STEUERGERECHTIGKEIT UND ARMUT

Jörg Alt SJ sieht in Steuergerechtigkeit ist eine der Möglichkeiten, mit denen Europa den Migrationsdruck aus Afrika senken kann. 

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Jörg Alt

Steuergerechtigkeit und Armut

Zwischen 2012 und 2017 arbeiteten drei von Jesuiten getragene Institutionen an einem Forschungspro­jekt zu den Zusammenhängen von Steuergerechtigkeit und Armut: Die Jesuitenmission in Nürnberg, das Jesuit Centre for Theological Reflection in Lusaka (Sambia) und das Jesuit Hakimani Centre in Nairobi (Kenia). Für die empirischen Teile spielten Interviews mit Steuerbeamten und anderen Experten eine Rolle, im Be­reich der ethischen Bewertung die Prinzipien und Normen der Katholischen Soziallehre. Am 19. März konnten daraus erwachsende Ergebnisse veröffentlicht werden.

Darunter ragt die Erkenntnis heraus, dass afrikanische Länder keine Entwicklungshilfe bräuchten, wenn sie unerlaubte Abflüsse, die so genannten Illicit Financial Flows, bekämpfen, und Privatpersonen und Betriebe nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit besteuern könnten. Dazu fehlt es aber an recht­lich-technischen Voraussetzungen: Sowohl Kenia als auch Sambia haben es seit der politischen Unabhängig­keit beispiels­weise nicht geschafft, ein Register über die Eigentumsverhältnisse bei Grund und Boden sowie Immobilien zu erstellen. Arbeiten daran laufen, aber sie sind teuer und langwierig.

Sodann sind die Steuerbehörden ressourcenmäßig schwach: Dies wird augenfällig, wenn man Bayern, Kenia und Sambia vergleicht (USD=US-Dollar):

Bayern Kenia Sambia
Einwohner Ca. 12,6 Millionen (2014) Ca. 45 Millio-nen (2014) Ca. 14 Millionen (2012)
Bruttoinlandprodukt 533 Milliarden Euro (2014) ca. 69 Milliar­den USD (2015) ca. 26,6 Milliarden USD (2014)
Steuereinnahmen in USD (2014) 114.628.911.000 9.871.940.000 2.718.970.000
Steuerbeamte Iststärke 14.633 (2013) 4.629 (2015) 1.450 (2013)
Steuerbeamte Sollstärke 16.477 (2013) 6.618 (2015) 1.482 (2013)
Steuerbeamte auf 1000 Ein­wohner (2010) 1,15 0,104 0,099

Wenig erstaunlich deshalb, dass Sambia nicht in der Lage ist, die jährlich auf 2,9 Milliarden USD geschätzt­en unerlaubten Kapitalabflüsse zu unterbinden.

Hinzu kommen politische Erwägungen: Vor allem ausländische Konzerne erhalten weitreichende Steuerges­chenke im Gegenzug für Investitionen: Kenia entgehen somit jedes Jahr geschätzt 1,2 Milliarden USD.

Und es fehlt an der Unterstützung entwickelter Länder: Für die Steuerbehörden Afrikas wäre es wichtig zu wissen, wohin denn das Geld, das aus ihren Ländern verschwindet, hinfließt. Es ist ein offenes Ge­heimnis, dass es zunächst Steueroasen anzielt, dort in Briefkastenfirmen, Trusts und Holdings verpackt wird, bevor es in den entwickelten Länder profitabel investiert wird.

Gäb es bei den Einkommens- und Besitzverhältnissen privater, betrieblicher und krimineller Großver­mögen die gleiche Transparenz gegenüber den Steuerbehörden wie sie bei abhängig Beschäftigten be­steht, wäre viel gewonnen. Aber dies wird in Kenia und Sambia, ebenso wie in Deutschland (so die 2016 veröffentlich­te deutsche Teilstudie des Forschungsprojekts), von einflussreichen Lobbygruppen und kor­rupten Seilschaf­ten verhindert. Und so bleibt die Schieflage in der Verteilung der Steuerlast: Sie wird auch in Kenia und Sambia, natürlich nicht in absoluten Beträgen, wohl aber relativ zu den Einkommens- und Vermögensver­hältnissen, über direkte und indirekte Steuern und Abgaben überproportional von Ar­men, kleinen und mit­telgroßen Einkommen sowie kleinen und mittelgroßen Betrieben getragen. Hinzu kommt die Unfähigkeit, die in Afrika sehr ausgeprägte „informelle Ökonomie“ zu besteuern – aber dies ist ein komplexes Feld für sich.

Die Studie verdeutlicht jedenfalls, warum viele Menschen in Afrika ihr Heimatland verlassen: Die Staa­ten haben zu wenig Einnahmen, um ihrer Bevölkerung gute Bildung und medizinische Versorgung zu bieten, um in Infrastruktur zu investieren und Hilfe bei Start-Ups zu bieten. Unter solchen Bedingungen wird Mi­gration, auch nach Europa, eine lockende Option.

Natürlich gibt es viele Ideen und Maßnahmen, was gegen die geschilderten Missstände getan werden kann. Aus Platzgründen sollen lediglich die Handlungsmöglichkeiten reicher Staaten wie Deutschland angerissen werden:

Die Mobilisierung einheimischer Ressourcen ist ein wichtiges Ziel, und zugleich eine wichtige Voraussetz­ung zur Erreichung der Nachhaltigen Entwicklungsziele. Wenn Steuerbeamte, die bereits in Afrika tätig waren, gefragt wurden, ob sie ihre Zeit dort als lohnend erachteten, wurde dies ausnahmslos bejaht. Beson­ders interessant war, dass niemand von versuchter politischer Einflussnahme oder Korruption in den Ver­waltungen sprach, wohl aber von Mängeln bei der Ausstattung und Ausbildung. Entsprechend sollte die deutsche Entwicklungszusammenarbeit verstärkt darauf hinarbeiten, diese Mängel zu behe­ben.

Sodann muss dringend das Problem mangelnder Transparenz bei privaten, betrieblichen und kriminellen Großvermögen behoben werden, welches im Übrigen die Steuerbehörden auch in Deutschland daran hin­dert, nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit zu besteuern. Schützenswerte Belange der Vermögens­inhaber werden weiterhin durch das überall sehr strikte Steuergeheimnis geschützt, und alles, was trotz­dem diese Transparenz scheut, wird auch Grund dazu haben! Sollte das Außerlandesschaffen von Korruptionsgewinn­en und anderem auf unlautere Weise gewonnenem Vermögen durch Transparenz er­schwert werden, werden solche Praktiken in Afrika drastisch zurückgehen. Es wird deutlich mehr Geld vor Ort bleiben und dort in­vestiert werden.

Damit dies gelingen kann, müssen möglichst viele Staaten der Welt in ein solches Transparenzregime einge­bunden werden. Dies gilt auch und vor allem für Steueroasen. Dennoch gibt es auch ohne deren Kooperati­on genügend Möglichkeiten, das Offshore-Geschäftsmodell auszudünnen, etwa, indem Ban­ken und anderen Finanzdienstleistern in den Zielländern der Illicit Financial Flows verboten wird, jene Beträge anzunehmen, deren wirtschaftlich Letztbegünstigte nicht zweifelsfrei geklärt werden können. Vorschläge, wie dies umge­setzt werde kann, gibt es. Natürlich bedarf es auch angemessener Ressourcen bei Behörden, um die Umset­zung solcher Bestimmungen kontrollieren zu können, ebenso bedarf es Stra­fen, die eine Gesetzesbefolgung angeraten sein lässt.

Es gibt viele Möglichkeiten, mit denen Europa den Migrationsdruck aus Afrika senken kann. Steuergerechtigkeit ist eine wichtige Dimension dabei.

Dr. Jörg Alt SJ (1961) Jesuit und Soziologe, arbeitet in der Jesuitenmission Nürnberg zu den Bereichen Migration, Steuergerechtigkeit und Katholische Soziallehre.

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