. Ferngesteuerte bewaffnete Luftfahrzeuge werden also nur im vom Bundestag gesetzten verfassungsrechtlichen Rahmen eingesetzt werden und entsprechen dabei den völkerrechtlichen Geboten nach Unterscheidung und Verhältnismäßigkeit oft besser, als andere Waffen. In diesem Sinne sind sie legal.
3. Kann über die Frage der Legalität hinaus auch eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage nach der Legitimität solcher Waffen gefunden werden?
Mit Blick auf ethisch-moralische Fragestellungen wird oft angeführt, die Hemmschwelle des Tötens werde durch den Einsatz ferngesteuerter bewaffneter Luftfahrzeuge sinken. Der Tod werde abstrahiert, das Töten auf Distanz sei unnötig grausam. Wegen des geschilderten Primats der Politik halte ich die Sorge, die Schwelle der Gewaltanwendung könne sinken, für unbegründet. Denn Einsätze militärischer Gewalt erfolgen nach einer Gesamtabwägung aller relevanten Faktoren, wegen der potenziell gravierenden Folgen niemals leichtfertig und stets als äußerstes Mittel.
Zudem ergänzt eine schnelle, präzise und skalierbar einsetzbare Waffe das heute bereits verfügbare Spektrum an militärischen Möglichkeiten sinnvoll und stärkt so gerade die präventiven, abschreckenden Elemente der Gesamtstrategie. Dies ist gerade auch mit Blick auf die Bündnisverteidigung relevant.
Den eigenen Soldaten bei lebensgefährlichen Aufträgen einen technischen Vorteil bewusst vorzuenthalten, erscheint mir mit Blick auf die gravierenden Folgen eines Kampfes – Verwundung und Tod – als allgemeine ethische Anforderung unangemessen. Denn die Soldaten bleiben immer auch Staatsbürger unseres Landes. Ihr eigener Anspruch, beispielsweise auf körperliche Unversehrtheit, darf schon aus diesem Grunde nicht über das notwendige Maß hinaus geschmälert werden. Sie müssen kein höheres Risiko in Kauf nehmen, um den Gegner zu schützen. Entsprechende Forderung an unsere Soldatinnen und Soldaten halte ich für äußerst unmoralisch und in höchstem Maße zynisch.
Moralisch geboten halte ich es hingegen, unsere Soldaten bestmöglich auszustatten, und zwar so gut, wie es sich unsere hochentwickelte Gesellschaft rechtlich und finanziell leisten kann. Prämisse muss sein, die eigenen Soldaten einem möglichst geringen Risiko auszusetzen, sie bei ihrem gefährlichen Einsatz bestmöglich zu unterstützen und zu schützen. Vor diesem Hintergrund gelten mir bewaffnete ferngesteuerte Luftfahrzeuge als legitim.
4. Gibt es bei der Entwicklung ferngesteuerter Luftfahrzeuge technologische Trends, denen mit rüstungskontrollpolitischen Initiativen vorbeugend entgegengewirkt werden müsste?
Kritiker bewaffneter ferngesteuerter Luftfahrzeuge befürchten den Einstieg in die Entwicklung voll automatisierter Waffensysteme, die irgendwann in der Zukunft ohne menschliches Zutun autonom Krieg führen könnten. Sie lehnen deren Entwicklung und Beschaffung als „Betreten einer abschüssigen Bahn“ daher von vornherein ab.
Ich verstehe diese Sorge durchaus. Der Mensch muss im Krieg, wenn es um die Entscheidung über Leben und Tod geht, immer die letzte Entscheidung treffen. Ein deutscher Verzicht auf heute in mehr als 30 Staaten bereits eingeführte ferngesteuerte und bewaffnete Flugzeuge wird zukünftige autonome Kampfroboter jedoch nicht verhindern. Die unmittelbare Entscheidung über einen Waffeneinsatz wird bei den in den nächsten 10 -15 Jahren verfügbaren ferngesteuerten Luftfahrzeuge in jedem Fall noch durch Soldaten getroffen, die in Deutschland in der Einhaltung der politisch gebilligten Einsatzregeln gründlich ausgebildet sind, die völkerrechtlich bindenden Grundsätze militärischer Gewaltanwendung kennen, bei ihren Entscheidungen berücksichtigen und für diese Verantwortung übernehmen.
Diese Zeit muss genutzt werden, um frühzeitig der problematischen längerfristig möglichen Entwicklung zu autonomen Kampfrobotern entgegen zu wirken. So halte ich entsprechende rüstungskontrollpolitische Initiativen, zum Beispiel die Verhandlung eines verbindlichen „Code of Conduct“ zum Verzicht auf vollständig autonom kämpfende Systeme im Rahmen der Vereinten Nationen, für unterstützenswert.
Generalleutnant Karl Müllner (1956) trat 1976 in die Bundeswehr ein und wurde als Pilot ausgebildet. Nach einem Auslandseinsatz bei UNPROFOR und IFOR in Zagreb und Sarajewo wurde er 1996 der Kommandeur der Fliegenden Gruppe im Jagdgeschwader 73 „Steinhoff“ in Laage. 1998 wurde er im Bundesministerium der Verteidigung Referent für Grundlagen der Militärpolitik und bilaterale Beziehungen zu Russland und den anderen Staaten der damaligen Gemeinschaft unabhängiger Staaten. Ab 2000 war er Kommodore an der Spitze des Jagdgeschwader 74 „Mölders“ bevor er 2003 erneut ins Bundesministerium der Verteidigung als Referatsleiter für Grundlagen der Militärpolitik wechselte. Zum Generalmajor befördert führte er 2007 – 2009 als Kommandeur die 2. Luftwaffendivision in Birkenfeld. 2009 wurde er als Abteilungsleiter Militärpolitik erneut ins Bundesministerium der Verteidigung gerufen. Am 25. April 2012 übernahm er als Inspekteur das Kommando über die Luftwaffe.