Von österlichem Trotz und der Hoffnung wider alle Gewalt

Dr. Katrin Großmann

Am 24. Februar bin ich in einer anglikanischen Kirche in London in eine Ausstellung geraten, die mich sehr berührt hat. Ich war mit zwei Freundinnen am Jahrestag des Übergriffs Russlands auf die Ukraine auf dem Weg zur ukrainischen Botschaft. Wir wären fast achtlos an der Kirche vorbeigelaufen, ein Schild hat jedoch unsere Aufmerksamkeit erregt und drin fanden wir, im Altarraum und an den Wänden des Querschiffs ausgestellt, Ikonen aus der Ukraine, geschrieben von Oleksandr Klymenko. Er benutzt das Holz leerer Munitionskisten als Leinwand für seine Ikonen. Begonnen hat er damit 2014, als Russland in den Donbass einmarschierte. Unter den einzelnen Tafeln sind Schilder angebracht, die die Namen der Orte angeben, an denen die Munitionskiste zurückblieb, Schauplätze des verheerenden Krieges. Oft wurden sie ihm von Soldaten überreicht.

Das Schreiben von Ikonen folgt in der Ostkirche einer jahrhundertealten Tradition. Üblicherweise durchläuft das Holz einen mehrere Schritte umfassenden Bearbeitungsprozess, um eine gute Grundierung zu schaffen, bevor der Schreiber die Farben aufträgt. Jede Ikone bildet Unvergängliches ab. Sie vergegenwärtigt himmlische Wirklichkeit, ist wie ein Fenster in die Ewigkeit und deshalb nach orthodoxer Auffassung verehrungswürdig.

Klymenko schreibt seine Ikonen auf militärischen Abfall. Oft sind die Bretter durch Nägel oder Scharniere gezeichnet, die die vorherige Verwendung sichtbar machen. Ohne jegliche Grundierung trägt er die Farben auf. Das Holz der Munitionskiste, die für Tod und Zerstörung steht, wird so Grundlage für die Gegenwart des Göttlichen in der Ikone und Ausdruck der Hoffnung auf Frieden.

Für mich kommt hier auf eindrückliche Weise zum Ausdruck, was wir an Ostern feiern. So wie die Ikonen von Klymenko auf durch kriegerische Gewalt geprägtes Holz geschrieben sind und das Göttliche vergegenwärtigen, vergegenwärtigt das Osterfest alljährlich die Botschaft der Erlösung in einer Welt, die diese angesichts von Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit dringend braucht. Die Brutalität des Geschehens an Karfreitag machen wir uns selten bewusst: Als Verbrecher wird dieser Jesus nach einem öffentlichen Schauprozess, der eher einer Farce als einem geregelten Gerichtsverfahren gleicht, in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verurteilt, gefoltert und schließlich durch Kreuzigung martialisch hingerichtet. Mit ihm sterben zwei andere. Ein brutaler Gewaltakt. Er wird begraben, still und ohne großes Aufsehen. Und am dritten Tag ist das Grab leer. Die Gewalt hat nicht das letzte Wort, das Leben siegt über den Tod.

Immer wieder habe ich in den Osterpredigten der vergangenen Jahre das Narrativ gehört, dass wir trotzdem Ostern feiern, trotz Pandemie, trotz Klimakrise, trotz Krieg. Ich möchte vielmehr sagen: Wir feiern Ostern, weil die Welt Erlösung dringend braucht. Wir feiern Ostern wider alle Resignation und Hoffnungslosigkeit.

Wir feiern Ostern, weil wir nicht akzeptieren, dass Krieg, Gewalt und Ungerechtigkeit das letzte Wort haben, weil wir uns einsetzen für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, und weil uns der tiefe Glaube daran, dass letztlich das Leben siegt, trägt.


Katrin Großmann (Copyright Fotostudio Martina Stange, Osnabrück)

Dr. theol. Katrin Großmann (1980) leitet die Abteilung „Theologie und Glaube“ im Generalsekretariat des Zentralkomitees der deutschen Katholiken. Sie studierte Theologie in Tübingen, Jerusalem und Regensburg und war zuvor im Bistum Osnabrück als Diözesanbeauftragte für die Ökumene und den interreligiösen Dialog tätig.

2 Gedanken zu „Von österlichem Trotz und der Hoffnung wider alle Gewalt“

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