Ruprecht Polenz kritisiert die Ergebnisse des Treffen zwischen dem US-Präsidenten und dem nordkoreanischen Diktator als unverbindlich und sieht darin einen Erfolg für das Regime in Pjönjang.
Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.
(Die Gipfelerklärung finden Sie im Wortlaut am Ende des Textes)
Ruprecht Polenz
Gedanken zum „historischen“ Trump/Kim-Gipfel
Am 12. Juni 2018 haben sich der amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un in Singapur getroffen. Ein paar Gedanken zu dem Treffen – einem Gipfel, der möglicherweise aus ganz anderen Gründen historisch genannt werden wird:
1. Kim hat Trump keinerlei Zusage gemacht, deren Einhaltung überprüfbar wäre. Als Gegenleistung wurde er diplomatisch aufgewertet, weil es Trump vor allem auf die „historischen Bilder“ ankam.
2. Trump hat im Grunde NICHTS bekommen. Trotzdem stoppt er die gemeinsamen Seemanöver mit Südkorea.
3. Die beiden konkretesten Textpassagen der Gipfelerklärung belegen diese Einschätzung: „Präsident Trump verpflichtete sich, der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) Sicherheitsgarantien zu geben, und der Vorsitzende Kim Jong Un bekräftigte seine feste und unerschütterliche Verpflichtung, die Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel abzuschließen.“
4. Das Wort „abzuschließen“ deutet darauf hin, dass Trump davon ausgeht, Nordkorea habe mit der Denuklearisierung bereits angefangen. Außerdem lässt es sich so verstehen, dass Kim den letzten Schritt machen soll, nachdem die USA ihre nuklearen Sicherheitsgarantien für Südkorea zurückgezogen haben.
5. „In Bestätigung der Panmunjom-Erklärung vom 27. April 2018 verpflichtet sich die DVRK, auf eine vollständige Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel hinzuarbeiten.“
6. „Hinzuarbeiten“ kann auch heißen, die Amerikaner zum schrittweisen Rückzug ihrer nuklearen Kapazitäten aufzufordern – als Vorleistung für eigene, nordkoreanische Abrüstungsschritte.
7. Über Menschenrechte wurde mit Kim nicht gesprochen, obwohl Trump das Abkommen mit Iran auch deshalb für den „schlechtesten deal ever“ hielt, weil zu Menschenrechten nichts drin steht.
8. Kim kann über die gelenkte Presse in seinem Land die Erwartungen an Fortschritte steuern und für Probleme die USA verantwortlich machen.
9. Trump und Südkorea haben einen Erwartungsdruck aufgebaut, der sie wesentlich stärker trifft als die andere Seite. Das verschlechtert die eigene Verhandlungsposition.
10. Von einem Abkommen mit Nordkorea, das auch nur annähernd so viel Sicherheit gegen Atomwaffen und Proliferation schafft, wie das Nuklearabkommen der E3+3 mit Iran gebracht hat, ist Trump viele Meilen entfernt.
Meine Sorge: Trump stellt die Bilder, um sich der Welt als Friedensbringer zu präsentieren. Gleichzeitig verschärft er den Kurs gegenüber Iran in dem Kalkül, eine Eskalation werde man ihm nicht anlasten. Schließlich zeige Nordkorea, dass bei gutem Willen (den Iran nicht habe), Frieden möglich sei. In Wirklichkeit ist für Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel noch kaum etwas gewonnen. Möglicherweise im Gegenteil nur eine Stärkung Nordkoreas.
Ruprecht Polenz (1946) war von 1994 bis 2013 Mitglied des Deutschen Bundestages und dort zuletzt von 2005 – 2013 Vorsitzender des Auswärtigen Ausschuss.
Die Gipfelerklärung vom 12. Juni 2018 im Wortlaut:
„Präsident Donald J. Trump aus den Vereinigten Staaten von Amerika und der Vorsitzende Kim Jong Un von der Kommission für Staatsangelegenheiten der Demokratischen Volksrepublik Korea (DVRK) haben am 12. Juni 2018 in Singapur einen ersten, historischen Gipfel abgehalten.
Präsident Trump und der Vorsitzende Kim Jong Un führten einen umfassenden, eingehenden und aufrichtigen Meinungsaustausch über die Fragen im Zusammenhang mit der Einrichtung neuer Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Demokratischen Volksrepublik Korea sowie dem Aufbau eines dauerhaften und robusten Friedensregimes auf der koreanischen Halbinsel. Präsident Trump verpflichtete sich, der DVRK Sicherheitsgarantien zu geben, und der Vorsitzende Kim Jong Un bekräftigte seine feste und unerschütterliche Verpflichtung, die Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel abzuschließen.
Überzeugt davon, dass die Schaffung neuer Beziehungen zwischen den USA und der DVRK zum Frieden und Wohlstand der koreanischen Halbinsel und der Welt beitragen wird und dass gegenseitige Vertrauensbildung die Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel fördern kann, erklären Präsident Trump und der Vorsitzende Kim Jong Un Folgendes:
1. Die Vereinigten Staaten und die DVRK verpflichten sich, neue Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und der Demokratischen Volksrepublik Korea zu schaffen im Einklang mit dem Wunsch der Völker beider Länder nach Frieden und Wohlstand.
2. Die Vereinigten Staaten und die Demokratische Volksrepublik Korea werden gemeinsame Bemühungen einsetzen zur Schaffung eines dauerhaften und stabilen Friedensregimes auf der koreanischen Halbinsel.
3. In Bestätigung der Panmunjom-Erklärung vom 27. April 2018 verpflichtet sich die DVRK, auf eine vollständige Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel hinzuarbeiten.
4. Die Vereinigten Staaten und die DVRK verpflichten sich, die sterblichen Überreste der Kriegsgefangenen und Vermissten zurückzuführen, einschließlich der sofortigen Repatriierung derer, die bereits identifiziert wurden.
In Anerkennung, dass das Gipfeltreffen zwischen den USA und der DVRK – das erste in der Geschichte – ein epochales Ereignis von großer Bedeutung war, das die jahrzehntelangen Spannungen und Feindseligkeiten zwischen den beiden Ländern überwindet und eine neue Zukunft öffnet, verpflichten sich Präsident Trump und der Vorsitzende Kim Jong Un, die Bestimmungen in dieser gemeinsamen Erklärung vollständig und zügig umzusetzen. Die Vereinigten Staaten und die DVRK verpflichten sich, zum frühestmöglichen Zeitpunkt von US-Außenminister Mike Pompeo und einem hochrangigen DVRK-Beamten geleitete Folgeverhandlungen zur Umsetzung der Ergebnisse des US-DVRK-Gipfels abzuhalten.
Präsident Donald J. Trump aus den Vereinigten Staaten von Amerika und der Vorsitzende Kim Jong Un von der Kommission für Staatsangelegenheiten der Demokratischen Volksrepublik Korea haben sich dazu verpflichtet bei der Entwicklung neuer Beziehungen zwischen den USA und der DVRK sowie bei der Förderung von Frieden, Wohlstand und Sicherheit der koreanischen Halbinsel und der Welt zusammenzuarbeiten.“