„ … da Friede war in der ganzen Welt“

Prof. Dr. Dorothea Sattler

„… da sandte Gott, der ewige Vater, seinen Sohn in die Welt, um sie durch seine rettende Ankunft zu heiligen“. Diese Worte aus dem Römischen Martyrologium werden an vielen Orten in der Weihnacht vor der Christmette feierlich gesungen. Teile des Textes, dessen Grundbestand aus dem 16. Jahrhundert stammt, sind im 20. Jahrhundert verändert worden. Heute heißt es zu Beginn: „Im Anfang schuf Gott die Welt. Milliarden Jahre waren vergangen, seit unsere Sonne und die Erde entstanden, Millionen Jahre, seit Leben sich regte auf der Erde, und der Mensch ins Dasein trat, viele tausende von Jahren, seit Völker und Kulturen sich bildeten …“. Positiv wird geschildert, was Gottes Gabe ist: Sonne und Erde, der Mensch als Hoffnungsgestalt, Völker und Kulturen – wertgeschätzt in ihrer Vielfalt. Wie anders ist doch die Wirklichkeit gegenwärtig – an einen weltweiten Frieden ist kaum zu denken, der Mensch ist eine Bedrohung der guten Schöpfungsordnung, Völker und Kulturen begegnen sich feindlich.

Die mit Weihnachten verbundenen Bilder schildern eine ersehnte, eine gewünschte Welt. Viele Menschen lassen sich hineinnehmen in Gedanken in winterliche Landschaften mit unberührter Natur. Fröhliche Kinder stehen vor Augen. Einsame Menschen erfahren Gemeinschaft. Alles wird gut – dies ist Botschaft. Ach wäre es doch so! Immerhin gibt es das noch einen Anlass, möglichst viel Zeit und Kraft daraufhin zu richten, einem anderen Menschen eine Freude zu machen. Soll dies nur an diesen Tagen geschehen – gewiss nicht! Muss es zu hohen Ausgaben kommen? Manche Familien haben sich dazu entschieden, einander nur sich selbst mit dem eigenen Kommunikationsvermögen zu schenken. Das Kostbarste, was Menschen einander schenken können, sind gute Worte – wohlwollende, wertschätzende, wegweisende. Es gibt sinnstiftende Worte – Worte, die Frieden bewirken.

Der Evangelist Johannes erzählt nicht von der Kindheit Jesu, er reflektiert das Ereignis: Gott kommt in Menschengestalt in sein Eigentum – in seine Schöpfung – und die Menschen nehmen ihn nicht auf. Auf erzählerische Weise wird das Motiv der vergeblichen Suche nach einer Aufnahme Gottes in der Welt in den Evangelien von Matthäus und Lukas bedacht: Gott sucht mit seiner Friedensbotschaft nach einem Platz auf der Erde – und die Menschen weisen ihn ab. Ein tiefer Ernst liegt über dem Weihnachtsfest – in diesem Jahr ist er in besonderer Weise zu spüren. Gott ist mit seinem Wort auch heute auf Herbergssuche. Wer öffnet ihm die Tür?

Gottes Wort – Gottes Kunde von sich selbst – Gottes Wort wird Mensch. Konkret: Jesus hat in seinem Leben erfahrbar werden lassen, wie Gott selbst ist: immerzu denen zugewandt, die am Rande stehen, die von ausgrenzenden Krankheiten geplagt sind, die als Fremde nicht angesprochen werden durften. Eines Tages kam da eben einer – ein Mensch, wie Gott ihn sich vorstellt – einer, der die Wahrheit sagt – auch dann noch, wenn es lebensgefährlich für ihn wird.

Die Geschichten von der Kindheit Jesu sind keine Historienschreibung. Es handelt sich um erzählerisch anregende Begebenheiten, die zur Sprache bringen, welche Bedeutung Jesus für uns hat. Es gibt heute in ökumenischer Gemeinschaft das Anliegen, miteinander Zeugnis für das erhellende Wort Gottes über unserem Leben zu geben: Unverlierbares Leben wird im Tod geschenkt. Wir haben gegenwärtig weltweit nicht Zeiten des Friedens – und zugleich könnten wir überall in jedem Augenblick damit beginnen, die Erde bewohnbar zu halten, das erste Wort nach langem Schweigen zu sprechen und einander die Hände zu reichen. Eine neue Aufmerksamkeit auf die kostbare Gabe des Lebens – das wünsche ich uns.


Bild: Ulrike Schwerdtfeger

Prof. Dr. Dorothea Sattler, Professorin für Ökumenische Theologie und Dogmatik an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Münster; Sprecherin des Sachbereichs 1 (Theologie, Pastoral und Ökumene) im Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

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