Ludwig Ring-Eifel
Schon rein optisch ist die Stuhlkreis-Synode im Vatikan etwas ganz anderes als ein Kirchenparlament. Ein solches hat es zuletzt beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) im Petersdom gegeben. Damals saßen auf beiden Seiten der weltgrößten Kirche jeweils mehr als 1.000 Bischöfe und stimmten über eine Reform der katholischen Kirche ab. Nun aber sitzt man in Stuhlkreisen, spricht konkret und persönlich und hört zu.
Der anderen Optik und der neuen Methode entspricht ein anderer Geist: Bei der in Rom tagenden Weltsynode wurde bislang kaum kontrovers debattiert und nicht um Textformulierungen und Mehrheiten gerungen. Stattdessen wurden Erfahrungen ausgetauscht, Divergenzen und Konvergenzen benannt; und immer wieder wurde geschwiegen und gebetet.
„Wir vermeiden oberflächliche Konfrontationen und gehen stattdessen in die Tiefe“, beschrieb der Generalabt des Zisterzienserordens, Mauro-Giuseppe Lepori, den Ansatz. Selbst bei strittigen Themen wie dem Frauendiakonat gehe es nicht um Forderungen, sondern um die Frage, wie die Kirche ihren Auftrag am besten erfüllen kann.
Trotz unterschiedlicher Erfahrungsberichte (auch zum umstrittenen Thema Homosexualität) scheint es in den ersten beiden Synodenwochen kaum Polemik gegeben zu haben. Wer die Debatten und Abstimmungsmarathons des Synodalen Wegs in Deutschland miterlebt hat, reibt sich die Augen.
Es scheint, dass die methodisch bestens geschulten Jesuiten um Papst Franziskus einen Weg gefunden haben, einerseits scharfe Polarisierungen zu vermeiden und andererseits nicht alles in einem Gruppentherapie-Wohlfühlmodus versanden zu lassen. Dazu hat vor allem der sanftmütig sprechende, aber stets klare Impulse gebende Luxemburger Kardinal und Jesuit Jean-Claude Hollerich beigetragen.
Hollerichs Einführungen waren keine geistlichen Allgemeinplätze. Er konnte aufbauen auf den Impulsen des britischen Dominikaners Timothy Radcliffe, der die Synodalen bereits vor dem Beginn der Beratungen während der Einkehrtage in Sacrofano bei Rom mit auf eine Art Weltreise genommen hatte. Er hatte ihnen anschaulich geschildert, wie Christen heute Menschen in körperlicher und seelischer Not beistehen können.
Radcliffe hatte damit, wie es im Kirchenjargon heißt, die Teilnehmer „geerdet“ – ohne den theologischen und biblischen Anspruch zu kurz kommen zu lassen. Wie Synodenteilnehmer später sagten, war der Austausch bei der Synode immer wieder von diesem „Geist der Konkretheit“ geprägt.
Zum Erfolg trug auch das bei Journalisten zunächst wenig beliebte Konzept des geschützten Raums bei. Von wenigen Pannen und Ausreißern abgesehen griff der Appell des Papstes, sich bewusst einige Wochen lang des „öffentlichen Worts“ zu enthalten und stattdessen umso intensiver aufeinander zu hören.
Daneben gab es auch Ereignisse am Rande: auf der einen Seite Proteste von Missbrauchsopfern sowie eine Art Schattensynode, bei der Forderungen nach Frauenweihe, Schwulensegnungen und Demokratisierung vorgetragen wurden. Auf der anderen Seite unterstrichen konservative Kardinäle durch öffentliche Anfragen („Dubia“) an Franziskus ihre grundsätzlichen Zweifel an dessen Öffnungskurs. Doch weder die eine noch die andere Begleitmusik schien die Versammlung an den runden Tischen aus dem Takt zu bringen.
Der vatikanische Kommunikationsdirektor Paolo Ruffini hat die Aufgabe, den angereisten Journalisten nur so viele Inhalte aus den Synodenrunden mitzuteilen, dass sie gerade eben damit arbeiten können. Auch das scheint bislang aufzugehen. Ruffini versicherte, dass die ersten beiden Wochen in einer Atmosphäre harmonischer Divergenzen vonstattengegangen seien. Doch auch er schloss nicht aus, dass es zum Ende hin härtere Kontroversen geben könnte – etwa dann, wenn sich die Versammlung auf ein Abschlusspapier verständigen muss.
Eine besondere Rolle spielten in den ersten Wochen die politischen Nachrichten. Die Ereignisse in Nahost überschatteten die Versammlung – zumal auch Teilnehmer aus der Region dabei waren. Gebete um Frieden wurden Bestandteile der Synode. Und sie könnten letztlich positive Auswirkungen auf die Versammlung haben. Eine Teilnehmerin brachte es auf den Punkt: „Wenn Teile der Welt von Krieg und Hass bedroht werden, müssen wir als Christen unsere Berufung neu entdecken, der Welt Frieden zu verkünden – und wir dürfen nicht bei innerkirchlichen Betrachtungen stehenbleiben.“
(Der Text erschien bei kna, die ihn uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat.)
Ludwig Ring-Eifel, geboren 1960 in Trier, war von 2005 bis 2022 Chefredakteur der Katholischen Nachrichten-Agentur KNA. Seither ist er wieder Korrespondent der KNA in Rom, von wo er auch schon von 1996 bis 2005 berichtete. Er ist Autor zahlreicher Texte und mehrerer Bücher über die Päpste und den Vatikan. Den Synodalen Weg begleitete er als Journalist mit Berichten und Kommentaren.
In Anbetracht der nur teilweisen Öffentlichkeit der Beratungen in der derzeitigen röm.-kath. Weltsynode ein sehr sachlicher und informativer Beitrag von Herrn L.Ring-Eifel aus dem Vatikan.
Die Massenmedien bei uns finden die aktuellen Beratungen der Weltsynode in Rom offenbar nicht interessant.
Die Institution „römisch-katholische Kirche“ ist eine absolute Monarchie und tickt anders als eine parlamentarische Demokratie in einer pluralistischen Gesellschaft – mit anderen Schwächen und Stärken.
Hoffen wir bei diesem „Synodalen Prozess“, dass er am Ende zu positiven Veränderungen in der Art der Verkündigung der Frohbotschaft Jesu führt!