Klaus Mertes sj
Zu der Signatur unserer Zeit gehört das Bemühen von Wissenschaft, den Tod zu besiegen. Denn: „Leben ist besser als Sterben“ (Bill Maris). Man mag darüber den Kopf schütteln, aber das wäre vorschnell. Es geht um ernst gemeinte Pläne von Leuten wie Ray Kurzweil, „Director of Engeneering“ bei Google, oder Bill Maris, CEO des Investmentfonds Google Venture. Zusammen mit anderen großen Unternehmen werden Milliarden in Start-Ups investiert, die im Bereich der „life sciences“ unterwegs sind, ehrgeizige Projekte der Lebensverlängerung verfolgen, um an die Todesschwelle heranzukommen, die es dann noch zu überspringen gilt.
Diese Sorte von Biowissenschaft basiert auf der Voraussetzung, dass „Bewusstsein“ auf „Intelligenz“ reduzierbar ist, welche ihrerseits technisch reproduziert werden kann. Man muss dann nur noch den Begriff der „Intelligenz“ ablösen von der Vorstellung reiner Rechenleistungen. Nach Kurzweil etwa erschafft Intelligenz durch „Mustererkennung“ Gedächtnisleistung. So entstünde dann zum Beispiel auch die Vorstellung von einer Person als Trägerin von „Menschenrechten“, die man dann im Fall der Fälle auch intelligenten Maschinen zusprechen kann.
Gerne frage ich Jugendliche im Unterricht: „Wie findet ihr die Vorstellung, physisch unsterblich zu sein?“ Das führt zu sehr anregenden, manchmal auch heftigen Diskussionen. Die meisten Jugendlichen antworten zunächst spontan: „Schrecklich!“ Sie spüren irgendwie, dass Tod zum Leben gehört, auch der eigene Tod. Warum? Es ist gerade der Tod, oder genauer: Das Bewusstsein, sterblich zu sein, das es mir ermöglicht, mein Leben als Ganzes in den Blick zu nehmen. Es ist vertrackt. Einerseits ist Leben tatsächlich besser als Sterben. Zumal in Kriegszeiten (siehe das Sterben in der Ukraine, in Syrien und andernorts) wäre es zynisch, das Gegenteil zu behaupten. Doch andererseits scheint es beim Leben um mehr zu gehen als rein physisches Leben. Sonst hätte nicht einmal Jesus sein ganzes Leben in die Hand nehmen und riskieren können, und uns so sein einzigartiges Zeugnis der Gottes- und Nächstenliebe geben können.
Was bedeutet das nun für die Frohe Botschaft von Ostern, die da lautet: Christus ist wirklich gestorben und er ist wirklich auferstanden, und zwar leiblich? „Leib“ ist in der biblischen Sprache Inbegriff von Kommunikation. Ohne Leib keine Kommunikation. Es geht also gerade nicht um die Wiederbelebung einer Leiche, eines bloß physischen Körpers. Vielmehr bleibt der Auferstandene in Kommunikation mit den Seinen, im gemeinsamen Essen und Trinken, in der Liebe zwischen Menschen, in der Begegnung mit Not, die mich herausfordert. Und ganz besonders in der Versöhnung. Denn es ist ja der Gekreuzigte, der Verleumdete und Verratene, der in Kommunikation bleibt – ein großes Hoffnungszeichen für die Menschheit.
Klaus Mertes sj (1954) ist Superior der Jesuitenkommunität in Berlin-Charlottenburg. Er hat Slawistik und Klassische Philologie in Bonn studiert und ist 1977 in den Jesuitenorden eingetreten. Anschließend studierte er Philosophie und Katholische Theologie in München und Frankfurt a.M. und wurde 1986 zum Priester geweiht. Nach dem zweiten Staatsexamen für Katholische Religion und Latein war er Lehrer an der St.-Ansgar-Schule in Hamburg und am Canisius-Kolleg in Berlin, dessen Rektor er von 2000 bis 2011 war. Von 2011-2020 war er Direktor des internationalen Jesuitenkollegs in Sankt Blasien. Klaus Mertes ist Redakteur der Kulturzeitschrift STIMMEN DER ZEIT und gehört dem Kuratorium Stiftung 20. Juli 1944 an.