Der (Synodale) Weg in eine Kirche ohne Angst?

Mara Klein

„Für eine Kirche ohne Angst“ – so lautet der Slogan der am 24. Januar viral gegangenen Kampagne #outinchurch, in der sich über 100 haupt- und ehrenamtliche deutsche Katholik*innen als queer [1] geoutet haben. Das Timing für den Auftakt der Aktion über die ARD-Doku „Wie Gott uns schuf“ [2] ist nicht zufällig. Nur eine Woche später soll in Frankfurt am Main vom 3. bis 5. Februar die dritte Synodalversammlung des Synodalen Wegs tagen. Auf der Tagesortung stehen auch die Handlungstexte zur lehramtlichen Neubewertung von Homosexualität, zu Segensfeiern und zur Grundordnung des kirchlichen Dienstes. [3] Alle drei enthalten Inhalte, die für die Forderungen der Initiative #outinchurch hohe Relevanz haben. Diese finden sich neben einem Manifest auf der offiziellen Homepage der Initiative outinchurch.de. Dort heißt es u.a.:

3. Das kirchliche Arbeitsrecht muss geändert werden. Ein offenes Leben entsprechend der eigenen sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität, auch in einer Partnerschaft beziehungsweise Zivilehe, darf niemals als Loyalitätsverstoß oder Kündigungsgrund gewertet werden.

4. Diffamierende und nicht zeitgemäße Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität müssen auf Grundlage theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse revidiert werden.

Als Mitglied der Synodalversammlung, des Forums IV zu „Leben in gelingenden Beziehungen“, dem die o.g. Handlungstexte entspringen, und der Kampagne #outinchurch bin ich eingeladen, hier kurz darüber zu reflektieren, was jetzt die Erwartungen an den Synodalen Weg sind und wie eine Kirche ohne Angst nach dem Synodalen Weg aussehen könnte.

Das Gelingen des Synodalen Wegs hängt aus meiner Sicht sehr stark von zwei Dingen ab: 1.) Dass vor allem die Bischöfe und alle in vergleichbaren Machtpositionen „im Namen der Kirche Verantwortung übernehmen, die institutionelle Schuldgeschichte aufarbeiten und sich für die von uns geforderten Veränderungen einsetzen“ (Forderung 7 #outinchurch). Das gilt nicht nur in Bezug auf das Thema queer, sondern auch für alle anderen Formen des gegenwärtigen und vergangenen Machtmissbrauchs. Noch steht eine offizielle und ganzheitliche Verpflichtung dazu aus. Aber nur mit dieser Voraussetzung können wir sicher sein, dass 2.) der Prozess über den eigentlichen Synodalen Weg hinaus, der mit der fünften Synodalversammlung Anfang 2023 endet, weitergeht. Dabei ist entscheidend, dass auf Worte Taten folgen. Die Texte, die durch die Synodalversammlung verabschiedet werden, sind zwar durch die Notwendige Zweidrittelmehrheit der Bischöfe Entschlüsse der Deutschen Bischofskonferenz, doch die Umsetzung in den obliegt dem individuellen Ermessen der einzelnen Bischöfe. Dazu muss auch immer wieder betont werden: Die Bischöfe sind in ihrem Handeln nicht vom Synodalen Weg abhängig, sondern umgekehrt.

Es ist nicht zu übersehen, wie wenig die Katholische Kirche zum Thema queer überhaupt sprachfähig ist. Auch auf dem Synodalen Weg ist größtenteils nur die Rede von Homosexualität. Andere nicht-heterosexuelle Orientierungen sind unbekannt oder ausgeklammert. Geschlecht ist, so scheint mir, ein Angstthema. Das betrifft die „Frauenfrage“ genauso wie die Debatte um geschlechtergerechte Sprache, die wieder vertagt wurde – nun auf die vierte Synodalversammlung, wo es dann vielleicht auch einen Handlungstext zu trans und inter* geben wird. Dabei ginge es also auch um eine Überschreitung der exklusiv binären katholischen Anthropologie vom Menschen als (cis) [4] Mann und (cis) Frau. Zeugnisse der Kampagne #outinchurch und des Buches Katholisch und Queer [5] zeigen eindrücklich, dass und wie Menschen in der Katholischen Kirche negativ von der binären Geschlechteranthropologie betroffen sind. Ich selbst bin als einziges (geoutetes) nichtbinäres Mitglied der Synodalversammlung Symbol für die bereits in der Kirche vorhandene Vielfalt. Sollten wir tatsächlich Texte verabschieden, die sich für eine Öffnung an dieser Stelle aussprechen, wäre das ein großes Zeichen nicht nur für queere Katholik*innen in Deutschland, sondern auch weltweit, die teilweise sogar Verfolgung durch die Kirche für ihr Sosein fürchten müssen.

Wie viel wird der Synodale Weg zu einer „Kirche ohne Angst“ für queere Menschen beitragen? Eine der größten persönlichen Herausforderungen des Synodalen Weges ist für mich, die Balance (aus)zuhalten zwischen unerschütterlicher Hoffnung und zutiefst erschütterten Vertrauen in den Willen der Kirche, missbräuchliche und gewaltvolle Strukturen zuzugeben und zu verändern. Allein die Diskussion über eine Ehe für alle wurde auf der zweiten Synodalversammlung mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Die Entscheidung zu Segensfeiern für alle steht aus – erscheint aber vielen Zurecht als unzureichender Kompromiss. Ob wir unter diesen Vorzeichen auch mit Schritten zu einer Öffnung der Geschlechterbinarität rechnen dürfen, wage ich noch nicht zu vermuten.

Im besten Fall ist der Synodale Weg ein Weg in eine Kirche ohne Angst. In jedem Fall werden unser heutiger Mut zur Sichtbarkeit und die Existenz der Handlungstexte des Synodalen Wegs verhindern, dass man(n) später behaupten kann, man(n) hätte nichts gewusst.

Anmerkungen
[1] ‚Queer‘ ist eine Selbst- und Sammelbezeichnung von Menschen, die nicht in die romantischen, sexuellen und/oder geschlechtlichen Normen der Gesellschaft passen. In diesem Fall vor allem für Menschen die nicht dem cis/heterosexuellen Modell der katholischen Sexuallehre entsprechen.
[2] Die Doku und Einzelzeugnisse sind in der ARD Mediathek einsehbar: https://www.ardmediathek.de/sendung/wie-gott-uns-schuf/Y3JpZDovL3JiYi1vbmxpbmUuZGUvd2llLWdvdHQtdW5zLXNjaHVm/?xtor=CS1-231
[3] Die Texte sind hier einsehbar: https://www.synodalerweg.de/dokumente-reden-und-beitraege
[4] ‚Cis‘ ist das Gegenstück zu ‚trans‘. Das Adjektiv ‚cis‘ wird benutzt, um auszudrücken, dass eine Person sich mit dem Geschlecht identifiziert, dem sie bei der Geburt aufgrund der Genitalien zugewiesen wurde. (queer-lexikon.de)
[5] https://www.bonifatius-verlag.de/shop/katholisch-und-queer/


Mara Klein (25) studiert in Halle (Saale) Lehramt für katholische Religion und Englisch und gehört zu den 15 U30-jährigen in der Synodalversammlung. Er*sie engagiert sich für die Rechte queerer Menschen in der Katholischen Kirche und ist Mit-Herausgeber*in des Buches Katholisch und Queer – eine Einladung zum Hinsehen, Verstehen und Handeln.

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