Gutachten zum Missbrauchsskandal im Erzbistum Berlin

Im Unterschied zum Erzbistum Köln hat das Erzbistum Berlin jetzt ein Gutachten zur Aufarbeitung des Missbrauchsskandals vorgelegt. Darin heisst es u. a. „dass bis 2010 bei der Behandlung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs gegen Kleriker und Ordensangehörige dem Schutz der Reputation der Institution ein größeres Gewicht beigemessen wurde als der Intervention, der Aufklärung und der Hilfe und Empathie für die Betroffenen.“  Wir dokumentieren das vollständige Gutachten und Stellungnahmen dazu.

Den Videomitschnitt der Pressekonferenz zur Vorstellung des Gutachtens zum Missbrauchsskandal im Erzbistum Berlin finden Sie hier

Das  Gutachten „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin seit 1946“ in der vom Erzbistum veröffentlichten Form  finden Sie hier.

Das Statement des Berliner Erzbischofs Dr. Rainer Koch zum Gutachten  finden Sie hier.

Das Statement von Generalvikar Pater Manfred Kollig SSCC zum Gutachten finden Sie hier.

Am 29. Januar 2021, stellten die Rechtsanwältin Sabine Wildfeuer und der Rechtsanwalt Prof. Dr. Peter-Andreas Brand der Kanzlei REDEKER SELLNER DAHS das Gutachten „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich des Erzbistums Berlin seit 1946“ vor.

Das Gutachten war vom Erzbistum Berlin im November beauftragt worden. Es behandelt die im Erzbistum Berlin aktenkundigen Vorwürfe gegen Kleriker zwischen 1946 und 2020. Das Erzbistum Berlin betont, dass das Gutachten stellt nicht den Abschluss der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals im Erzbistum Berlin darstellt, sondern soll dazu beitragen, aus den Erkenntnissen über die Vergangenheit weitere Schlussfolgerungen für den zukünftigen Umgang mit sexuellem Kindesmissbrauch im Bereich der katholischen Kirche zu ziehen und erkannte strukturelle Defizite zu minimieren.

Einige Kernsätze des Gutachtens lauten:

  • „Die Untersuchung der Akten hat den Eindruck hervorgerufen, dass bis 2010 bei der Behandlung von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs gegen Kleriker und Ordensangehörige dem Schutz der Reputation der Institution ein größeres Gewicht beigemessen wurde als der Intervention, der Aufklärung und der Hilfe und Empathie für die Betroffenen.“
  • „Nachdem erkennbar geworden ist, dass in praktisch keinem Fall einer Beschuldigung nähere Nachforschungen durchgeführt wurden, mit dem Ziel festzustellen, ob es noch weitere Betroffene gibt, ist unter Beachtung der Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und der Beschuldigten sicherzustellen, dass derartige Nachforschungen angestellt werden.„
  • „Aus den untersuchten Akten ergibt sich, dass entweder nur mangelnde Kenntnisse über den Inhalt des kirchlichen Strafrechts bei den Verantwortlichen des (Erz-)-Bischöflichen Ordinariats vorhanden waren oder aber das kirchliche Strafrecht teilweise bewusst oder zumindest fahrlässig missachtet wurde.„
  • „Aus der Untersuchung der Akten ergibt sich der Eindruck, dass die gesamte Organisationsstruktur des Erzbischöflichen Ordinariats einer erneuten gründlichen Prüfung unterzogen werden sollte.„
  • „Auch wenn mindestens seit 2018, aber auch schon in den Jahren zuvor, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Verantwortungsträgern des Erzbischöflichen Ordinariats, den Ansprechpersonen und den zuständigen Staatsanwaltschaften vereinbart und gelebt wird, ist durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass sämtliche Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs und sexueller Grenzüberschreitungen unverzüglich den Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden. … Die bisher schon eingeübten Vorgehensweisen, die sicherstellen, dass ein Beschuldigter seitens des Erz- bischöflichen Ordinariats erst in Absprache mit der Staatsanwaltschaft mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen konfrontiert wird, um eine Verdunkelungsgefahr zu verhindern, sollten festgeschrieben werden.“

Die Gutachter geben detaillierte Empfehlungen zu diesen Themenkomplexen ab:

  • Organisationsstruktur überprüfen
  • Proaktiv vorgehen – weitere Betroffene ermitteln
  • Aktenführungverbessern
  • Kommunikation verbessern
  • Kommunionsunterricht und Firmkatechese verbessern
  • Personalauswahl des Priesternachwuchses und des Leitungspersonals professionalisieren
  • Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafbehörden stärken
  • Kirchenrecht konsequent anwenden
  • Zuständigkeiten eindeutig definieren
  • Empathie mit Betroffenen stärken, Gesprächsmöglichkeiten eröffnen
  • Aufklärungsprozess fortsetzen
  • Null-Toleranz-Politik konsequent umsetzen

 

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