Albert Fierlbeck, Leiter der DONUM VITAE Beratungsstelle in Haar/München
donum vitae bietet bundesweit an mehr als 200 Orten Schwangerschafts(konflikt)beratung an. Vor zwei Jahren brachte die Pandemie erhebliche Einschränkungen. Die Träger der Beratungsstellen und vor allem die Mitarbeitenden in Beratung und Verwaltung haben sich innerhalb kürzester Zeit auf die veränderten Anforderungen und Rahmenbedingungen eingestellt – auch dank eines im Mai 2019 gestarteten Modellprojektes zur Erprobung von digitalen Formaten in der Beratung waren die Fachkräfte durchgehend für die ratsuchenden Frauen und Familien erreichbar. Die Beratungsangebote konnten datensicher sowie klientinnen- und klientenorientiert in den digitalen Raum verlegt werden, wenn dies aufgrund von Erkrankungen, Risiken und Kontaktbeschränkungen notwendig war. Zusätzlich bietet donum vitae bereits seit 2008 mit der schriftbasierten Onlineberatung ein erprobtes Instrument niedrigschwelliger Beratung an.
Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Beratungsarbeit
Zu Beginn standen für die Träger und die Mitarbeitenden der Beratungsstellen ganz praktische Themen im Fokus. Immer wieder mussten neue Absprachen getroffen werden mit Behörden und Regierung auf der einen, den Mitarbeitenden sowie Kooperationspartnern auf der anderen Seite. Dies nahm viel Zeit in Anspruch. Auch die werdenden Väter mussten gravierende Einschränkungen hinnehmen, so zum Beispiel bei der Anwesenheit bei Vorsorgeuntersuchungen und vor allem bei der Geburt des Kindes. Der umfangreiche Bedarf an Beratung und Unterstützung hat sich gerade in der Pandemie gezeigt – die Mitarbeitenden von donum vitae waren verlässlich für die ratsuchenden Frauen und Familien erreichbar. Da donum vitae bereits bundesweit an verschiedenen Standorten im Rahmen des Modellprojektes HeLB digitale Beratungsmöglichkeiten etabliert hatte, konnten die anderen donum vitae-Beratungsstellen erfolgreich daran anknüpfen.
Digitale und aufsuchende Beratungsformate sichern die Erreichbarkeit
Insbesondere der Datenschutz war eine wesentliche Voraussetzung, um die Sicherheit eines digitalen Beratungssettings zu gewährleisten. Unter Beachtung der Datenschutz- und Schweigepflichtvorgaben war so auch die Schwangerschaftskonfliktberatung per Video möglich und zulässig. Auch im digitalen Raum gilt es, verschiedene Rahmenbedingungen für einen geschützten Raum und ein ruhiges, persönliches Gespräch zu beachten. So gab und gibt es auch immer wieder Probleme mit der Technik, da manchen Klientinnen oft nur ein Handy als digitales Endgerät zur Verfügung steht. Vielen fehlt zudem der Zugang zu kostenfreiem Internet. Zusätzlich zu den digitalen Angeboten konnten die Beraterinnen und Berater auch sogenannte „Geh-spräche“ – ein Beratungsgespräch beim Spaziergang – anbieten. Die aufsuchende Beratungsarbeit hat sich in den Modellprojekten bei donum vitae als weiterer niedrigschwelliger Zugangsweg zu mitunter schwer erreichbaren Frauen und Familien sehr bewährt. Gleichwohl ist nicht für alle Klientinnen und Klienten ein digitales Beratungsangebot optimal.
Neben diesen praktischen Anpassungen an die Situation waren und sind die Beraterinnen und Berater in der Schwangerschafts(konflikt)beratung aufgrund der Pandemie zusätzlich mit vielen neuen Themen und Anliegen ihrer Klientinnen und Klienten befasst, denen sie mit Kreativität, Flexibilität und persönlichem Einsatz begegnet sind, die allerdings auch auf Behördenseite eine verlässliche Erreichbarkeit erfordern.
Beraterinnen und Berater sind in der Pandemie mitunter die letzten erreichbaren Kontakte
Zu den regulären Aufgaben der Fachkräfte in den Schwangerschaftsberatungsstellen gehört es auch, über die Möglichkeiten zur Beantragung von finanzieller Unterstützung in der Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes zu beraten. So haben sie auch in Pandemiezeiten über die Hilfsangeboten für Familien informiert und waren bei der Umsetzung sowie späteren Nachfragen zur Weiterbewilligung oder Nutzung erreichbar. Neben den Anliegen aus der Beratung rund um Schwangerschaft und Geburt waren die Beraterinnen und Berater nun jedoch zunehmend mit Themen wie Arbeitslosigkeit, Verschuldung, Anstieg psychischer Probleme (z.B. aufgrund enger Wohnverhältnisse) usw. konfrontiert. Gleichzeitig mussten sie in den vergangenen Monaten leider häufig die Erfahrung machen, dass die Erreichbarkeit bei den Behörden nur sehr eingeschränkt sichergestellt war.
Die Isolation überwinden: Gruppenangebote in digitalen Formaten
Der Wegfall von realen Treffen für die Geburtsvorbereitung, von Rückbildungskursen, Babytreffen, Austausch in Elterncafés und Familienzentren, aber auch ganz einfach in der Familie (mit Oma und Opa etc.) führte zunehmend zu Vereinsamung, Überforderung und Strukturlosigkeit bei den (werdenden) Müttern und Familien. Dies erschwert die Umstellung auf die neue Lebenssituation, Mutter bzw. Eltern zu werden. Auch solchen Herausforderungen konnten die Beraterinnen und Berater begegnen: Mittlerweile werden neben Einzelgesprächen auch verschiedene Gruppenangebote wie Trauergruppen, Schwangerengruppen sowie Eltern- und Informationsabende digital durchgeführt. Dies ist natürlich kein Ersatz für die persönliche Begegnung – aber ein ganz elementarer Baustein, um der Isolation zu begegnen und Austausch zu ermöglichen.
Die Pandemie hat unsere Gesellschaft nachhaltig verändert – so auch die Zugangswege von Klientinnen und Klienten in die Schwangerschafts(konflikt)beratung. Eltern, die alleinerziehend sind und keine Kinderbetreuung haben, Ratsuchende, die weit entfernt von der Beratungsstelle wohnen oder die gemeinsam mit ihrem Partner ein Angebot wahrnehmen wollen, finden auch auf digitalen Wegen in die Beratung. Auch über die Pandemie hinaus werden die neuen Möglichkeiten der digitalen Vernetzung und der dafür nötigen Formate und Instrumente bleiben und in den Beratungsalltag integriert. Die Schwangerschaftsberatung hat dank ihrer vielfältigen Zugänge gezeigt, dass sie auch unter Pandemiebedingungen gut fortgeführt werden kann und dass es hier kein Versorgungsdefizit gibt – die Beratung kommt an!
donum vitae berät, informiert und begleitet in allen Fragen rund um Schwangerschaft und im Schwangerschaftskonflikt. Darüber hinaus bieten wir psychosoziale Beratung im Kontext von Pränataldiagnostik oder bei unerfülltem Kinderwunsch, sexueller Bildung und Prävention an und vermitteln konkrete Hilfe und Unterstützung. Die Beratung von donum vitae ist kostenlos und vertraulich, auf Wunsch auch anonym. Sie steht allen Ratsuchenden offen – unabhängig von Nationalität, Konfession und sexueller Orientierung. Die rund 320 Beraterinnen und Berater von donum vitae werden von mehr als 1.000 ehrenamtlich Engagierten in 14 Bundesländern unterstützt. Der Verein wurde 1999 gegründet und ist gemeinnützig. Die staatlich anerkannten Beratungsstellen von donum vitae sind berechtigt, einen Beratungsnachweis gemäß § 219 StGB auszustellen.
Link zur Internetseite von donum vitae: https://www.donumvitae.org/
Link zur Internetseite des Modellprojektes HeLB: https://www.donumvitae.org/ueber-uns/modellprojekt-helb
Link zur Dokumentation der Fachtagung „Blended Counseling – Beratung, die ankommt!“ am 16. März 2022 in Berlin: https://www.donumvitae.org/helb-fachtagung
Albert Fierlbeck ist Leiter der DONUM VITAE Beratungsstelle in Haar/München. Seit 2009 ist der Dipl. Sozialpädagoge (FH) und Pädagoge M.A. bei DONUM VITAE in Haar tätig. Neben den Leitungsaufgaben liegt sein Arbeitsschwerpunkt auf der Onlineberatung sowie der Väterarbeit.