WELTDIENST MACHT ZUKUNFTSFÄHIG

Claudia Lücking-Michel und Susanne Brenner-Büker beschreiben den Mehrwert des personellenAustauschs in der Entwicklungszusammenarbeit

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Claudia Lücking-Michel und Susanne Brenner-Büker

Weltdienst macht zukunftsfähig

Hunger, Krankheiten, Kriege, Klimawandel, und infolgedessen Flucht und Migration – die globalen Heraus­forderungen sind präsent wie nie. Sie sind auch im wörtlichen Sinne in Deutschland angekom­men, sei es in Form der Menschen, die vor Kriegen zu uns flüchten, sei es in Form von Extremwettern, die nicht nur in der Landwirtschaft schon längst spürbar sind. Nun sind es nicht mehr die Anderen, Fer­nen, Fremden im Süden, denen wir aus welchen Gründen auch immer mit sogenannter Entwicklungshil­fe zur Seite stehen sollten. Wir merken: es geht auch um unser Leben und das Leben der kommenden Generationen auf dieser Erde.

Die nach dem 2. Weltkrieg entstandene Idee, dass der frühindustrialisierte, reiche „Norden“ mit Geld, Tech­nik und Personal den armen, aber glücklicherweise auch fernen „Süden“ entwickeln kann, hat inzwi­schen ihre Legitimation verloren. Denn die Globalisierung des sog. „westlichen Entwicklungsmod­ells“ er­zeugte genau jene Konsequenzen, deren Lösung nun in gemeinsamer Anstrengung und Verantwor­tung an­gegangen werden müssen. So erklärte die UNO in der Agenda 2030 auch die wohlha­benden Länder zu „Entwick­lungsländern“. Denn diese müssen sich ebenfalls „anders entwickeln“, da­mit menschliches Le­ben auf der Erde möglich bleibt. Papst Franziskus schreibt 2015 in seiner Enzyklika Laudato Si´: „Ich lade dringlich zu einem neuen Dialog ein über die Art und Weise, wie wir die Zukunft unseres Planeten gestal­ten.“ (LS 14)

Bleibt „das Leben in Würde für alle Menschen innerhalb der planetarischen Grenzen“ das gemeinsame Ziel, dann sind tatsächlich alle Länder verpflichtet sich zu entwickeln. Diese Verpflichtung beinhaltet zwingend Dialoge über Ziele, Inhalte und Wege, hin zu einer zukunftsfähigen Weltgesellschaft. Gemäß dem Rio-Prin­zip von 1992 kommt allen Ländern eine gemeinsame, aber ihren jeweiligen Möglichkeiten entsprechende, unterschiedliche Verantwortung zu. Die Umsetzungsmaßnahmen werden von den jewei­ligen lokalen, natio­nalen und globalen Möglichkeiten und Verantwortlichkeiten her gestaltet werden müssen. Und genau hier setzt Personelle Entwicklungszusammenarbeit mit ihren Stärken und Potentia­len an.

„Jede Entwicklung beginnt und endet bei Menschen. Veränderung geschieht durch Begegnung und Dia­log.“ Das ist die Grundüberzeugung, auf der das Engagement der Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilf­e (AGEH), dem katholischen Personaldienst mit Sitz in Köln basiert. Seit über 60 Jahren vermittelt die AGEH als einer von sieben staatlich anerkannten Trägern des Entwicklungsdienstes Per­sonen für die Mitar­beit in kirchlichen Einrichtungen und Nichtregierungsorganisationen in Länder Afri­kas, Asiens und La­teinamerikas. Auswahl und mehrmonatige Vorbereitung der Fachkräfte liegen in Ver­antwortung der AGEH.

Ein kurzer Blick in Vergangenheit und Gegenwart der Entwicklungszusammenarbeit durch die Entsen­dung von Personal verdeutlich den Mehrwert der Personellen Zusammenarbeit:

Bis in die 1990er Jahre hinein wurden Fachkräfte vor allem als sog. Entwicklungshelfer/innen vermittelt, die in Institutionen und Organisationen vor Ort fehlendes qualifiziertes einheimisches Personal ersetz­ten: Der Schreinermeister in Sambia, der in einer Berufsschule junge Männer befähigte, eine eigene wirtschaftliche Existenz zu gründen. Die Krankenschwester, die im bolivianischen Hochland Frauen in Ernährungs-, Erzie­hungs- und Hygienefragen beriet und ein Netz von lokalen Gesundheitsposten auf­baute.

Heute werden für den Entwicklungsdienst Menschen gesucht, die gemeinsam mit Partnerorganisationen vor Ort Vorschläge erarbeiten, Anregungen geben und unterstützend wirken oder auch Veränderungs­prozesse begleiten. Friedensfachkräfte im Programm des Zivilen Friedensdienstes der AGEH begleiten und beraten z.B. diözesane Justitia & Pax Kommissionen, etwa in Kenia in der Gestaltung von Versöh­nungsprozessen zwischen verfeindeten ethnischen Gruppen. In Ost Timor erarbeiten Friedensfachkräfte gemeinsam mit lo­kalen Pädagogen didaktisches Material zur Friedenserziehung an Schulen.

Angesichts der zu Beginn erwähnten Situation geht es aber in Zukunft nicht mehr in erster Linie nur um die einseitige Vermittlung von Fachkräften in den Süden, sondern darum, eine „globale Lern- und Solidargem­einschaft“ zu schaffen, in der gemeinsam qualifiziert an Fragen der sozialen und ökologischen Gerechtigkeit gearbeitet wird. Dazu gehört der Austausch von Menschen aus dem sogenannten „Süden“ in andere Regio­nen des „Südens“ sowie auch vermehrt die Vermittlung von qualifizierten Frauen und Männern aus dem „Süden“ in den Norden, also auch nach Deutschland.

Dabei sind internationale Fachkräfte unter den neuen Vorzeichen globaler Entwicklung noch wirkungsvol­ler. Sie bringen im Vergleich zu nationalen Fachkräften nämlich komplementäres Wissen und Erfah­rungen aus ähnlichen Arbeitskontexten in anderen Ländern ein. Internationale Fachkräfte bringen einem kritischen Blick von außen und eine gewisse Unvoreingenommenh­eit in die Arbeit der Organisation vor Ort ein. Ihre „produktive Fremdheit“ ermöglicht es, Vertrau­tes in Fra­ge zu stellen, Bewusstseins- und Einstellungswan­del auszulösen, neue Handlungsmöglichkei­ten mit zu ent­wickeln und damit wesentliche Impulse für Verän­derung zu setzen. Sie tragen dazu bei, In­teraktion und Dialog innerhalb der Partnerorganisation und zwi­schen der Partnerorganisation und den Menschen, mit de­nen sie arbeitet, zu stärken. Sie tragen auch dazu bei, die Partnerschaften zwischen Or­ganisationen und Menschen aus dem Süden und Norden zu stärken und zivilgesellschaftliche Allianzen zu unterstützen.

In Vergangenheit und Gegenwart machen genau diese Potentiale der Personellen Entwicklungszusammenar­beit die Arbeit von Fachkräften wirksam. Es geht um die konkrete Begegnung von Menschen, um das Sich-Aufeinander-Einlassen, um Prozesse, deren Ergebnisse nicht im Vorhinein schon zu 100% ab­zusehen sind, sondern die im gemeinsamen Lernen, Entwickeln und Umsetzen zu hilfrei­chen Lösungen führen. War es bis lang die deutsche Juristin, die einer Menschenrechtsorganisation in Kam­bodscha zur Seite steht, wird es in Zukunft vielleicht auch den Umweltaktivisten aus Peru brauchen, der für eine be­grenzte Zeit seine Erfah­rungen in eine deutsche Umweltorganisation zur Unterstützung indigener Be­völkerung gegen Umweltver­schmutzung im Bergbau einbringt.

Eine besondere Rolle fällt seit jeher und weiterhin den sogenannten „Rückkehrerinnen und Rückkeh­rern“ zu. Sie sind lebendige Brücken zwischen Ländern und Menschen, fördern Vernetzung, Verständi­gung und Austausch. Gleichzeitig bringen sie in die „Heimatgesellschaft“, in die sie zurückkehren, die Sicht der An­deren ein, erweitern die Perspektive, kennen andere Arbeitsweisen und bereichern so das Spektrum der möglichen Lösungsansätze.

Niemand ist eine Insel – kein Land und erst Recht keine Bevölkerungsgruppe oder Person. Und absurder-weise sind es ja gerade Inselgruppen wie die Fiji-Inseln, die schon heute besonders drastisch unter den Folgen des Klimawandels leiden. Soziale und ökologische Gerechtigkeit können wir nur gemeinsam erreichen. Deshalb müssen wir uns gemeinsam den globalen Herausforderungen stellen. – Unter den vielen Lösungs­wegen, die dabei notwendig sein werden, gilt es gerade auch die Chancen der Personellen Entwicklungszu­sammenarbeit, die über Kontinente hinweg in alle Richtungen Austausch fördert, im Sinne eines Weltdiens­tes zu nutzen.

Susanne Brenner-Büker (1963) ist katholische Theologin war von 2004 -2012 als Fachkraft der Bethleh­em-Mission Immensee (heute Comundo) und der AGEH in Bogotá, Kolumbien u.a. Landeskoordinator­in und  verabtwortlich für den Aufbau einer Friedensschule. Seit 2013 ist sie Referentin in der AGEH.

Dr. Claudia Lücking-Michel (1962) ist katholische Theologin und seit 2018 Geschäftsführerin der AGEH. Bis 2017 war sie CDU-Bundestagsabgeordnete, zuvor von 1997 – 2044 Abteilungsleiterin bei Misereor und 2004 – 2013 Generalsekretärin des Cusanus-Werkes. Sie ist Vizepräsidentin des Zentralkomitee des Katholiken (ZdK).

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