Helmut Klapheck und Adolf Weiland warnen vor einer Aufhebung der Schuldenbremse, weil die Schuldenaufnahme ohne Auflagen zwar kurzfristig als bequemste „Lösung“ erscheinen, aber den Blick auf umfassendere, aber auch komplexere Wege zu starken Staatsfinanzen versperren.
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Helmut Klapheck und Adolf Weiland
Ein vorsorgender Staat braucht stabile Finanzen
Die noch andauernde Corona-Krise brachte dramatische wirtschaftliche Einbrüche, verbunden mit sinkenden Staatseinnahmen und massiv erhöhten kreditfinanzierten Staatsausgaben. In Folge dieser Entwicklung ist eine heftige finanzpolitische Kontroverse ausgebrochen. Auf der einen Seite steht die Forderung, dass der Staat sich um seiner Handlungsfähigkeit willen sehr viel „flexibler“ mit immer neuen Schulden finanzieren sollte. Neben der Überwindung der Corona-Krise tritt zudem immer nachdrücklicher die Abwehr des Klimawandels, die gigantische Investitionen erfordere, als Argument hinzu. Auf der anderen Seite steht ebenso im Sinne der Handlungsfähigkeit des Staates, aber auch im Sinne des Schutzes nachfolgender Generationen die Forderung, dass der Staat mit möglichst geringen Schuldenlasten frei von Zins- und Tilgungsverpflichtungen sein sollte. Dies nicht zuletzt auch, um für künftige Krisenfälle gewappnet zu sein.
Die sog. „Schuldenbremse“ des Grundgesetzes gebietet Bund und Ländern, ihre Haushalte grundsätzlich ohne Kreditaufnahmen auszugleichen („schwarze Null“). Ausnahmen sind in verhältnismäßigem Rahmen zum Ausgleich konjunktureller Schwankungen und für außergewöhnliche Notlagen ausdrücklich gestattet – verbunden mit zeitlich verbindlichen Tilgungsplänen. Eben daran entzündet sich die Kontroverse: Schuldenbremse abschaffen oder beibehalten?
Doch jetzt ohne Auflagen generell neue Schulden zu fordern, ist fahrlässig. Schulden waren und bleiben immer eine schwere Zukunftslast. Und sie versperren als kurzfristig bequemste „Lösung“ den Blick auf umfassendere, aber auch komplexere Wege zu starken Staatsfinanzen. Dieser Blick muss sich auf die Voraussetzungen für hohe Staatseinnahmen, die Disponibilität der Ausgaben und das Sach- und Kapitalvermögen des Staates richten. Daraus ergeben sich die wesentlichen Handlungsfelder
- Verzicht auf Neuverschuldung und Abbau der Schuldensockel, um Etatbelastungen durch Zins- und Tilgungspflichten zu mindern
- Erhöhung der Steuerkraft durch eine wachsende und produktivere Wirtschaft auf dem Stand der Technik. Das erfordert maßvolle Steuerlasten für Unternehmen und Privathaushalte.
- Wahrung des Staatsvermögens und Aufbau von Rücklagen und Reserven zur Deckung der impliziten Verschuldung und zur Vorsorge für künftige Krisen.
Um diese finanzpolitische Strategie umzusetzen, reicht es nicht, die Schuldenbremse zu erhalten. Es müssen zusätzliche Regeln in der EU und in Deutschland geschaffen und eingehalten werden:
- Die Stabilitätsregeln der Europäischen Währungsunion müssen ergänzt werden um die Verpflichtung der Banken, auch Kredite an Staaten und kommunale Gebietskörperschaften mit Eigenkapital zu unterlegen sowie um eine Insolvenzordnung für Staaten, die festlegt, welche Lasten bei Zahlungsunfähigkeit die kreditgebenden Banken, die Bürger des betreffenden Staates und die Mitglieder der Währungsunion zu tragen haben.
- Die Kreditfinanzierung der EU im Zuge des Corona-Hilfspakets muss absolute Ausnahme bleiben.
- Alle neuen Kredite, die der Staat auch zur Umschuldung von Altschulden aufnimmt, sollen künftig nur mit einer Tilgungsrate von mindestens 2% jährlich abgeschlossen werden.
- Der Staat soll vorhandenes Kapitalvermögen, Forderungsvermögen und Beteiligungsvermögen in der Substanz erhalten. Bei Veräußerung von Vermögensteilen ist der Erlös wieder in neue Vermögensbestandteile anzulegen, deren Erträge die Einnahmen des Staates verbessern.
- Der Staat soll direkte Beteiligungen an Unternehmen der Wirtschaft nur in wenigen Ausnahmefällen auf Zeit erwerben oder halten. Staatliche und unternehmerische Aufgaben müssen getrennt bleiben.
- Der Staat soll mit stetigen Investitionen die Substanz seines Verwaltungsvermögens erhalten, um die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Infrastruktur zu wahren und implizite Neuverschuldung durch Abschreibung zu vermeiden.
- Haushaltsüberschüsse sind nach wirtschaftlicher Abwägung entweder zur Tilgung von Altschulden oder zur Bildung von Rücklagen oder Kapitalstöcken als Vorsorge zu verwenden.
- Die Bildung von Rücklagen aus Restkreditermächtigungen von Staatshaushalten soll untersagt sein.
- Rücklagen außer regelmäßig zu bedienender Pensionsfonds sollen nur in Haushaltsjahren ohne Nettoneuverschuldung gebildet werden dürfen.
- Bund, Länder und Gemeinden sollen kapitalgedeckte Vorsorge für die Finanzierung der Ruhegehälter und Beihilfen der Beamten treffen. Diese soll geeignet sein, die Steigerung künftiger Pensionsleistungen aufzufangen und möglichst 50 % der Pensionslasten zu finanzieren. Die Anlage des Kapitals soll auch Aktien einschließen können. Die Anlage in Schuldscheinen des jeweiligen Landes oder der Gebietskörperschaft soll unterbleiben.
Helmut Klapheck M.A. (1950) war 1990-1997 Pressesprecher des Ministeriums und dann Referatsleiter in der Haushaltsabteilung des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz und 1997 – 2016 Wissenschaftlicher Referent für Wirtschafts- Finanz- und Haushaltspolitik der CDU-andtagsfraktion Rheinland-Pfalz. Seit 2005 ist nebenberuflich Landesgeschäftsführer der Mittelstands- und Wirtschaftsunion der CDU Rheinland-Pfalz, (MIT) und Mitglied der Grundsatzkommission und der Kommission Steuer- und Finanzpolitik des MIT-Bundesverbandes.
Dr. Adolf Weiland (1953) war von 1996 bis Mai 2021 Mitglied des Landtages Rheinland-Pfalz und dort u. a. Stellv. Vorsitzender der CDU-Fraktion, Vorsitzender der Rechnungsprüfungskommission und Mitglied des Haushalts- und Finanzausschusses. Er ist auch Vorsitzender des Rundfunkrates des SWR