UNO: AUSLAUFMODELL ODER HOFFNUNGSTRÄGER

Klaus Prömpers fordert für die Vereinten Nationen im 68. Jahr ihrer Existenz grundlegende Reformen.

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Klaus Prömpers

Auslaufmodell oder Hoffnungsträger

Die Vereinten Nationen im 68. Jahr ihrer Existenz

„Die Vereinten Nationen können nur so stark sein, wie ihre Mitgliedere es zulassen“, so Joseph W. Ash, Botschafter Antiguas und Barbados in New York bei der UN und seit Mitte September der Präsi­dent der 68. Generalversammlung der Vereinten Nationen. 130 Staats- und Regierungschefs, 60 Au­ßenminister , nicht zu zählen die Anzahl der Fachminister für Klima, Umwelt, Entwicklung, Abrüs­tung und was der The­men mehr sein werden bei dieser wie immer überladenen ersten Woche der Ge­neralversammlung. Bundes­kanzlerin Angela Merkel ist zum dritten Mal in Folge nicht dabei. Miss­achtung der UN oder nüchternes Kalkül, dass bei den häufig am Rande stattfindenden Begegnungen von Staats- und Regierungschefs aus aller Welt lediglich 15 Minuten Zeit zum Gespräch sind. Was kann da schon herauskommen? 

Mit großer Spannung wurde erwartet, ob US Präsident Barack Obama und Irans neuer Präsident Rouhani zusammentreffen würden. AM Ende telefonierten sie, Rouhani bereits auf dem Wege zum Flughafen. Jahr­zehnte der Sprachlosigkeit zwischen den USA und Iran sind beendet. Der Konflikt um das iranische Atom­waffenprogramm  ist damit keineswegs beendet. Auch wenn die Gespräche am 15. Und 16 Oktober nach dieser UN Woche vielleicht erstmals wieder eine Aussicht auf Erfolg haben können. Allerdings hat der Iran auch seine Bedingungen glasklar gemacht: Unter dem Druck der Sanktionen, die die iranische Bevölke­rung zutiefst treffen, ist er bereit Klarheit zu schaffen. Aller­dings auf die Anreicherung von Iran zur Nut­zung im zivilen Atomprogramm werde das Land keines­falls verzichten. Nun muss man in der Tat warten, ob der Iran sich wieder umfassenden Kontrollen im Land öffnet. 

Überraschung Nummer zwei in diesem Jahr: Die fünfzehn Mitglieder des Sicherheitsrates verabschie­deten zweieinhalb Jahre nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs einstimmig eine Resolution, die den Weg zur Vernichtung der Chemiewaffen des Landes sehr konkret festschreibt. Allerdings weiter ohne automatische Strafsanktionen, wie die USA; Frankreich und Großbritannien es eigentlich gefordert hatten. Hoffnung auf solche in NY möglichen Überraschungen scheint, neben der Attraktivität der Stadt, jedes Jahr die Politiker aus aller Welt, egal ob Diktatoren oder Demokraten ihre Reden im Ple­num abliefern zu lassen. Daneben versuchen sie, alte Allianzen zu pflegen und neue zu knüpfen. Am Ende aber sprechen sie auch hier ganz gezielt das Publikum zu Hause über die Medien an. Letztere  werden häufig genug (zum Teil auf Kosten des Staatsbudgets, also der Steuerzahler einfachheitshalber gleich mitgebracht). Doch man darf nicht über­sehen, dass in beiden Fällen die UN ein Vehikel waren. Einzelne Mitgliedsstaaten nutzten das große „Klas­sentreffen“ der Spitzenpolitiker, um ihre Deals abzuschließen. Die UN spielte dabei keine gestaltende Rolle. 

Deutschland ist seit vierzig Jahren dabei. Zunächst in seiner geteilten Form, als BRD und als DDR, ab 1990 dann vereint. Wobei man wissen muss, dass Westdeutschland bereits zuvor in etlichen UN Unterorgan­isationen mitwirkte, als zahlendes, aber auch als mitgestaltendes Mitglied im Wartestand auf die Vollmitgliedschaft. Zu Beginn der Gründung ging es vor allem um den Frieden in der Welt. Nach dem Scheitern des Vorläufers des Völkerbundes mit Sitz in Genf starteten die Gegner der Achsen­mächte (also vor allem Deutschlands, Italiens und Japans), also vor allem die USA, die UdSSR, China die damaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien ab 1942 den Versuch der Vereinten Na­tionen. 

Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Kampf der Armut standen am Anfang im Zentrum. Mittlerweile tritt eine lebenswerte Umwelt immer stärker in den Vordergrund. Ein bunter Strauß von mehr als 30 Unterorga­nisationen versucht in vielen Lebensbereichen weltweit ein gewisses Maß an gemeinsamer Arbeit zu orga­nisieren. Gleich zu Beginn stießen die Gründungsmitglieder an die Grenzen gemeinsa­men Vorgehens: Suez Krise und Korea Krieg waren erste Zeichen, dass die Friedensidee schöner zu beschreiben als in der Praxis zu erhalten ist. 

Die Kolonien wurden unabhängig und die Zahl der Mitglieder wuchs stetig. Nun sind 193 Staaten in der Vollversammlung vertreten. die Zahl der kriegerischen Konflikte ist im Lauf der Jahrzehnte nicht geringer geworden. Lösungen fanden sich häufiger außerhalb der VN als im Rahmen des dafür vor al­lem zuständi­gen Sicherheitsrates. Seine Zusammensetzung, mittlerweile die fünf Gründungsmitglie­der mit Vetorecht und zehn wechselnde Staaten, spiegelt längst nicht mehr die politische und wirt­schaftliche Realität der Welt wieder. Aber der Klub der P5, der Permanent Five, wehrt sich seit Jahr­zehnten erfolgreich gegen eine Re­form. Neue, starke Nationen wie Südafrika, Japan, Brasilien und Deutschland beanspruchen dort einen Sitz, plädieren seit Jahren für Vergrößerung: erfolglos. Bei Deutschland sind sowohl Großbritannien als auch Frankreich gegen die Mitgliedschaft, auch wenn das hinter diplomatischen Floskeln verborgen bleibt. Auch die Forderung, ein Sitz für die Europäische Union würde ihre Exklusivität, ja ihre Einzigartigkeit im Konzert der Staaten beeinträchtigen. Reform also findet an diesem Punkt nicht statt.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs schien sich Anfang der 90 er Jahre eine neue Weltordnung abzuz­eichnen. Es kam Bewegung auch in die Aktivitäten des Sicherheitsrates. Eine neue völkerrechtli­che Idee, responsibilty to protect, schien die Staatengemeinschaft zu verpflichten, bei groben Menschenrechtsverstöß­en auch innerhalb von Staaten gegebenenfalls eingreifen zu müssen zum Schutz der potentiellen Opfer. 

Dies Konzept stand Pate bei Libyen, ohne wie sonst üblich, von einzelnen Mitgliedern des Sicher­heitsrates per Veto verhindert worden zu sein. Dank der Tatsache, dass sich Russland bei der Abstim­mung der Stim­me enthielt (ebenso übrigens wie Deutschland) und damit die NATO Aktion ermöglich­te. Nach den Erfah­rungen mit dem Sturz des Gaddafi Regimes allerdings ist das Veto mit Wucht wie­der zurückgekehrt. Drei­mal legten Russland und China ihr Veto gegen eine Verurteilung des syrischen Diktators Assad und seiner Kriegsführung ein. Lehre aus dem Unvermögen: In allen wesentlichen Fragen, ob es um Atomwaffen Am­bitionen des Iran geht, die Atomwaffen Nordkoreas, oder die chemi­schen Waffen von Baschar al Assad: nur wenn die Groß- und Vetomächte sich einig sind, bewegt sich was. Das geschieht dann häufig genug wie bei den EU 3 + 3 Gesprächen zum Iran oder bei den Sechs­parteien Gesprächen in Sachen Nordkorea, außer­halb der Strukturen der UNO. Mit der UN ist es viel­leicht ein wenig , wie mit der einer alten Liebe, man re­det gerne drüber, man erinnert sich gerne, aber im praktischen Leben spielt sie keine Rolle mehr.´ 

Die weltpolitischen Akteure und ihr jeweiliges Verhältnis zueinander bestimmen das Geschehen. Ihre machtpolitischen, interessengeleiteten Handlungen definieren zum Teil den Fortschritt oder Rück­schritt in der Weltpolitik und damit auch in der UNO. Deutschland spielt da mit, aber es spielt keine entscheidende Rolle. Reformen sind nötig, damit die UNO wirklich als Spiegelbild der heutigen Welt und ihrer Wirklich­keit funktioniert. Gerade der Generalversammlung kommt dabei eine große Rolle zu, sie muss sie nur wahrnehmen wollen, in der Summe all ihrer Mitglieder. Dann könnten die UN zu dem Hoffnungsträger wieder werden, der sie 1945 einmal waren.

Klaus Prömpers (1949) leitet seit dem 1. Juli 2011 die Außenstelle des ZDF in New York. Er berichtet über die Vereinten Nationen sowie aus New York und Kanada.  

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