Marc Frings
Unter dem Leitwort „Zukunft hat der Mensch des Friedens“ veranstaltet das Zentralkomitee der deutschen Katholiken vom 29. Mai bis 2. Juni 2024 den 103. Deutschen Katholikentag in der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt. Die konfessionelle Großveranstaltung, die im Zweijahresrhythmus stattfindet, wird eine große Demonstration für Demokratie und Vielfalt, für Rechtsstaatlichkeit und ein vereintes Europa. Damit verstehen wir den Katholikentag als ein wichtiges öffentliches Signal, mit dem wir unterstreichen, dass wir für unsere demokratischen Werte streiten und sie verteidigen.
Auf diese Weise nehmen wir den Superwahlkalender 2024 in den Blick. Eine Woche vor den Europawahlen, mitten in den Thüringer Kommunalwahlen und wenige Monate vor den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen wollen wir die Demokratie feiern und vor ihren Feinden warnen. Dabei steht das „Wir“ für die Laiinnen und Laien als katholische Stimme in der Zivilgesellschaft: die katholischen Organisationen sowie Diözesan- und Katholikenräte waren genauso eingeladen, sich mit Programminhalten zu bewerben wie sämtliche Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen (ACK). Auch säkulare Nichtregierungsorganisationen finden sich, in Form von Kooperationen mit bewerbungsberechtigten Akteuren, im Programm. Zur Kirchenmeile wurden zusätzlich ausgewählte Institutionen aus Politik, Gesellschaft und Museumslandschaft eingeladen. So ist das Bewerbungs- und Auswahlverfahren selbst schon Zeugnis von Demokratie und gelebtem Ehrenamt.
Die politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen sind von populistischen Parolen, Falschmeldungen, gegenseitiger Diffamierung und Abwertung geprägt. Mit dem Katholikentag werden wir dieser Entwicklung eine Debattenkultur unter fairen Bedingungen entgegensetzen. Um zu unterstreichen, wie wichtig uns diese Thematik ist, gibt es in der Programmdarstellung einen „Roten Faden Demokratie und Vielfalt“: 85 der etwa 500 geplanten Veranstaltungen werden sich mit den Herausforderungen der Demokratie in der Gegenwart beschäftigen. Dabei sind nicht nur die Podien in den Blick zu nehmen, sondern auch die interaktiven Werkstattgespräche, bei denen konkrete Empfehlungen vermittelt werden, wie man beispielsweise populistischen, rassistischen oder antisemitischen Aussagen im unmittelbaren Umfeld bestmöglich begegnet und sie entkräftet.
Als Veranstalter ist das Zentralkomitee aber auch selbst angefragt und gefordert.
Unmissverständlich haben wir klargemacht, dass ein Haupt- oder Ehrenamt im kirchlichen Kontext mit einer AfD-Parteimitgliedschaft unvereinbar ist. Um dies auch weiterhin für das ZdK auszuschließen, überarbeiten wir derzeit unser Statut, um es u.a. mit einer Ausschluss- und Sanktionsklausel zu versehen. Die Katholikentagsleitung hatte früh beschlossen, dass rassistische oder antisemitische Überzeugungen keinen Platz auf unseren Bühnen finden dürfen. Deshalb wurden namentlich bekannte AfD-Politikerinnen und -Politiker kategorisch ausgeschlossen. Diese Entscheidung ist nicht neu, sondern entspricht vielmehr der gängigen Praxis, mit nur einer Ausnahme, als bei einem Podium des Katholikentags 2018 in Münster ein AfD-Parlamentarier auftreten durfte.
Partner des ZdK ist in diesem Jahr das Bistum Erfurt mit Bischof Dr. Ulrich Neymeyr, der uns als Gastgeber in die Stadt Martin Luthers eingeladen hat. Seit dem Katholikentag 2016 gastierten wir nicht mehr im Osten der Republik, sodass die Veranstaltung uns die Gelegenheit geben wird, über den Stand der deutschen Einheit nachzudenken. Schon bei der Vorbereitung war uns dies ein wichtiges Anliegen. In allen Gremien des Katholikentags saßen, soweit dies möglich war, zur Hälfte ostdeutsche Vertreterinnen und Vertreter, die mit ihren Ideen und Vorschlägen zum Gelingen des Gesamtprogramms beigetragen haben.
Nur etwa 7,5 Prozent der Thüringer Bevölkerung sind katholisch, weitere 19,5 Prozent sind evangelisch. Während 1950 noch mehr als 95 Prozent der Deutschen in Ost und West einer der beiden großen christlichen Kirchen angehörten, gilt das Gebiet der ehemaligen DDR laut „International Social Survey Program“ heute als „gottesfernste Region weltweit“; hier bezeichnen sich 40 Prozent als Atheisten. Während andere Diözesen, insbesondere im Westen der Republik, erst noch die Bedingungen und Herausforderungen von Kirchen in einer säkularen Realität verstehen müssen, um sich so der anstehenden Transition zu stellen, ist das Selbstverständnis einer „Kirche als Minderheit“ im Osten längst gelebte Wirklichkeit. Ich konnte mich selbst im Eichsfeld davon überzeugen. Dort bin ich auf ein katholisches Leben gestoßen, das von Engagement und Tatkraft geprägt ist, dort lebt die Bereitschaft, nicht nur passiv zu konsumieren, sondern selbst für das Gemeindeleben aktiv zu werden und über den hier noch immer christlich geprägten Mikrokosmos hinaus zu wirken. Ich hoffe, dass viele, die ins wunderschöne Erfurt kommen werden, ähnliche Erfahrungen durch Gespräche und Begegnungen sammeln werden.
Berücksichtigt man die im November 2023 vorgelegte sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, an der sich erstmals auch die katholische Kirche in Form der Deutschen Bischofskonferenz beteiligt hat, gilt es, Trends einer postsäkularen Gesellschaft aufzugreifen und breit zu diskutieren. Mit gezielten Angeboten gehen wir auf jene zu, die mit Distanz auf Kirche und Glaubensfragen blicken. So kann der Katholikentag zu einem Begegnungsort abseits der üblichen Echokammern werden. Viele der Themen, die in Erfurt auf der Agenda stehen, gehen schließlich alle in der Gesellschaft an. Dazu zählen die Bedingungen für gesellschaftlichen Zusammenhalt ebenso wie Chancen der Digitalisierung, mit denen sich ein eigener Arbeitskreis beschäftigt und dazu eine eigene Veranstaltungslinie erarbeitet hat. Darin geht es unter anderem um autonome Kriegsführung aus ethischer Perspektive, um Robotereinsatz in der Pflege sowie um theoretische und praktische Berührungen mit Künstlicher Intelligenz und co.
Nichtsdestotrotz bleibt auch das Reformprojekt „Synodaler Weg“ auf der Agenda von Veranstalter und Gastgeber: Seit fünf Jahren ringt die katholische Ortskirche in Deutschland um die richtigen Ableitungen, die diverse Studien zu den systemischen Ursachen von Missbrauch und Vertuschung zusammengetragen haben. Von A wie Aufarbeitung bis Q wie queere Pastoral wird der Katholikentag sehr umfangreich über den Stand der Reformbemühungen informieren und diskutieren. Somit ist ein Katholikentag immer auch Motivationsmacher: Es ist der Ort, an dem man viele tausende ausgelassene Katholik*innen trifft – trotz ihrer krisenbehafteten Kirche, die inmitten tiefgreifender Veränderungen und Herausforderungen steht.
Gerade wegen dieser Umbruchsituation – in Politik, Gesellschaft und Kirche – ist der Katholikentag 2024 in Ostdeutschland ein so wichtiges Signal. Nicht in der „comfort zone“ des Katholizismus feiern und diskutieren wir, sondern – aus westdeutscher Perspektive – in der katholischen Peripherie, die gleichsam das topographische Zentrum Europas ist. Seien Sie dabei!
Hier geht es zum Katholikentag nach Erfurt: https://www.katholikentag.de/startseite
Marc Frings (geb.1981) ist seit Januar 2020 Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken mit Sitz in Berlin. Er hat in Marburg und Lille Politikwissenschaft, Jura sowie Friedens- und Konfliktforschung studiert. Von 2010 bis 2019 hat Frings für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta, Berlin und Ramallah gearbeitet.
KATHOLIKENTAG ERFURT
Wieder mehr Religion wagen,
die Botschaft in diesen Tagen.
Katholikentag im Thüringer Land,
wo Luther der Papstkirche widerstand.
Im Land der friedlichen Revolution
beklagt die Kirche große Erosion.
Katholiken, sowie Protestanten,
fehlt’s im Osten an Sympathisanten.
Christen in der Diaspora vereint,
doch darob wird keine Träne geweint.
Es wird allerorten Flagge gezeigt.
Gläubige bringen ihre Stärken ein,
woll’n aktiver Teil der Gesellschaft sein;
den weltlichen Dingen nicht abgeneigt.
Die Christen stellen sich viele Fragen.
Wie wollen wir in der Zukunft leben?
Wie kann es Friede auf Erden geben?
Klimadebatten an allen Tagen.
Wie bringen Frauen Religion voran?
Wie ist’s um die Ökumene bestellt?
Christen geh’n die großen Probleme an,
beten und kämpfen für unsere Welt.
Der Mensch, dieses kluge Wesen
kann im Gesicht der Erde lesen.
Er sieht die drohende Gefahr,
spürt die Erwärmung Jahr für Jahr.
Homo sapiens muss aufwachen,
seine Hausaufgaben machen.
Die Jagd nach ewigem Wachstum
bringt letztlich den Planeten um.
Das oberste Gebot der Zeit
muss heißen Nachhaltigkeit.
Statt nur nach Profit zu streben,
im Einklang mit der Natur leben.
Zu viele Buchen und Eichen
mussten schon der Kohle weichen.
Retten wir den herrlichen Wald,
bewahren die Artenvielfalt.
Kämpfen wir für Mutter Erde,
dass sie nicht zur Wüste werde.
Wir alle stehen in der Pflicht,
maßvoll leben ist kein Verzicht.
Teilen und Second Hand der Trend,
Repair vor Neukauf konsequent.
Bei allem etwas Enthaltsamkeit,
nehmen wir uns die Freiheit.
Für die Zukunft des Planeten,
weg mit Panzern und Raketen.
Lasst die weißen Tauben fliegen,
Aggression und Hass besiegen.
Die Leute legen ab den Neid,
die Religionen ihren Streit.
Fromme und Heiden sind vereint,
uns’re Sonne für alle scheint
Keiner ist des Anderen Knecht,
für alle gilt das Menschenrecht.
Jeder kann glauben, was er will,
Frieden und Freiheit unser Ziel.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen