MIT DER EUROPAFLAGGE GEGEN POPULISTEN

Stephan Eisel fordert von den Anhängern der europäischen Einigung Bekenntnisfreude, damit die öffentliche Bühne nicht europafeindlichen Populisten überlassen wird.

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Stephan Eisel

Mit der Europaflagge gegen Populisten

Was uns die Wahlen in den Niederlanden zeigen

Dem Ergebnis der Parlamentswahlen in den Niederlanden am 15. März 2017 kommt eine hohe Symbolkraft zu, weil es auch medial zur Entscheidung über die Zukunftsaussichten europafeindlicher Bewegungen hochstilisiert wurde. Umso größer war die Erleichterung bei Europafreunden, dass der Rechtspopulist Geert Wilders nicht den befürchteten Erfolg erzielen konnte. Trotz leichter Stimmgewinne erhielt der Befürworter eines Austritts der Niederlande aus der EU nur 13 Prozent der Stimmen. Die besonders europafreundlichen Parteien CDA, D66 und GL verbesserten sich hingegen um fast 15 Prozent der Stimmen. Insgesamt wählten weit über 80 Prozent der Niederländer Parteien, die an ihrer Europa­treue keinen Zweifel lassen.

Nach der österreichischen Präsidentschaftswahl vom 4. Dezember 2016 wurde damit zum zweiten Mal klar, dass der mit dem Brexit-Votum und der Trump-Wahl scheinbar unauf­haltsame Domino-Effekt populistischer Wahlerfolge kein Automatismus ist. Das ist umso ermutigender als die Wahlbeteiligung in den Niederlanden um 6 Prozent auf über 80 Prozent gestiegen ist und in Österreich bei der Stichwahl im Dezember 2016 mit 74 Pro­zent um 6 Prozent höher lag als im 1. Wahlgang vom April 2016, den die europafeindli­chen Populisten für sich entscheiden hatten.

Entwarnung bedeuten die Ergebnisse im Blick auf die anstehenden französischen Präsi­dentschaftswahlen im April und die Bundestagswahlen im September noch nicht – aber es ist der Nachweis gebracht, dass mehr Selbstbewusstsein der Befürworter der europäischen Einigung auch bei Wahlen Wirkung zeigt.

In Frankreich liegt in den Umfragen zur Zeit trotz des Handicaps eines zersplitterten Eu­ropalagers der europafreundlichste Kandidat Emmanuel Macron knapp vorne. Aber die Europagegnerin Le Pen, die für den EU-Austritt Frankreichs eintritt, bringt es immerhin auf ein Viertel der Stimmen. Bei den letzten französischen Parlamentswahlen 2012 kam der Front National wie jetzt Wilders in den Niederlanden auf 13 Prozent.

In Deutschland steht die europafeindliche AfD bei +/- 10 Prozent. Dies entspricht in etwa dem Anteil der Deutschen, die in einer EU-Mitgliedschaft mehr Nachteile als Vorteile se­hen.

Umso wichtiger ist es, dass jetzt auch in Deutschland die Europafreunde Farbe bekennen. Hier ist sehr ermutigend, dass die Bürgerinitiative #pulseofeurope immer mehr Zulauf er­hält. Die Ziele dieser überparteilichen und unabhängigen Bürgerbewegung sind klar for­muliert:

Wir sind überzeugt, dass die Mehrzahl der Menschen an die Grundidee der Europäi­schen Union und ihre Reformierbarkeit und Weiterentwicklung glaubt und sie nicht natio­nalistischen Tendenzen opfern möchte. Es geht um nichts Geringeres als die Bewahrung eines Bündnisses zur Sicherung des Friedens und zur Gewährleistung von individueller Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit. Leider sind aber in der Öffentlichkeit vor al­lem die destruktiven und zerstörerischen Stimmen zu hören! Deshalb: Lasst uns lauter und sichtbarer werden! Wir alle müssen jetzt positive Energie aussenden, die den aktuel­len Tendenzen entgegenwirkt. Der europäische Pulsschlag soll allenthalben wieder spür­bar werden!

In inzwischen fast 50 deutschen Städten wird bis zur Frankreichwahl jeden Sonntag um 14 Uhr für Europa demonstriert. Zuletzt waren es über 20.000 Teilnehmer, ihre Zahl wächst ebenso wie Zahl der Städte ständig. Längst haben die Europafreunde auf den öf­fentlichen Plätzen der Republik die europafeindliche Pegida überholt.

Wer europafeindlichen Populisten entgegen treten will, muss genau hier ansetzen: Flagge zeigen und Stellung beziehen, damit nicht leichtfertig wie in Großbritannien das verspielt wird, was für uns Europäer Frieden, Freiheit und Wohlstand garantiert: das europäische Miteinander statt des nationalistischen Gegeneinander, das in der europäischen Geschichte immer wieder ins Desaster geführt hat.

Uns Europäern muss im Zeitalter der Globalisierung auch noch klarer werden, dass wir nur ein kleiner Teil in die­ser Welt sind. Heute leben nur etwa 7,5 Prozent der Weltbevöl­kerung in den Mitgliedstaaten der Eu­ropäischen Union. 2050 werden wegen des unter­schiedlichen Bevölkerungswachstums nur rund 4 Prozent der Menschheit Europäer sein. Wir haben als kleine Minderheit in der Weltgesellschaft nur dann eine Chance, unse­re Werte, unsere politische Kultur, unsere Lebensweise und unseren Wohl­stand zu bewah­ren, wenn wir noch mehr zusammenrücken und noch enger zusammenarbeiten.

Nach der Selbstfindung der Europäer durch die Verankerung von Frieden und Freiheit auf dem ei­genen Kontinent ist die Selbstbehauptung Europas in der zusammenwachsenden Welt die neue zusätzliche Legitimation der europäischen Einigungsbewegung. Das Selbst­bewußtsein der Anhänger der europäischen Integration ist dafür das notwendige Fundament.

 

Dr. Stephan Eisel (1955) war als Mitglied des Deutschen Bundestages bis 2009 Mitglied im Euro­paauschuss und u. a. 1983- 1992 zunächst als Redenschreiber und dann als stv. Leiter des Kanzlerbü­ros Mitarbeiter von Helmut Kohl. Seit 2010 ist er in der Konrad-Ade­nauer-Stiftung Projektleiter für „Internet und Demokratie“ so­wie „Bürgerbeteiligung“. Er ist verant­wortlicher Redak­teur des Blogs für politisches Handeln aus christlicher Ver­antwortung kreuz-und -quer.­de

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