SACHSEN-ANHALT UND DER WEG ZUR BUNDESTAGSWAHL 2021

Stephan Eisel analysiert das Landtagswahlergebnis vom 6. Juni 2021 in Sachsen-Anhalt und beschreibt die daraus folgenden Herausforderungen für die Bundestagswahl am 26. September 2021.

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Stephan Eisel

Sachsen-Anhalt und der
Weg zur Bundestagswahl 2021

Der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni 2021 wurde eine große Bedeutung als bundespolitisches Signal zugeschrieben, weil die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl am 26. September war. Nun kann man darüber streiten, inwieweit die Wahl in einem Bundesland mit 2,2 Mio Einwohnern aussagekräftig ist für eine Wahl in ganz Deutschland. Andererseits wohnen in Sachsen-Anhalt mehr Menschen als in Bremen (0,7 Mio), dem Saarland (0,9 Mio), Mecklenburg-Vorpommern (1,6 Mio), Hamburg (1,8 Mio) oder Thüringen (2,1 Mio). Im Blick auf die Fläche ist Sachsen-Anhalt auf Rang 6 der Bundesländer größer als Rheinland-Pfalz, Sachsen, Thüringen oder Schleswig-Holstein und hat etwa die Ausdehnung von Israel.

Allerdings ist Sachsen-Anhalt besonders dünn besiedelt. Dort leben 108 Menschen pro km2. Nur Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sind noch dünner besiedelt. Zum Vergleich: in Rheinland-Pfalz leben 206 pro km2, in Baden-Württemberg 310 und in NRW 526. Gut 20 Prozent der Menschen in Sachsen-Anhalt leben in Magdeburg und Halle, die jeweils ca. 230.000 Einwohner haben. Mit Dessau-Roßlau (80.000 Einwohner) gibt es nur noch eine weitere kreisfreie Stadt. Die nächstgroßen Städte Wittenberg und Halberstadt haben schon weniger als 50.000 Einwohner.

Damit ist Sachsen-Anhalt aber zugleich wieder typischer für Deutschland als manche vermuten: Ca 15 Prozent der Menschen im Bundesgebiet leben nämlich in Gemeinden, die weniger als 5000 Einwohner haben, rund 27 Prozent  in Gemeinden zwischen 5.000 bis 20.000 Einwohnern, 18 Prozent in Städten mit 20.000 – 50.000 Einwohnern, und 9 Prozent in Städten zwischen 50.000 und 100.000 Einwohnern.

Das heißt: Fast 70 Prozent aller Deutschen leben in Orten, die weniger als 100.000 Einwohner haben. In Metropolen mit über 500.000 Einwohnern wohnen dagegen nur 17 Prozent der Gesamtbevölkerung. In Städten zwischen 100.000 und 200.000 Einwohnern sind es 7 Prozent und in Städten zwischen 200.000 und 500.000 Einwohnern 8,5 Prozent. Nur etwa ein Drittel der Wahlberechtigten wohnen also in Großstädten – dieses amtliche Etikett tragen Städte mit mehr als 100.00 Einwohnern -, die je größer umso mehr Zentren der politischen Berichterstattung sind.

Es hängt wohl auch damit zusammen, dass sich bei Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wieder einmal  herausgestellt hat, dass die Prognosekraft politscher Beobachter begrenzt ist und Umfragen kein Ersatz für Wahlen sind. Der CDU waren in Sachsen-Anhalt zuletzt 25-30 Prozent vorhergesagt worden. Erreicht hat sie 37 Prozent. Für die AfD waren ca. 25 Prozent prognostiziert worden. Tatsächlich bekam sie 20 Prozent. Die Grünen erwarteten um die 10 Prozent. Tatsächlich bekamen sie knapp 6 Prozent.

Vorläufiges amtliches Endergebnis Landtagswahl Sachsen-Anhalt 6. Juni 2021

CDU 37,1 +7,4 Bestes Wahlergebnis seit 20 Jahren
Gewinnt 40 der 41 Direktmandate
AfD 20,8 -3,4 Schlechtestes Ergebnis in den neuen Ländern
Verliert 14 von 15 zuletzt erreichten Direktmandaten
LINKE 11,0 -5,3 Mehr als ein Drittel der Stimmen verloren
Nur noch in Thüringen über 12 Prozent
SPD 8,4 -2,2 Neuer Tiefpunkt
jetzt sogar schwächer als in Bayern
GRÜNE 5,9 +0,8 Blasses Ergebnis auf dem Niveau von NRW
Nur in Hamburg und Baden-Württemberg über 20 Prozent
FDP 6,4 +1,6 Damit in 12 Landtagen vertreten
Bestes Ergebnis in den neuen Ländern

Aus dem Landtagswahlergebnis in Sachsen-Anhalt lassen sich
fünf Lehren und Herausforderungen für die Bundestagswahl am 26. September 2021 ziehen.

  • Für die CDU bedeutet der unerwartete Wahlsieg Rückenwind. So wie bei einem schlechten CDU-Ergebnis überall von einem Desaster für Armin Laschet gesprochen worden wäre, so nutzt ihm jetzt der Wahlsieg von Reiner Haseloff. Die Union hat den richtigen Kanzlerkandidaten. Laschet ähnelt in seiner ausgleichenden Art Haseloff, wie er lässt er keinen Zweifel an einer klaren Abgrenzung zur AfD und kann auf seine Erfahrung als Regierungschef verweisen. Das entlastet die Union aber nicht davon, auch ihr programmatisches Profil zu schärfen und vor allem offensiv zu kommunizieren. Dabei liegt ihre Chance darin, dass sie als Volkspartei mit einem breiten Programmangebot alle Wählerschichten ansprechen kann.
  • Der mediale Hype um die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat sich nicht in Wählerstimmen umgesetzt. Dass die Grünen monothematisch auf Klimaschutz setzen, ist kein Erfolgsrezept. Es hat sich erneut deutlich gezeigt, dass sie vor allem eine Großstadt-Partei und eben keine Volkspartei sind. Es macht doch einen Unterschied, ob man wie die Grünen 110.000 Mitglieder hat oder wie die Union fast 550.000. Ein innerparteilicher Interessenausgleich beispielsweise zwischen Stadt und Land, aber auch gut situiert und sozial benachteiligt findet bei den Grünen kaum statt, weil sich in ihrer Mitgliedschaft nicht alle Bevölkerungsgruppen wiederfinden. Deshalb werden sie auch durch eine sachliche Debatte über alle (!) Politikfelder geschwächt.
  • Der Niedergang der SPD ist kein Grund zur Schadenfreude. Unserer Demokratie schadet die Zersplitterung der oppositionellen Stimmen. Zulegen kann die SPD aber nur, wenn sie sich statt persönlicher Attacken auf die politischen Wettbewerber mit politischen Angeboten in der Sache profiliert. Die Ansätze dazu, die Olaf Scholz voranzutreiben will, werden von den Parteivorsitzenden Walter-Borjans und Esken allzu oft ausgehebelt.
  • Die Verluste für AfD und Linke in Sachsen-Anhalt sind erfreulich und bestätigen den Unionskurs der scharfen Abgrenzung nach rechts- und linksaußen. Allerdings bleibt besorgniserregend, dass neben CDU/CSU und SPD nur die AfD in allen Landtagen vertreten ist. Dadurch hat sie – im Unterschied zur Linken – ein bundesweites Spielfeld und bedarf deshalb auch der klaren Konfrontation durch alle demokratischen Parteien. Das ist im Interesse unserer Demokratie nicht nur eine Aufgabe der CDU.
  • Die mit 60,3 Prozent fast unveränderte Wahlbeteiligung liegt erneut deutlich höher als in Sachsen-Anhalt lange üblich (2006: 44,4 Prozent, 2011: 51,2 Prozent). Politikverdrossenheit gibt es nicht, wenn die Alternativen für die Wahl klar sind. Das ist eine Herausforderung für alle demokratischen Parteien. Die Wähler haben ein Anspruch darauf zu wissen, welchen Unterschied ihr Kreuz auf dem Stimmzettel macht.

Dr. Stephan Eisel (1955) war 1983- 1992 zunächst als Redenschreiber und dann als stv. Leiter des Kanzlerbü­ros Mitarbeiter von Helmut Kohl und 1992 -2021 in verschiedenen Leitungsfunktionen bei der Konrad-Adenauer-Stiftung tätig. 2007 – 2009 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Er ist verantwortlicher Redak­teur des Blogs für politisches Handeln aus christlicher Verantwortung kreuz-und -quer.­de

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