Bernhard Koch sieht beim Einsatz bewaffneter Drohnen zahlreiche ethische Probleme und rät von deren Anschaffung ab.
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Bernhard Koch
Bewaffnete Drohnen und Ethik
Was das Thema „Bewaffnete Drohnen und Ethik“ so schwierig macht, ist, dass man mindestens zwei verschiedene Perspektiven darauf nehmen kann. Die eine Perspektive ist die des instrumentellen Gebrauchs von Werkzeugen. Wir nehmen sie in ganz vielen Alltagsentscheidungen fast natürlicherweise ein: Wir wollen ein Ziel erreichen und suchen dafür das am besten geeignete Mittel. Im militärischen Feld ist es nicht anders: Wenn man den Auftrag hat, seinen Gegner zu bekämpfen, geht es auch darum, dies mit einem Mittel zu tun, das einen selbst und Unbeteiligte an der Auseinandersetzung – die Zivilisten – am besten vor den Gewaltfolgen bewahrt. Es gibt Situationen, in denen man aus militärischer Sicht sagen muss, hier wäre zur Bekämpfung unseres Gegners ein unbemanntes, aber bewaffnetes Luftfahrzeug, eine sogenannte „Kampfdrohne“ (UACV), dasjenige Mittel, mit dem wir unser Ziel mit großer Zuverlässigkeit erreichen können und dabei uns und auch mögliche Zivilisten am wenigsten einem Risiko aussetzen. Eines dieser Szenarien ist die Konvoibegleitung, das ja auch von der Bundesministerin der Verteidigung im Deutschen Bundestag veranschaulicht wurde. In so einem Fall scheint aus militärischer Sicht vieles für den Gebrauch der bewaffneten Drohne zu sprechen, und ich glaube auch, dass man sich mit durchaus moralisch bedenkenswerten Gründen für bewaffnete Drohnen für die Bundewehr einsetzen kann.
Dennoch bin ich kein Freund bewaffneter Drohnen (um Aufklärungsdrohnen geht es hier ja nicht), und ich würde mir wünschen, die Bundesregierung würde auf ihre Anschaffung verzichten, denn die militärischen Szenarien, in denen der Einsatz von UACVs sinnvoll erscheint, geben nicht das ganze Bild. Schon innerhalb der instrumentellen Perspektive tun sich Schwierigkeiten auf, wenn man von den Einzelsituationen auf die heraufdämmernde Drohnenkriegsführung der Zukunft blickt: Dann steht beispielsweise die Frage im Raum, ob künftig leichter militärische Gewalt eingesetzt werden wird, weil sie geringere politische Kosten durch getötete oder verwundete Soldatinnen und Soldaten und Zivilisten verursacht. Oder die Frage, ob wir letztlich eine Art „entgrenzter Kriegsführung“ erleben werden, weil Drohnenbediener und Drohnenwirkung über Tausende von Kilometern entfernt sein können und es zu Vergeltungsschlägen auch im Land des Drohnenbedieners kommen kann. Oder das Risiko, dass wir mehr und mehr in die Fallstricke militärischer Robotik abgleiten – auch mit dem Effekt, dass uns die Technik in gewisser Weise über den Kopf wächst. Schließlich spricht gerade die instrumentelle Perspektive für zunehmende Automatisierung bei den bewaffneten Drohnen: Irgendwann werden uns die Verbindungswege von Bediener und Drohne als immer noch zu lange vorkommen, oder wir sind einfach nicht mehr in der Lage, die Überfülle des sensorischen Inputs der Maschine selber einigermaßen angemessen zu bearbeiten, was dann der Roboter vollständig übernehmen muss. Innerhalb der instrumentellen Perspektive ist die zunehmende Automatisierung einfach folgerichtig, und wenn wir heute sagen, wir könnten nicht mehr „mit der Postkutsche“ in den Kampf ziehen und das als Argument für die bewaffneten Drohnen nehmen, werden wir in Zukunft die heutigen Drohnen als die Postkutsche ansehen müssen, weil es längst zweckorientierte Weiterentwicklungen gibt.
Die instrumentelle Perspektive ist gekennzeichnet dadurch, dass sie die Wirkungen verschiedener Werkzeuge vergleicht. Da die problematischen Wirkungen der Drohnenkriegsführung so schwer zu prognostizieren sind, die günstigen Wirkungen in den Einsatzszenarien aber recht konkret erscheinen, steht hier die Politik vor einer schwierigen Abwägungsentscheidung. Letztlich wird sie vermutlich im Sinne des Konkreten und eher Berechenbaren ausfallen, und das ist die zunächst geringere Belastung eigener Soldatinnen und Soldaten.
Was ist nun die andere Perspektive, die sich diesem Ergebnis instrumenteller Vernunft entgegenstellt und meine Skepsis im eigentlichen Sinne begründet? Aus christlicher Sicht kann man es das Tötungsverbot nennen; aus menschenrechtlicher Sicht der Schutz vor willkürlicher Tötung. Ob wir es so oder so bezeichnen: Auch das Leben des Gegners muss uns eine Angelegenheit sein. Bewaffnete Drohnen sind Instrumente zum Töten. Als Plattformen für Luft-Boden-Raketen kann man mit ihnen nicht kampfunfähig machen oder gefangen nehmen. Nun mag es Situationen geben – und gerade im Krieg gab und gibt es sie –, in denen es fast unausweichlich ist oder war, in einer Weise zu handeln, dass andere Menschen zu Tode kamen oder kommen. Dies sind Situationen, in denen Menschen sich oder andere vor dem Tod bewahren wollen. Aber mit bewaffneten Drohnen entsteht die paradoxe Situation, dass die eigene Bedrohung ja gerade abnimmt, und so auch die Legitimation für Gegenschläge, die tödliche Wirkung haben. Oft wird mir gesagt, dieses Argument wäre wohl einem Ritterlichkeitsethos verpflichtet. Das ist es nicht. Es geht um die bloße Frage, was tödliche Gewalt bei anwachsendem Schutz – nicht zuletzt durch die Aufklärungswirkung der unbemannten Luftfahrzeuge (wie im Beispiel der Konvoibegleitung) – eigentlich noch legitimiert. Im humanitären Völkerrecht gibt es die Möglichkeit, dass Kombattanten (übrigens sämtlicher Kriegsparteien) gegnerische Kombattanten mit tödlicher Gewalt angreifen. Aber in der moralischen Reflexion ist diese rechtliche Freiheit doch arg prekär. Sie macht das Kriegsführungsrecht zu einem Sonderbereich, das mit den Vorstellungen von Rechtswahrung, wie wir sie ansonsten pflegen, wenig zu tun hat. Mir scheint, in weltbürgerlicher Hinsicht wird es immer wichtiger werden, dass sich die Regeln des Kriegsvölkerrechts denen der Rechtswahrung annähern. Das lässt auch den Gegner – selbst wenn er keine sympathischen Absichten hegt – nicht völlig rechtlos. Ihn zu töten, auch wenn er gerade durch die Distanz – die ja nicht zuletzt durch den Einsatz der Drohne geschaffen wurde – gar keine reale Gefahr darstellen kann, ist dann schwerlich hinnehmbar.
Ein letzter Gesichtspunkt: Christen ist der Frieden ein besonderes Anliegen. Der Einsatz von technischen Instrumenten, die den Bediener ganz entziehen, wird aber bestenfalls Verhaltenskonditionierung, keineswegs aber das Gewinnen von „Herzen und Köpfen“ erreichen können. Wenn die Gewalt eskaliert, kann in der Verhaltensänderung schon ein Gewinn liegen, aber für den Frieden muss man überzeugen. Überzeugen geht aber nicht mit hochtechnologischen Gewaltmitteln. Am Ende werden wir uns unseren Gegnern doch aussetzen müssen, wenn wir sie ihrerseits als verantwortungsfähige Personen wahrnehmen wollen. Nicht zuletzt in diesem Sinne ist der Streit um bewaffnete Drohnen und andere militärische Robotik auch ein Streit um unser menschliches Selbstverständnis.
Bernhard Koch (1971) ist Projektleiter am Institut für Theologie und Frieden in Hamburg und Lehrbeauftragter für Philosophie an der Goethe-Universität Frankfurt. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten zählen Ethik im bewaffneten Konflikt, das humanitäre Völkerrecht und die ethischen Debatten um moderne Waffentechnologien.