WEIHNACHTSWORT 2016

Hans Langendörfer SJ erinnert daran, dass auch der Wunsch einer „gesegnetes Weihnacht“ zeigt, dass die rede vom Segen nicht kleinzukriegen ist.

Den folgenden Text können Sie hier ausdrucken.

Hans Langendörfer SJ
Weihnachten:
Gottes Segen – Wunsch und Wirklichkeit

Ich will ganz ohne Weihnachten beginnen – und erst später auf dieses Fest zu sprechen kommen. Das möge dem Schutz der Weihnacht vor Missverständnissen dienen und den Schutz der Leserschaft vor Vereinnahmung wahren. Ich mache dies mit Hilfe des Wortes „Segen“, von dem ich glaube, dass es zwar viel mit der Weihnacht zu tun, aber auch im „normalen“ Leben große Bedeutung hat.

  1. Es gibt dieses religiöse Wort, das auch heute und im Alltag einfach nicht kleinzukrie­gen ist: das Wort Segen. Es gibt dieses Wort in religiöser und ganz säkularer Verwen­dung. Der Haussegen hänge schief, meinen die einen und sagen so, dass die Verhält­nisse zu Hause aus dem Lot geraten sind. Ob Angela Merkels erneute Kandidatur ein Segen sei, fragen sich andere. Dass auf neuen Rentenplänen der Ministerin kein Segen liege, wissen Dritte. Absegnen wollen sie sie nicht – wie es der pragmatische Regel­fall wäre. Dazu gibt es aber auch explizit christliche Segensereignisse. Wir kennen den päpstlichen Segen Urbi et Orbi, manche kennen den Erntesegen oder den Blasiussegen, auch den Sterbesegen usw. Weltweit befassen sich die Kirchen mit der Frage, wer ge­segnet werden solle – ob z.B. gleichgeschlechtliche Paare dazugehören oder nicht. Diese Verwendungsbreite des Begriffs lässt nach dem Sinn des Segens fragen.
  2. Zur Phänomenologie des Segnens: Ein Segen gilt fast immer als etwas sehr Positives. Auch die religiös Unmusikalischen werden lieber mit dem Segen eines Dritten leben und handeln als ohne ihn. Warum? Der Segen enthält eine Wertung und einen Wunsch für den, der gesegnet wird. Zudem schafft er Wirklichkeit: Segen ist Wunsch und schafft Wirklichkeit.Es ist ja nicht so, als passiere nichts Richtiges beim Segnen; als sei ein Segen nur ein vager Wunsch oder eine sehr ausgedünnte Form von Zustimmung, eine Art von face­book-„like“ für etwas oder für jemanden. Wirklich ausrichten könne er nichts. Das stimmt aber nicht, denn immer dann, wenn man etwas segnet oder „absegnet“, ist es akzeptiert. Und genauso ist es mit Personen, die gesegnet werden.Natürlich will man nicht jedermanns Segen haben. Wieso nicht? Eben weil ein Segen verbindet, und keiner will eine unerwünschte und vereinnahmende, übergriffige Verbundenheit. Den Segen von jemandem muss man mögen, man muss in ihn einwilligen. Dann aber gilt: jemand, der gesegnet ist, fühlt sich positiv verbunden mit dem, der segnet. Der will ihn einbeziehen in ein bzw. sein Kraftfeld. Er will etwas Gutes bewirken und etwas teilen, etwas mitteilen. Wenn man es etwas steil und summarisch sagen will: Glück und Schutz und Bewahrung sollen gefördert werden.Das beweisen die Gesten, die – religiös oder säkular – das Segnen begleiten: der Umarmung, dem Kuss, der Handauflegung, dem Kreuzzeichen. Sie unterstreichen, dass Segen etwas Kostbares und Berührendes ist.

    Allerdings bleibt offen, wie weit der menschliche Segen reicht. Es bleibt vieles unklar, vor allem in Bezug auf seine Wirkmächtigkeit. Niemand kann ja den vollen Erfolg dessen garantieren, was sein Segnen meint. Ob sich ein Segen vollständig erfüllt, ist mit dem Segenswort selbst noch nicht gesagt. Es bleibt nur die Hoffnung darauf, dass sich der Segen erfüllen wird.

  3. Zum Segen in biblischer Tradition: Im religiösen Bereich ist der Segen zunächst ein­mal etwas, das Gott spendet. Es beginnt mit dem biblischen Verständnis vom Werden dieser Welt – dem Schöpfungsbericht. Vom Menschen heißt es: „Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde.“ (Gen 1, 28) Und: „Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig.“ (Gen 2, 3). Das ist wichtig: Alles, was ist, wird durch Gottes Segen gutgeheißen und bejaht. Das Segnen Gottes wiederholt sich in vielen Aussagen des Alten Testaments der Bibel. Es wird auch übertragen auf den Menschen, der segnet. Sodann ist im Neuen Testament häufig vom Segnen die Rede. Von Jesus wird in einem sehr berührenden Satz gesagt, er habe Kinder um sich versammelt. Er legte ihnen die Hände auf und segnete sie (vgl. Mk 10). Vieles gehört in diese Tradition, z.B. auch die Rufe der Bergpredigt, welche die Armen und die Kranken, die Hungernden und die Dürstenden „selig“ preisen und ih­nen das Versprechen geben, dass es ihnen gut ergehen wird.Doch dann kommt das Entscheidende. Jesus Christus ist jemand, der segnet; er ist aber auch selbst in Person ein Segen. Dass jemand für mich ein Segen sei, sagen wir. Jesus ist für diese Welt ein Segen glauben Christen – der entscheidende Segen.
  4. Segen und Weihnacht: Zunächst einmal taucht in der Weihnachtsgeschichte verschie­dentlich das Motiv des Segens auf. Vor Jesu Geburt ist z.B. die Rede von Elisabeth, die mit ihrem Sohn Johannes schwanger war, also mit Johannes dem Täufer. Maria, die Mutter Jesu, die ihrerseits mit Jesus schwanger ist, besucht diese Elisabeth, mit der sie verwandt ist, und hört von ihr ein feierliches Bekenntnis: „Gesegnet bist du, Maria, mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes, Jesus“: das Ave Maria. Und ganz am Ende der Weihnachtsereignisse erzählt die Bibel, dass Jesus in den Tempel gebracht wird und dort einem sehr alten Mann begegnet namens Sime­on. Der segnet Maria, Josef und den Kleinen und bekundet das Baby als „das Heil“ vor allen Völkern. Später, im Abendmahlssaal und nach Ostern nimmt Jesus Brot und Wein, spricht den Lobpreis, wörtlich: er segnet, und gibt davon den Seinen. Jesus seg­net – und ist ein Segen. An Weihnachten kommt in der Person Jesu der Segen Got­tes in diese Welt. Das ist eine legitime Deutung des Festes.

Die Rede vom Segen ist nicht kleinzukriegen. Es gibt sie speziell auch zu Weihnachten. Zumeist wünscht man sich frohe Weihnachten oder „Happy Christmas“. Manche wün­schen auch „gesegnete Weihnachten“: eine schöne Formulierung. Das Fest möge Segen bringen und den in Erinnerung bringen, der Segen ist für mich und uns. Dessen Segen alles zum Guten wenden wird – eine dem Menschen unerreichbare Wirkmächtigkeit. Wunsch und Wirklichkeit des Segens werden dann vollständig eins sein.

Ein bekanntes Segensgebet – es mag den einen ein Beispiel einer literarischen Gattung sein, anderen etwas, das sie sich gerne und gläubig sagen lassen: „Der Herr segne dich und behüte dich; der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der Herr hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.“ Weihnachtssegen.

 

Hans Langendörfer (1951) ist Jesuit. Er war Kaplan in Gießen und studierte danach Mo­raltheologie in Bonn. Nach verschiedenen Aufgaben im Bereich der politischen Ethik wechselte er ins Sekretariat der Deutschen Bischöfe und leitet dies seit vielen Jahren. Sei­ne geistlichen und seelsorglichen Interessen hat dies nie geschmälert.

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