Peter Weiß, MdB sieht das Spezifikum einer Spozialpolitik aus chrsitlichem Impuls in Rahmenbedingungen, in denen Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen sowie Freiheitsräume erschließen und gestaltet können.
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Peter Weiß
Das Spezifikum einer Sozialpolitik,
die aus christlichem Impetus rührt
Stehen Christen in einer besonderen Verantwortung, sich in die Sozialpolitik einzumischen? Und wenn ja wie sollte diese Politik ausgestaltet sein?
Vor 50 Jahren wurde das Zweite Vatikanische Konzils eröffnet. Eine der wichtigsten Konzilsbeschlüsse ist die Pastoralkonstitution Gaudium et Spes. In ihr heißt es: „Das Konzil fordert die Christen … auf, nach treuer Erfüllung ihrer irdischen Pflichten zu streben, und dies im Geist des Evangeliums“ (GS 43). Sprich: wer seine irdischen Pflichten vernachlässigt, weil er sich ganz auf das kommende Reich Gottes ausrichtet und sich lediglich als Gast auf Erden sieht, der verfehlt die Erfüllung seiner Berufung als Christ. Die „Lehrmäßige Note über den Einsatz und das Verhalten der Katholiken im politischen Leben“ von 2002 konkretisiert die Konzilsaussage für das politische Wirken: christliche Politiker leisten „ihren stimmigen Beitrag, damit durch die Politik eine soziale Ordnung entsteht, die gerechter ist und mehr der Würde des Menschen entspricht.“
Es geht also darum, einen von der Idee Menschenwürde inspirierten politischen Rahmen zu schaffen, der ein gerechtes (Zusammen-)Leben der Bürgerinnen und Bürger ermöglicht. Dabei geht es für Christen um mehr, als im politischen Alltagsgeschäft nur dem natürlichen Sittengesetz – das auf Kant rekrutiert und im Grundgesetz Artikel 2 festgeschrieben ist – gerecht zu werden. Vielmehr entscheidet sich für sie am christlichen Menschenbild, welchen Weg ihre Politik einschlägt.
Enttäuschen muss ich jene die meinen, christliche Politiker sollten oder könnten eins zu eins die kirchlichen Wünsche durchsetzten – mögen diese auch ihre Berechtigung haben. Christen sind, von einigen Grundsätzen abgesehen, in politischer Einzelfragen nie immer alle einer Meinung. Von verschiedenen Lösungsoptionen hat jede ihre Redlichkeit, die auf das christliche Menschenbild und die Menschenwürde rekrutiert. Politik, die dezidiert diesem Verständnis des Menschen folgt, ist immer darauf bedacht und verpflichtet, die Kräfte zu achten die ein Mensch zur Gestaltung seines Lebens aufbringen kann und unterstützt ihn dabei. Elementar ist, dem Menschen nicht mit Misstrauen zu begegnen, sondern mit Achtung vor seinen Fähigkeiten, seinen Ziele und dem Zutrauen, seine Lebensführung selbst bestimmen zu können.
Damit wächst Politik, aber auch Gesellschaft, die Aufgabe zu, den Einzelnen dort zu unterstützen und zu helfen wo er diese Hilfe braucht, ohne dabei seine Freiheit einzuschränken. Christlich motivierte Politik würde ihre Aufgabe verfehlen, wenn sie ein enges Netz von Vorschriften und Maßnahmen knüpft, die Menschen am selbstbestimmten Leben hindern. Es gilt, Bürgerinnen und Bürgern in der Gesellschaft ihre freie, individuelle Entfaltung zu einem selbstbestimmten Leben zu gewährleisten. Ihnen etwas zuzutrauen. Dies schließt auch die Gefahr des Scheiterns ein. Deshalb braucht es ein soziales Auffangnetz sowie gesellschaftliche Solidarität. Staatlicher Hilfe bedarf es dort, wo eigene Kräfte und die subsidiärer Organismen versagen. Sozialpolitik aus christlicher Verantwortung sucht den Weg zwischen zu wenig und zu viel Sozialleistungen. So gilt zu bedenken, dass viele Menschen durch immer mehr Sozialleistungen unterfordert werden und das Zutrauen in sich selbst schwindet und solch eine Politik das christliche Menschenbild verfehlt.
Ein christlicher Politiker muss stets die Gerechtigkeit im Blick haben. Getreu der christlichen Soziallehre bedeutet auch für mich Gerechtigkeit in erster Linie Beteiligungsgerechtigkeit. Jeder Person, mit ihren je eigenen Begabungen und Vorstellung vom Leben, die grundlegende Chance geben, ihre Ziele verwirklichen zu können. Es ist nicht ausschlaggebend, dass jeder von allem gleich viel hat.
Ausschlaggebend ist auch nicht, dass alle die gleiche berufliche Karrierestufe erreichen. Gleichmacherei wird der individuellen Persönlichkeit eines jeden Menschen nicht gerecht. Daher gilt, allen, unabhängig ihres sozialen Status, Bildungs- und Berufsmöglichkeiten zu eröffnen. Ein Weg ist das Bildungs- und Teilhabepaket, wohlwissend, dass aus christlicher Sicht auch andere Optionen möglich wären. Gerechtigkeit bedeutet Teilhabe am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Der Arbeitsplatz dient nicht nur zur Sicherung des Lebensunterhaltes, sondern auch der aktiven Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, dem Gefühl, gebraucht zu werden.
Sozialpolitik aus christlicher Verantwortung ist darauf bedacht, Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Menschen ihre Grundbedürfnisse befriedigen sowie Freiheitsräume erschließen und gestaltet können. Daneben besteht an einigen Stellen die Notwenigkeit der staatlichen Intervention, um einen gerechten, menschenwürdigen sozialen Ausgleich zu schaffen. Um dies an einem Beispiel zu konkretisieren: trotz eines – gemäß des Subsidiaritätsgrundsatzes von den Sozialpartnern festgelegten – Mindest-/Tariflohnes kann es nötig sein, dass der Staat Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer finanziell unterstützt, beispielsweise Familien mit Kindern.
Ich wünsche mir, dass sich mehr Frauen und Männer in der Politik für christliche Werte engagieren. Und das ist nicht nur eine Frage, die die Parteien bei der Auswahl Ihrer Kandidatinnen und Kandidaten beantworten müssen. Diese Frage stellt sich genauso an unsere Pfarrgemeinden und kirchlichen Verbände. Üben sich da mittlerweile nicht viel zu viele in Abstinenz gegenüber der Politik? Wo bleibt die Ermutigung an die aktiven Katholiken, sich auch für ein Engagement in den Parteien und für politische Mandate zur Verfügung zu stellen? Die Türen der Parteien – vor allem auch die der CDU – stehen für sie offen.
Peter Weiß (1956), ist Mitglied des Deutschen Bundestages (CDU) und u.a. Mitglied im Ausschuss für Arbeit und Soziales und u.a. Vorsitzender der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Vorsitzender der Aktion Psychisch Kranke, Präsident des Maximilian-Kolbe-Werks und Vorsitzender der Maximilian-Kolbe-Stiftung.