Elisabeth Winkelmeier-Becker, MdB
Justizminister Marco Buschmann hat gleichsam als erste Amtshandlung verkündet, dass er Paragraph 219a des Strafgesetzbuches streichen will. Werbung für Abtreibung soll damit grundsätzlich erlaubt sein, begrenzt nur durch das Standesrecht der Ärzte. Es ist ein Schritt, der weit über die vermeintlich fehlenden Informationen auf den Homepages von Gynäkologen hinausgeht.
Erst 2019 hat die damalige Koalition aus Union und SPD sich auf eine Ergänzung des Paragraphen 219a geeinigt. Erlaubt ist seither, dass Ärztinnen und Ärzte auf ihrer Website auf die Tatsache hinweisen, dass sie Abbrüche durchführen; zugleich darf ergänzend auf medizinische Informationen verlinkt werden, die bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, bei den Ärztekammern und bei Beratungsstellen verfügbar sind.
Diese Regelung wird seither von Gegnern unter Beschuss genommen, mit dem Argument, Ärzte können nicht genügend Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen zur Verfügung stellen. Ihre Forderung: die komplette Streichung des Werbungsverbots. Diese Haltung hat sich die neue Regierung zu Eigen gemacht. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, die gegen diesen Schnellschuss des Justizministers sprechen.
Es gibt kein Informationsdefizit. Auf vielen seriösen Seiten von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung über pro familia bis zu Seiten der Krankenkassen gibt es umfassende Informationen zu den Methoden der Schwangerschaftsabbrüche sowie zur offiziellen Liste der Bundesärztekammer mit Praxen, die Abbrüche durchführen. Es gibt kein Limit, was im Netz geschrieben und von Schwangeren gelesen werden darf. Wenn man hier noch etwas verbessern will, könnte man das im bestehenden gesetzlichen Rahmen gezielt ändern, etwa durch noch mehr Sichtbarkeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Netz oder noch bessere Aufbereitung der Informationen oder weitere Angebote der Landesgesundheitsämter. Selbst eine gezielte Anpassung des §219a, die weitere sachliche Informationen auf der Homepage der Ärzte zulässt, wäre diskussionswürdig. Die komplette Streichung des Werbeverbots geht in der Wirkung aber weit darüber hinaus.
Denn sie ermöglicht nicht nur Information, sondern tatsächlich auch Werbung. Dabei geht es nicht um anstößige Lautsprecherreklame, aber grundsätzlich ist es dann möglich, dass auf Google und Social Media gezielt Anzeigen geschaltet werden. Dass Hinweise und Angebote in der U-Bahn hängen. Wenn für Abtreibung geworben wird, dann erscheint sie als etwas Normales, über das man nicht weiter nachdenken muss. Das Gespür dafür, dass es hier um das Lebensrecht eines einmaligen ungeborenen Menschen geht, geht dabei verloren. Und deshalb schmälert die Regierung mit ihrem Entwurf den Rang des Rechtsguts des ungeborenen Lebens im allgemeinen Rechtsbewusstsein entgegen allen Beteuerungen doch.
Aus gutem Grund gilt außerdem der durchgängige Grundsatz der Trennung von Beratung und Angebot. Auch dieser Grundsatz würde in Frage gestellt, wenn durch Werbung der erste Weg in die Abtreibungspraxis ginge, anstatt zur Beratungsstelle. Deshalb gehört das Werbungsverbot unabdingbar zum Schutzkonzept für das ungeborene Leben. Die Äußerungen zahlreicher Koalitionspolitikerinnen lassen dann auch wenig überraschend erwarten, dass die Abschaffung des Paragraphen 219a für große Teile der Ampelkoalition offenbar nur der Auftakt zur Abschaffung der gesamten Regelung im Strafrecht ist.
Es hat Methode, dass die Ampel die Diskussion neben der Frau ganz auf die Situation der Ärzte verlagert. Die Ärzte stehen aber nicht im Mittelpunkt des Konflikts, sondern die Frau und das ungeborene Kind! Das Kind kommt in den Überlegungen der Ampel aber praktisch nicht mehr vor: In der Generaldebatte mit vielen Reden, in denen auch 219a eine Rolle spielte, haben die Rednerinnen und Redner der Ampel es durchweg fertig gebracht, über Abtreibung zu sprechen, ohne das Kind zu erwähnen. Der Justizminister war bei der Vorstellung des Gesetzentwurfes der erste, dem die Erwähnung des Kindes über die Lippen gekommen ist.
Und genau an diesem Punkt informieren auch nicht alle Ärztinnen und Ärzte objektiv. Ich teile die Auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass das Ungeborene sich von Anfang an als Mensch entwickelt, mit Menschenwürde und Lebensrecht von Anfang an. Demgegenüber sprechen manche Ärztinnen und Ärzte aber nur von Schwangerschaftsgewebe oder einer Ansammlung von Zellen. Der Gedanke an das ungeborene Kind wird hier bewusst zur Seite geschoben. Das ist keine Information, sondern politische Haltung, die hier fehl am Platz ist.
Unbenommen bleibt, dass Frauen sich umfassend im Netz informieren können, um sich selbst ein Bild in einer existenziellen Krise machen zu können, das ihnen bei der schweren Entscheidung hilft. Und es ist ihre Entscheidung. Das Kind kann nur zusammen mit der Mutter geschützt werden. Frauen, die in dem geschützten Rahmen der Beratungslösung eine Entscheidung für einen Abbruch treffen, sollen diesen Weg ohne Stigmatisierung und weitere Hürden gehen können.
Die Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker ist Vorsitzende des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages. Zuvor war sie Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium und rechts- und verbraucherpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Die ehemalige Richterin wurde 2005 das erste Mal in den Bundestag gewählt und vertritt seitdem den Rhein-Sieg Kreis I.